Benjamin Feingold-Kolumne

Neobroker: Smartbroker greift an

18.03.22 13:43 Uhr

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Neobroker: Smartbroker greift an | finanzen.net

Die Kurse zahlreicher Broker-Aktien sind in den vergangenen Monaten deutlich gesunken. Der Kampf um neue Kunden wird schwieriger, auch bei den preisgünstigen Neobrokern, wie ein Vergleich der beiden führenden Institute zeigt.

Nullzinsen und nun eine kräftig steigende Inflation setzen Anlegern und Sparer zu. Anleihen oder Tagesgeld werfen schon lange keine erfreulichen Erträge ab und mit einer Inflation von 5 Prozent und mehr werden auch noch die mickrigen Zinsen aufgezehrt. Selbst zahlreiche riskantere hochverzinsliche Unternehmensanleihen zeigen real, also nach Inflation, eine negative Rendite. Anleger, die eine attraktive Rendite erzielen wollen, sind fast gezwungen, sich mit dem Aktienmarkt oder anderen Anlageformen wie Zertifikate und ETFs zu beschäftigen.

Der Ausweg scheint vornehmlich über den Aktienmarkt möglich, was zur einer neuen Brokergeneration geführt hat. In den USA ist der Neobroker Robinhood sogar so schnell gewachsen, dass er den Gang aufs Parkett gewagt hat. Hierzulande hat Trade Republic mit einem schmalen Angebot die Pole-Position errungen, jedenfalls, was die Bewertung anbelangt. Dank seiner medialen Kampagnen hat man viel Aufmerksamkeit bekommen, doch bei Trade Republic wird nur ein Handelsplatz von Lang & Schwarz angeboten.

Geringe Akquisitionskosten

Dagegen bietet Wettbewerber Smartbroker wesentlich mehr: Eine große Auswahl an unterschiedlichen Marktplätzen, bei gettex ist der Handel ab einem Ordervolumen von mindestens 500 Euro sogar umsonst. Hinzu kommt die Verbindung zum Börsenportal wallstreet-online.de, die wie Smartbroker zur wallstreet.online AG gehören, die börsennotiert ist. Das Portal hat mehr als 800.000 tradingaffine User auf all seinen Börsenportalen, zu denen auch finanznachrichten.de, ariva.de und boersennews.de gehören. Zusammen kommen die Seiten auf eine starke Reichweite - mit 350 Millionen Page Impressions im Monat.

Das Potenzial an neuen Kunden möchte Smartbroker gerne heben und ebnet den Weg der Portalnutzer mit Inhalten und kurzen Wegen zu einem Depot bei Smartbroker. Ziel ist es laut Smartbroker, über Webinare, Newsletter oder andere Inhalte, Anlegern perspektivisch die Möglichkeit zu geben, mit nur 2 Klicks ein Wertpapier ins Depot buchen. Dadurch will der Broker in der Lage sein - im Vergleich zur Konkurrenz - die Kosten für die Akquisitionstätigkeiten niedrig zu halten. Für Smartbroker spricht auch die Qualität der Kunden. Das verwaltete Vermögen bei rund 200.000 Kunden beläuft sich auf 9 Mrd. Euro, was einen durchschnittlichen Kontobetrag von mehr als 30.000 Euro bedeutet. Dagegen hat Trade Republic eine andere Klientel angezogen. Dort beträgt das durchschnittliche Konto rund 5.000 Euro. Neben aktiven Tradern, die bei beiden Brokern einen großen Anteil ausmachen, hat Smartbroker noch ein erträgliches ETF-Geschäft. Jeder zweite Kunde schließt bei den Berlinern einen Sparplan ab.

Moderate Bewertung

Operativ steht Smartbroker also vergleichsweise gut dar, insbesondere wenn man bedenkt, dass für dieses Jahr noch eine Smartphone-App samt Relaunch der Webseite und der Handel mit Kryptowährungen geplant ist. Außerdem wartet Smartbroker noch auf die Lizenzerweiterung durch die BaFin. Lediglich die Bewertung spricht für Trade Republic oder anders ausgedrückt: Warum ist Trade Republic so viel höher bewertet als die Aktie von wallstreet:online samt Smartbroker? Broker-Aktien haben zuletzt unter der allgemeinen Korrektur an den Börsen gelitten und teilweise deutlich verloren. Auf dem gesunkenen Niveau sind auch die Bewertungen wieder interessant, ein Einstieg möglicherweise auch.

Die nicht börsennotierte Trade Republic zeigt dabei die relativen Bewertungsunterschiede auf. Die Finanzierungsrunden des Fintech-Start-Ups ergaben zu Spitzenzeiten eine Bewertung von 4 Mrd. Euro, die allerdings nach der Korrektur im Broker-Segment deutlich zurückgegangen sein dürfte. Insgesamt ist die Bewertung aber größer als bei wallstreet:online, die aktuell auf einen Börsenwert von rund 300 Millionen Euro kommen. Es besteht also einiges an Nachholpotenzial.

Benjamin Feingold ist seit mehr als 20 Jahren Börsianer und langjähriger Redakteur bei Börse Online sowie bei der Financial Times Deutschland gewesen. Zusammen mit Daniel Saurenz gründete er 2013 das Investmentportal Feingold Research, das täglich Analysen und Investmentideen zur Börsenentwicklung veröffentlicht.

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