Ölpreis-Absturz

Analyse: Amerikas Öl-Region erleidet einen Infarkt

21.04.20 11:52 Uhr

Analyse: Amerikas Öl-Region erleidet einen Infarkt | finanzen.net

Würde man einen US-Amerikaner per Zeitmaschine aus der Zeit vor ein paar Jahrzehnten ins heutige Amerika entführen, würde ihm vermutlich vieles merkwürdig erscheinen - verlassene Straßen, die wenigen Menschen, die noch unterwegs sind - maskiert - und ein US-Präsident, der die OPEC zu einer Erhöhung der Ölpreise drängt.

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Was dem Nicht-Zeitgenossen bekannt vorkommen könnte: ein Ölpreis, der über Nacht unter 12 Dollar pro Barrel gefallen ist.

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Es ist kaum eine Woche her, da Präsident Trump einen seiner seltenen diplomatischen Siege verkünden konnte: Ein Abkommen zwischen den großen Ölproduzenten, das eine Kürzung der weltweiten Fördermenge um bis zu 15 Millionen Barrel pro Tag vorsah. 9,7 Millionen sollten dabei von der Organisation Erdöl exportierender Länder und ihren Verbündeten zurückgehalten werden. Aber dies reichte nicht und kam zu spät, als dass es die Katastrophe im US-Ölgeschäft noch hätte abwenden können.

Ölproduzenten leiden zwar überall, aber in den USA ist die Branche komplett abgestürzt. Der am Dienstag auslaufende Terminkontrakt rutschte ins Minus, Käufer ließen sich dafür bezahlen, das Öl auch physisch abzunehmen. Kein Wunder, ist doch die Raffinerie-Nachfrage zusammengebrochen, während die klapprige US-Infrastruktur die geförderten Fässer nicht mehr aufnehmen kann. Die Lagerbestände in Cushing (Oklahoma) sind binnen Wochen um fast 50 Prozent gestiegen, schon bald wird die Lagerkapazität komplett erschöpft sein.

Kein Geschäft mit den Preisdifferenzen mehr möglich

Mehr noch als die schockierend niedrigen Preise selbst zeigt sich die eigentliche Geschichte an den Preisunterschieden. Die Ölsorte Brent, die wichtigste globale Referenzgröße, wurde schon am Montagmittag pro Barrel 15 Dollar teurer gehandelt als West Texas Intermediate, und die Futures für WTI auf Juni, der kurz davor ist, neuer Frontmonat zu werden, lagen zu dem Zeitpunkt etwa 11 Dollar pro Barrel über dem auslaufenden Mai-Kontrakt - in dieser Höhe ein bisher nie gesehener Unterschied.

Normalerweise würden Händler diese Preisdifferenzen sofort nutzen, zumal die Qualität dieser Rohölsorten ähnlich ist. Sie würden mit freien Lagerkapazitäten physisches Öl kaufen und sofort vom Verkauf eines zeitlich weiter entfernten Terminkontrakts profitieren. Aber ein solches Geschäft kann nur stattfinden, wenn man tatsächlich die Möglichkeit hat, zusätzliches Öl noch einzulagern.

Was nun geschieht, wird noch schlimmer sein als ein Kollaps der Preise: Es handelt sich um einen Systemfehler, der einige US-Produzenten dazu zwingt, ihren Ölhahn schlicht zuzudrehen.

Eigentlich wäre der OPEC+-Deal ohne Gegenleistung der USA ausgekommen: Während große Exporteure wie Saudi-Arabien und Russland bewusst weniger pumpen, hätte die Fördermengenkürzung der US-Produzenten allein ein Ergebnis der Marktkräfte sein sollen. Aber der Einbruch der Nachfrage nach dem Schmiermittel fand so schnell statt, dass die US-Produzenten, denen Trump eigentlich helfen wollte, einen viel heftigeren Beitrag zu dem Deal leisten mussten und zumindest kurzfristig viel mehr getroffen werden.

DJG/DJN/rio

Von Spencer Jacab

NEW YORK (Dow Jones)

Bildquellen: William Potter / Shutterstock.com

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