Private Krankenversicherung: Dubiose Helfer
Findige Vermittler drängen privat Versicherte in Billigtarife, die wenig leisten. Nun soll auch der ehemalige Vermittlerkönig Mehmet Göker in dieses Geschäft eingestiegen sein.
von Markus Hinterberger, Euro am Sonntag
Christian Ritter hilft beim Sparen. Er ruft privat Krankenversicherte an und erklärt ihnen, wie sie ihre teure Krankenversicherung günstiger machen können, ohne auf die Annehmlichkeiten eines Daseins als Patient erster Klasse verzichten zu müssen.
Ein wahrhaft ritterliches Angebot, denn nicht wenige versichern sich in jungen Jahren privat, um gegenüber der gesetzlichen Krankenversicherung Geld zu sparen. Was viele nicht wissen und was leider zu selten deutlich erklärt wird: Im Lauf der Zeit steigen die Beiträge der privaten Krankenversicherung (PKV) rapide. Die Stiftung Warentest hat auf Basis einer Reihe von Versicherten errechnet, dass sich die Beiträge vom 30. bis zum 75. Lebensjahr versiebenfachen können. Vermittler wie Christian Ritter versprechen, die Prämien zu halbieren, und rennen damit offene Türen ein.
Privatversicherte haben laut dem Paragrafen 204 des Versicherungsvertragsgesetzes das Recht, innerhalb ihrer Krankenversicherung den Tarif zu wechseln und dadurch Geld zu sparen. Doch Christian Ritter ist offenbar nur ein Deckname. Laut "Handelsblatt" soll hinter Ritter der ehemalige Vermittlerkönig Mehmet Göker stecken. In den Jahren 2003 bis 2009 hatte er Zigtausende private Krankenversicherungen verkauft. Seine MEG AG kassierte mit ihren rund 150 Mitarbeitern zweistellige Millionenbeträge an Provisionen - oft bereits im Voraus.
Die Assekuranz lässt sich neue Kunden gern was kosten. Vor allem das Geschäft mit der PKV bringt Vermittlern und Maklern pro Neuvertrag bis zu 8.000 Euro an Provision. Ab 2009 geriet Gökers Geschäftsmodell ins Stocken, und die Versicherer, darunter Branchengrößen wie Allianz und AXA, forderten ihre bereits gezahlten Provisionen zurück. Die MEG ging pleite, und Göker zog in die Türkei, wo er noch immer lebt.
Nun soll er sich vom Saulus, der nur auf die Provision schielt, zum Paulus, der Versicherten hilft und den Konzernen ein Schnippchen schlägt, gewandelt haben. Die Geschäftspost der Wechsler soll über die Live Management AG in Fürstenfeldbruck abgewickelt werden, heißt es im "Handelsblatt". Der Geschäftsführer der Live Management wollte sich gegenüber €uro am Sonntag weder dazu noch über Göker äußern.
Ganz gleich ob Mehmet Göker anruft oder jemand anderes, Privatversicherte sollten Wechselangebote mit Vorsicht genießen. Denn das Geschäft mit Tarifwechslern wird in Zeiten mit wenig Neugeschäft für viele Versicherungsvermittler ein zweites Standbein - nicht immer zum Wohl der Versicherten. "Viele Wechsler verlieren Leistungen oder Rechte, die ihnen wichtig waren", sagt Gerd Güssler, Chef des auf PKV-Tarife spezialisierten Marktbeobachters KVPro. Er unterscheidet zwischen Beitragsoptimierern, die sich nur um die billige Prämie kümmern, und Tarifoptimierern, die Preis und Leistung im Auge haben.
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Goldader für Vermittler
Wer Kunden beim Wechseln hilft, kann viel Geld verdienen. Laut Güssler nehmen Vermittler bis zu zwölf Monatsprämien pro Umdeckung, so heißt der Tarifwechsel im Fachjargon. Anders als bei Neuverträgen kann der Vermittler dieses Geld sofort für sich verbuchen und muss es nicht wie Provisionen wieder abgeben, wenn der Kunde binnen fünf Jahren nach Abschluss kündigt.Doch ein Tarifwechsel kann sich auch lohnen, wenn Versicherte ihn richtig angehen. "Man kann sich seinen Wunschtarif auch maßschneidern", sagt der unabhängige Versicherungsmakler Thomas Adolph. Versicherte sollten die Gesellschaft auffordern, die Unterschiede des neuen zum bisherigen Tarif zu nennen und die Mehrleistungen auszuschließen. Das hören, so Adolph, einige Versicherer nicht gern. "Aber mit Nachdruck lassen sie die Versicherten zu ihrem Recht kommen." Hat der Versicherer nur einen oder wenige Tarife im Angebot, können Versicherungsberater und -makler helfen. Vor allem solche, die sich auf geschlossene Alttarife spezialisiert haben, finden meist einen neuen, in den der Versicherte noch wechseln kann. Zudem bleibt immer die Option, den angestammten Tarif "schlanker" zu machen. "Es muss nicht das Einbettzimmer mit Chefarztbehandlung sein", so Adolph.
Der Bund der Versicherten (BdV) rät Privatversicherten generell, den Rat eines Fachmanns zu suchen. "Einige Versicherer haben eine wüste Tarifwelt geschaffen, die kein Normalbürger überblickt", sagt BdV-Sprecherin Bianca Boss. Bevor Versicherte zum Experten gehen, sollten sie jedoch einige Punkte für sich durchgehen (siehe unten).
Sollten alle Alternativen zu teuer sein, bietet die PKV zwei Tarife auf dem Niveau der gesetzlichen Versicherung: "Wer bereits vor 2009 privat krankenversichert war, kann in den Standardtarif wechseln", sagt Versicherungsberater Thorsten Rudnik. Wer erst seit 2009 in der PKV ist, kann in den sogenannten Basistarif wechseln. Beide kosten maximal den Höchstbeitrag der gesetzlichen Krankenversicherung, das sind derzeit 627 Euro.
Tipps für Wechsler
■ Wann wechseln? In der Regel wechseln privat Krankenversicherte, um Geld zu sparen. Doch neben dem Preis ist die Leistung der wichtigste Grund, sich privat zu versichern. Daher lohnt es sich, zunächst den alten Tarif genau zu untersuchen. Enthält dieser verzichtbare Leistungen, sind die Chancen groß, einen neuen, günstigeren Tarif zu finden.
■ Wer hilft? Wechselwillige können sich an einen Versicherungsmakler oder einen Versicherungsberater wenden. Makler verdienen ihr Geld über die Provision, die sie für neu vermittelte Policen erhalten, daher besteht die Gefahr, dass sie eher dazu raten, die Gesellschaft zu wechseln, was oft ungünstig ist. Versicherungsberater verlangen einen Stundensatz zwischen 70 und 150 Euro.
■ Wohin? Bei einem Tarifwechsel beim selben Versicherer können die Alterungsrückstellungen, also der Teil der Prämie, der gespart wird, damit die Kosten im Alter nicht zu stark steigen, mitgenommen werden. Beim Wechsel zu einem neuen Anbieter gehen sie meist verloren. Nur Versicherte, die ihre Police nach 2009 abgeschlossen haben, können einen Teil der Rückstellungen mitnehmen.
■ Was nicht geht. Seit 21. Dezember 2012 werden in Deutschland nur noch sogenannte Unisextarife verkauft. In ihnen sind Frauen und Männer gleichgestellt. Früher gab es Tarife, in denen nach Geschlechtern unterschieden wurde. Diese alten Tarife wurden mit dem 21. Dezember 2012 geschlossen. Versicherte können aus einem Bisextarif zu einem Unisextarif wechseln. Der Wechsel von Unisex zu Bisex ist nicht möglich.
■ Bei Rechtsstreitigkeiten mit der Versicherung hilft der Ombudsmann der Privaten Kranken- und Pflegeversicherung: Postfach 06 02 22 in 10052 Berlin.
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