Ölpreise fallen ins Bodenlose
Schwarzer Montag am Ölmarkt: Zum Wochenauftakt sind die Rohölpreise so stark abgestürzt wie seit fast 30 Jahren nicht mehr.
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Nach gescheiterten Verhandlungen führender Förderstaaten über eine Drosselung der Produktion befürchten Investoren einen Preiskrieg. Zudem belastet die Corona-Krise immer mehr. Die internationalen Börsen brachen am Montag massiv ein.
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Plus500: Beachten Sie bitte die Hinweise5 zu dieser Werbung.Die Ölpreise gingen zum Wochenbeginn in einen historischen Sinkflug über und gaben zwischenzeitlich um etwa ein Drittel nach. Es war der stärkste Tagesrückgang seit dem Golfkrieg im Jahr 1991. Damals waren die Ölpreise nach der irakischen Invasion in Kuwait zunächst stark gestiegen. Als sich am Ölmarkt aber keine Engpässe gezeigt hatten, waren die Notierungen schnell gefallen.
Am Montagabend lagen die Rohölpreise etwa 20 Prozent niedriger als am Freitag. Ein Barrel (159 Liter) der Nordseesorte Brent kostete zuletzt 36,37 US-Dollar. Damit lag der Preis 8,90 Dollar niedriger als am Freitag. Der Preis für amerikanisches Rohöl der Sorte WTI sackte um 7,98 Dollar ab auf 33,30 Dollar.
Im Tief wurden am Montag die niedrigsten Ölpreise seit Anfang 2016 erreicht. Ursache des Einbruchs waren die gescheiterten Verhandlungen des Ölkartells OPEC mit den in der OPEC+ vereinten Förderländern wie Russland. Am vergangenen Freitag konnten sich die Verhandlungspartner auf keine zusätzliche Förderkürzung einigen. Selbst eine Verlängerung der bestehenden Förderbeschränkung fehlte in der Abschlusserklärung der beteiligten Staaten.
Hintergrund ist ein Streit zwischen Saudi-Arabien und Russland über die künftige Fördermenge, der zu eskalieren scheint. So will Saudi-Arabien seine Förderung hochfahren und zudem Kunden vor allem in Asien große Zugeständnisse bei den Preisen machen. Das dürfte andere Ölriesen wie Russland ebenfalls provozieren, über eine höhere Fördermenge und Preissenkungen nachzudenken.
Der Preiskampf trifft den Rohölmarkt in einer Phase, in der ohnehin ein starkes Überangebot erwartet wird. Grund ist die sich ausweitende Corona-Krise, die sich deutlich auf die Rohölnachfrage auswirken dürfte. Die Internationale Energieagentur IEA prognostiziert jetzt für das ganze laufende Jahr eine rückläufige Nachfrage, nachdem sie diese Entwicklung bisher nur im ersten Quartal erwartet hatte. Einen derartigen Nachfrageeinbruch hatte es letztmalig nach der globalen Finanzkrise im Rezessionsjahr 2009 gegeben.
Probleme dürfte der Preiseinbruch auch vielen amerikanischen Ölanbietern bereiten, deren Förderkosten im internationalen Vergleich relativ hoch liegen. Zudem sind viele der sogenannten "Fracker" hoch verschuldet, was ihr finanzielles Durchhaltevermögen in Zeiten niedriger Ölpreise in Frage stellt. Ölexperte Carsten Fritsch von der Commerzbank rechnet daher mit einem fallenden Ölangebot außerhalb der OPEC, insbesondere in den USA. Mittelfristig dürften die Rohölpreise daher wieder steigen.
Bernstein rät zur Vorsicht bei Ölaktien und stuft den Sektor ab
Sorgen vor einem Ölpreiskrieg und zugleich zahlreiche Unsicherheiten rund um das globale Wirtschaftswachstum und die Erdöl-Nachfrage stimmen Bernstein Research inzwischen vorsichtig für die europäische Ölbranche. Das Analysehaus senkte seine Einschätzung für den Sektor von "Overweight" auf "Market Weight". Zugleich nahm Analyst Oswald Clint in seiner am Montag vorliegenden Studie nun auch eine negativere Sicht ein hinsichtlich der Aktien von Shell, Eni und TOTAL. BP indes bekräftigte er auf "Overweight".
Shell, Eni und TOTAL senkte Clint nun auf "Market-Perform" und kappte zugleich deren Kursziele deutlich: So sieht der Experte das Ziel der Shell-B-Aktie bei 1.700 Pence nach bislang 3.300 Pence. Das Kursziel für Eni kappte er von 20 auf 11 Euro und das von Total von 65 auf 36 Euro. Sämtliche Kurse liegen aktuell inzwischen sogar noch unter den neuen Zielen des Experten. Für die weiterhin zum Kauf empfohlene BP-Aktie senkte er das Kursziel zugleich von 700 auf 470 Pence, womit er dadurch noch ein Kurspotenzial von mehr als 50 Prozent sieht.
"Fundamentaldaten dürften kurzfristig zurzeit nicht überzeugen", schrieb Clint unter Verweis auf das kräftig getrübte Umfeld für integrierte Ölkonzerne, also solche, die nicht nur in der Ölförderung, sondern auch in der Veredelung tätig sind. "Die gesamtwirtschaftliche Situation für die Ölpreise wird nun wahrscheinlich erst einmal schlechter, bevor es wieder besser läuft."
Der bereits erwartete Erdöl-Überschuss im laufenden Jahr dürfte wohl noch steigen, erwartet er. Die Nachfrageschätzungen seien an diesem Tag bereits gekappt worden und wegen des sich abzeichnenden Ölpreiskrieges könnte der "sehr flüssige und unsicherere Angebotsbeitrag der OPEC+" die Lage noch verschlimmern. "Investoren erwarten inzwischen nur noch ein Wachstum des globalen Bruttoinlandsprodukts von um die 2,3 Prozent nach bislang 3,3 Prozent", schrieb er. Das würde ein Null-Wachstum der Ölnachfrage in seinem Modell bedeuten. Diese Problematik werde kurzfristig noch verschärft durch das wahrscheinlich steigende Angebot von Saudi Arabien und Russland.
Nach den am Freitag gescheiterten Verhandlungen zwischen der Ölförderer-Organisation OPECund der OPEC+, zu der auch Russland zählt, könnte nun ein Preiskrieg drohen. Denn: Zwischen Saudi-Arabien und Russland ist ein Streit über die künftige Erdölfördermenge entbrannt, der zu eskalieren droht. Wie die Nachrichtenagentur Bloomberg unter Berufung auf Insider berichtet, erwägt Saudi-Arabien, die Fördermenge in den kommenden Monaten zu erhöhen. Das könnte dann unter anderem wiederum Russland provozieren, über eine höhere Fördermenge nachzudenken.
Zwar gefalle ihm die langfristige Sicht auf Ölaktien, schrieb nun Clint, doch kurzfristig empfehle er den Bestand zu reduzieren. Im Vergleich zu einer Dividendenrendite von im Schnitt 8,1 Prozent seien die nun durchschnittlich erwarteten 5,3 Prozent schwach.
Die entsprechenden negativen Gewinnrevisionen und der schwache freie Barmittelfluss werden die Aktien von Shell, Total, Eni, Equinor und Repsol am heftigsten treffen, erwartet der Bernstein-Analyst. Für BP und Galp sollte es indes deutlich besser laufen. Dabei verwies Clint unter anderem auf einen besseren freien Barmittelfluss sowie auch auf Mittelzuflüsse durch Verkäufe und Vorteile durch Raffinerie-Rohstoffe in Kanada.
Entsprechend der Einstufung "Market Perform" erwartet Bernstein Research, dass die Kursentwicklung in den kommenden zwölf Monaten um bis zu 15 Prozentpunkte über oder unter der Entwicklung des MSCI Pan Europe Index liegen wird. Eingestuft mit "Outperform" sollte die Kursentwicklung im selben Zeitraum um mehr als 15 Prozentpunkte über der Entwicklung des MSCI Pan Europe Index liegen.
NEW YORK/LONDON (dpa-AFX)
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