Apple, Nvidia, Tesla: Augen zu und durch?
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Vor allem die großen US-Technologieriesen überraschten zuletzt mit fast durchweg guten Bilanzen und zogen den Markt alleine aufwärts. Ob die seitdem eingepreisten Vorschusslorbeeren gerechtfertigt sind, zeigt sich in wenigen Wochen.
+43, +130 und +175 Prozent Gewinn - was sich wie die Erfolgsliste eines guten Trading-Dienstes liest, sind in Wahrheit die satten Zuwächse bei Apple, Meta und Nvidia seit vom Jahreswechsel. Auch wenn in den vergangenen Wochen die zweite Reihe bei den Amerikanern aufholte und sich somit die Markbreite verbessert hat, basiert die Rally beim Nasdaq 100-Index und somit auch die ordentlichen Aufschläge beim S&P 500 primär auf den hohen Gewinnen der Big Caps.
"Wenn die diesjährigen Gewinne nur von einer Handvoll Aktien getragen werden, muss dies nicht zwingend negativ sein, stellt aber ein Risiko dar.", meint Norbert Betz, Leiter der Handelsüberwachung der Börse München/gettex. "Denn wenn die Schwergewichte ins Wanken geraten, kann auch der Gesamtmarkt in Turbulenzen geraten. Raum für Enttäuschungen ist jedenfalls kaum vorhanden", ergänzt Betz.
Ganz unterschiedliche Bewertungen
Bei Apple sehen die Relationen vergleichsweise gesund aus, das Kurs-Umsatz-Verhältnis ist seit Jahresbeginn von 5,3 auf 7,7 gestiegen. Für Microsoft müssen Anleger bereits einen Faktor von zwölf bezahlen. Astronomisch wird es aber Nvidia mit 40, noch vor sechs Monaten waren wir bei 19. Umsatz wohlgemerkt, nicht Kurs-Gewinn-Verhältnis. Letzteres fällt aber ebenso aus dem Rahmen: Im Durchschnitt der vergangenen Jahre bezahlten Anleger für die sieben größten Titel den 24fachen Jahresgewinn. Inzwischen liegt der Faktor bei 30, während die restlichen 493 Aktien im S&P 500 zum Mittelwert von 17 den Besitzer wechseln.
"Seit dem letzten Quartal haben sich die Wachstumsperspektiven wie auch der Inflationsdruck verlangsamt", erklärt Dennis Austinat, Deutschland-Chef der internationalen Multi-Asset-Plattform Trive. Der Rückgang bei der Teuerung ist auf den ersten Blick eigentlich eine gute Nachricht und könnte den Notenbanken eventuell Spielraum für eine Zinspause und später sogar die erhofften Zinssenkungen bieten. Aus Sicht der Unternehmen ist die nachlassende Inflation aber negativ. Wenn Firmen die Preise anheben können, ohne viel Volumen zu verlieren, ist dies ein sehr effizienter Weg zu sprudelnden Gewinnen. Ohnehin droht hier mittelfristig eher ein Bumerang. "Einzelhändler wie Walmart äußerten sich bereits besorgt über die Folgen der höheren Preise auf die Verbrauchernachfrage", bemerkt Austinat. Erste Warnzeichen gibt es bereits: Im Juli vergangenen Jahres kostete ein Tesla-Gebrauchtwagen im Durchschnitt noch 68.000 Dollar, jetzt wird mit 45.000 Dollar ein so tiefer Preis aufgerufen wie nie zuvor.
Messlatte gesenkt
Im Vorfeld der Mitte Juli starteten Berichtssaison für das zweite Quartal haben Analysten wie gewohnt die Messlatte für die Schätzungen deutlich nach unten genommen. So wird ein Gewinnrückgang von satten 6,5 Prozent erwartet, dies wäre das höchste Minus seit dem 32 Prozent-Einbruch im gleichen Quartal 2020.
Die vergangenen Zahlen dürften aber nur bei größeren Abweichungen nach unten, stärkere Reaktionen auslösen. Wichtig wird vielmehr, ob die aktuelle KI-Euphorie neues Futter erhält und wie die Unternehmen die Zukunft sehen. Ein Lackmusstest wird die anstehende Bilanzsaison, meint Austinat: "Ab dem dritten Quartal erwartet die Wall Street wieder steigende Gewinne, für das letzte Jahresviertel wird sogar ein sattes Gewinnplus von acht Prozent." Die Messlatte wurde im Jahresverlauf also angehoben, was aber gleichzeitig Enttäuschungspotenzial birgt, weil sich die negativen Auswirkungen der straffen Geldpolitik erst im Zeitablauf und dann aber immer stärker in der Realwirtschaft auswirken.
Europa im Fokus
Europa überzeugte zum Auftakt zwar ebenfalls, dürfte nun aber stärker unter der Konjunkturabkühlung leiden. Deutschland ist schon lange ein Bremsklotz, der Einkaufsmanagerindex für das verarbeitende Gewerbe steht bereits seit rund zwölf Monaten unterhalb der Wachstumsschwelle und die Industrie fast vor einer Depression es dürfte nur eine Frage der Zeit sein, bis auch der bisher robuste Dienstleistungssektor abkühlt. Nur wenig besser sieht es in ganz Europa aus. Für den Stoxx 600 stehen derzeit ein herber Gewinnrückgang im zweiten Quartal von zwölf Prozent sowie knapp sechs Prozent tiefere Umsätze. Doch auch hier gilt: Je tiefer die Erwartungen, desto größer die Chancen für positive Überraschungen.
Aktuell schaut der Markt durch das Tief der Gewinnentwicklung etwas weiter in die Zukunft. Dies ist auch richtig und normal. Doch die Wette auf wieder klingende Kassen im vierten Quartal ist sehr riskant. Die Konjunktur kühlt sich ab und die Inflation kommt zurück. Satte Preisaufschläge dürften bald nicht mehr möglich sein, weil die Konsumlaune nachlässt. Das Erfolgsrezept der Wall Street gerät ins Wanken.
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