Schlichtung macht Sinn

Ombudsstellen: Konsens statt Krach

19.06.15 15:00 Uhr

Ombudsstellen: Konsens statt Krach | finanzen.net

Gesetzesreform: Für jeden Streit zwischen Verbrauchern und Unternehmen soll es künftig Schlichter geben. €uro am Sonntag zeigt, wo man schon jetzt kostenlose Hilfe bekommt.

von Maren Lohrer, Euro am Sonntag

Für die meisten Häuslebauer stellt das Eigenheim die größte Investition in ihrem Leben dar. Pfusch am Bau ist daher nicht nur schmerzlich - er kann den Ruin bedeuten. Und Fehler gibt es oft. "Nach unserer Erfahrung ist ein mangelfreies Bauwerk nur schwer vorstellbar", so Rainer-Karl Bock-Wehr, Leiter Kompetenzcenter Firmen beim Versicherer HDI. Meist bleibt den Geschädigten nur der Gang vor Gericht. Doch der kostet: Zeit, Kraft, Nerven, Geld. Daher scheuen viele Verbraucher diesen Weg, die Hürden sind zu hoch, die Erfolgsaussichten unklar.

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Oft hat also der private Kunde das Nachsehen, egal ob es nun um Risse im Mauerwerk geht, eine fehlerhafte Finanzberatung, oder ob die chemische Reinigung den Mantel ruiniert hat.
Nach Erhebungen des EU-Verbraucherbarometers hatte 2010 jeder fünfte euro­päische Konsument Probleme beim Erwerb von Waren und Dienstleistungen.Daher hat die EU schon vor Jahren eine Richtlinie beschlossen, welche die Mitgliedsstaaten bis Juli 2015 umzusetzen haben.

Kern der Richtlinie und damit auch des deutschen Entwurfs zum sogenannten Verbraucherstreitbeilegungsgesetz: Die Verbraucher sollen besser zu ihrem Recht kommen, und zwar außergerichtlich. Denn während der Gang vor Gericht meist Sieger und Verlierer schafft, werden nun Lösungen angestrebt, die für alle Parteien tragbar sind. Zudem sollen die Verfahren verhältnismäßig schnell und kostengünstig sein.

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Heiko Maas, dessen Justizministerium auch für den Verbraucherschutz verantwortlich ist, spricht von einer "stillen Revolution". "Still" ist es tatsächlich - das Echo in Medien und Unternehmen ist hierzulande bislang gering, obwohl der Gesetzesentwurf bereits vom Kabinett verabschiedet wurde und nun noch Bundestag und Bundesrat passieren muss. Und das, obwohl er in der Tat eine ­Revolution darstellt. Denn geschädigte Kunden sollen sich künftig bei allen Verbraucherangelegenheiten an staatliche oder staatlich anerkannte Schlichtungsstellen wenden können. Und zwar kostenfrei oder allenfalls gegen ­geringes Entgelt.

Teilnahme für Firmen freiwillig

Das heißt allerdings auch, dass auf Unternehmen finanzielle Lasten zukommen. Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) fordert nun ­immerhin, dass die Politik die Durchsetzung un­gerechtfertigter Ansprüche ­verhindern solle. Laut Verbraucher­zentrale Bundesverband (VZBV) ist bei Missbrauch nur eine Gebühr von maximal 30 Euro vorgesehen.
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Die Verbraucherschützer treiben in puncto Unternehmen andere Sorgen um. Denn die Teilnahme an Schlichtungsverfahren ist für Firmen freiwillig. Erforderlich sei aber eine Teilnahmepflicht, so VZBV-Vorstand Klaus Müller: "Nur wenn sich viele Unternehmen ­beteiligen, funktioniert Schlichtung." Nachbesserungsbedarf bestehe auch bei Verjährungsfragen. Der Verband hält eine wirksamere Regelung für erforderlich. Berechtigte Forderungen müssten nach Ablehnung eines Schlichtungsverfahrens vor Gericht verfolgt werden können.

Ebenfalls unkonkret ist die Umsetzung des Gesetzes in den einzelnen Bundesländern. Es ist noch zu klären, wie bestehende Schlichtungsstellen eingebunden werden können. Neben dem Bund der Schiedsmänner und -frauen, dessen Mitglieder vorgerichtlich in zwölf Bundesländern aktiv sind, gibt es bereits einige spezialisierte Ombudsstellen. Sie betreffen die Bereiche Te­lekommunikation, Energieversorgung, öffentlicher Personenverkehr, Versicherung und Finanzdienstleistung. Die Bundesregierung schätzt die Verbraucheranträge an diese Stellen auf insgesamt rund 60 000 pro Jahr. Vor allem für die Finanzwirtschaft existiert ein dichtes Netz an Stellen, deren Arbeit für die Verbraucher allesamt kostenlos ist (siehe unten).

Versicherer als Vorbild

Verbraucher sollten im Vorfeld klären, welche Stelle für ihr Anliegen zuständig ist, damit sie nicht wertvolle Zeit vergeuden - und womöglich Fristen versäumen. So berichtet der Versicherungsombudsmann Günter Hirsch in seiner Jahresbilanz 2014, dass von den rund 20.000 Anfragen etwa 1.500 gar nicht Versicherer, sondern Banken betroffen haben. Für diese ist Hirsch jedoch nicht zuständig. Der ehemalige Präsident des Bundesgerichtshofs kann gegen Versicherer verbindliche Entscheidungen bis zu einer Höhe von 10.000 Euro aussprechen. Diese Obergrenze gilt auch bei der Ombudsstelle der Privatbanken. Die Sparkassen ­gehen einen anderen Weg. Schlichtungs­vorschläge ihrer Ombudsstelle sind zumeist weder für die Institute noch für den Kunden bindend.

Unterschiedliche Stellen, unterschiedliche Regeln? Beatrix Schobel, Ministerialrätin beim Bayerischen Staatsministerium der Justiz, sieht als ein Ziel, die vorhandenen Schlichtungsstellen zu erhalten. Das beträfe dann beispielsweise auch Bauthemen. Denn die Bayerische Architektenkammer bietet bereits erfolgreich außergerichtliche Streitbeilegung an. Kammerpräsident Lutz Heese sagt: "Geld und wertvolle Zeit sollen in ein qualitätsvolles Gebäude investiert und Ressourcen nicht durch unnötige Streitigkeiten verbraucht werden."

Ombudsstellen

Private Banken Bundesverband deutscher Banken e.V., Kunden­beschwerdestelle, Postfach 04 03 07, 10062 Berlin, Telefon: 030/16 63-31 66, Fax: -31 69, E-Mail: ombudsmann@bdb.de, Internet: www.bankenombudsmann.de

Sparkassen
Deutscher Sparkassen- und Giroverband, Kunden­beschwerdestelle, Charlottenstraße 47, 10117 Berlin, Telefon: 030/202 25-15 10, Fax: -15 15 E-Mail: kundenbeschwerdestelle@dsgv.de Internet: www.dsgv.de/de/ueber-uns/schlichtungsstelle

Volks- und Raiffeisenbanken
Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiff­eisenbanken, Kundenbeschwerdestelle, Schellingstraße 4, 10785 Berlin, Telefon, Fax und E-Mail: nicht veröffentlicht Internet: www.bvr.de/Service/Kundenbeschwerdestelle

Investmentfonds
Bundesverband Investment und Asset Management e.V., Büro der Ombudsstelle, Unter den Linden 42, 10117 Berlin, Telefon 030/644 90 46-0, Fax: -29 E-Mail: info@ombudsstelle-investmentfonds.de Internet: www.ombudsstelle-investmentfonds.de

Geschlossene Fonds
Ombudsstelle Geschlossene Fonds e.V., Postfach 64‚02 22, 10048 Berlin, Telefon 030/25 76 16-90, Fax: -91 E-Mail: info@ombudsstelle-gfonds.de Internet: www.ombudsstelle-gfonds.de

Sach- und Lebensversicherung
Versicherungsombudsmann e.V., Postfach 08 06 32, 10006 Berlin, Telefon: 08 00/369-60 00, Fax: -90 00 E-Mail: beschwerde@versicherungsombudsmann.de Internet: www.versicherungsombudsmann.de

Private Kranken- und Pflegeversicherung
Ombudsmann Private Kranken- und Pflegeversicherung, Postfach 06 02 22, 10052 Berlin Telefon: 018 02/55 04 44, Fax: 030/20 45 89-31 E-Mail: nicht veröffentlicht Internet: www.pkv-ombudsmann.de/ihre-beschwerde

Immobilien
Ombudsmann Immobilien im Immobilienverband Deutschland, Littenstraße 10, 10179 Berlin Telefon: nicht veröffentlicht, Fax: 030/27 57 26-78 E-Mail: info@ombudsmann-immobilien.net Internet: www.ombudsmann-immobilien.net

Schufa
Schufa-Ombudsmann, Postfach 52 80, 65042 Wiesbaden Telefon: 018 05/72 48 32, Fax: 06 11/92 78-81 14 E-Mail: info@schufa-ombudsmann.de Internet: www.schufa-ombudsmann.de

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