Mehr als emotionale Rendite
Klassische Fahrzeuge der Vor- und Nachkriegsjahre erreichen auf Auktionen inzwischen Preise im zweistelligen Millionenbereich. Old- und Youngtimer sind damit bereits zu einer eigenen Anlageklasse avanciert. Unser Gastautor Oliver Grimme erklärt den Oldtimermarkt.
von Oliver Grimme, Gastautor von Euro am Sonntag
Was für den Kunstsammler der Dachboden ist, ist für manche Oldtimer-Liebhaber die Scheune. Denn auch dort lassen sich manchmal noch echte Schätze finden. Alte Autos - die Chromstoßstangen blind, die Lederbezüge der Sitze zerrissen, die Innenbekleidung in Fetzen - sind der wahr gewordene Traum eines Sammlers. Darüber hinaus können sie auch richtig viel Geld wert sein. Wie etwa der Mercedes 300 SL aus dem Jahr 1956, der Anfang dieses Jahres in genau diesem bedauernswerten Zustand auf einer Auktion für knapp 1,9 Millionen Dollar den Besitzer wechselte.
Das Geschäft mit dem "Garagengold", wie die historischen Schätze gern genannt werden, boomt. Oldtimer sind zu einem Wirtschaftsfaktor avanciert. In Zeiten anhaltender Niedrigzinsen können diese für einige risikobereite Anleger eine durchaus in Betracht zu ziehende Wertanlage sein. Vor allem dann, wenn der Großteil des Vermögens bereits nach den persönlichen Wünschen und Zielen angelegt ist und man weiteres Diversifizierungspotenzial sucht. Deutlich wird die Wertentwicklung der Classic Cars im sogenannten DOX, dem deutschen Oldtimer-Index des Verbands der Automobilindustrie. Dieser zeichnet seit 1999 die Wertentwicklung von 88 Oldtimermodellen aus sieben Ländern nach, die aus 200.000 Gutachten und Bewertungen ausgewählt wurden. Lag der DOX anfangs bei 1.000 Punkten, steht er heute bei 2.168 Punkten.
Bessere Wertentwicklung
als andere Luxus-Investments
Für ihren jährlichen Luxury-Investment-Index ermittelt die Londoner Beratungsgesellschaft Knight Frank auch die Wertentwicklung von Classic Cars. Demnach sind deren Preise in den letzten zehn Jahren um 469 Prozent gestiegen. Damit ist diese "Asset-Klasse" mühelos an allen anderen Luxus-Anlageobjekten wie zum Beispiel edle Weine (176 Prozent), Briefmarken (250 Prozent) oder Kunst (193 Prozent) vorbeigezogen.
Als einen der Gründe für die extreme Preissteigerung sehen die Analysten die starke Nachfrage aus Asien, wo die Liebhaberstücke aus dem Westen oft wie Kunstobjekte betrachtet werden. Auch Vermögende aus Russland, dem arabischen Raum und Südamerika interessieren sich mehr und mehr für das vermeintlich wertstabile Investment.
Tatsächlich erzielen einzelne historische Fahrzeuge auf internationalen Auktionen jedes Jahr neue Rekordergebnisse: Allein in den ersten neun Monaten 2014 brachten es die zehn teuersten Oldtimer nach einer Aufstellung von Classic-Analytics auf eine Gesamtverkaufssumme in Höhe von rund 152 Millionen Dollar. Im entsprechenden Vergleichszeitraum des Vorjahres waren es noch 130 Millionen Dollar. Absoluter Verkaufsschlager 2014 war ein Ferrari 250 GTO aus dem Jahr 1962, der im kalifornischen Quail Lodge für 38,1 Millionen Dollar versteigert wurde - so viel Geld wurde offiziell noch nie zuvor für ein Auto auf einer Auktion gezahlt.
Solche Summen sind allerdings die Ausnahme. Der durchschnittliche Preis für einen Oldtimer liegt in Deutschland unter 20.000 Euro. Und davon tummeln sich immer mehr auf den Straßen. Nach aktuellen Zahlen gibt es hierzulande derzeit rund 600.000 bis eine Million Oldtimer. Nicht alle werden allerdings auf den Straßen bewegt. Ihre Zahl wächst automatisch von Jahr zu Jahr, denn ausschlaggebend für die Zuordnung als Oldtimer ist das Baujahr, das mindestens 30 Jahre zurückliegen muss.
Umso erstaunlicher ist es, dass sich der jährliche Marktzuwachs nicht negativ auf die Preise auswirkt. Tatsächlich sind es sogar die zahlreicheren jüngeren Modelle, die derzeit besonders gefragt sind - also diejenigen, die die heute 40- bis 60-Jährigen an ihre Kindheit und Jugend erinnern. Der emotionale Bezug spielt offensichtlich häufig eine größere Rolle bei einer Kaufentscheidung als ökonomische Aspekte. Anders lässt es sich nicht erklären, dass zum Beispiel die Mercedes-SL-Reihe - eine der Stil-Ikonen der 50er-Jahre schlechthin - zu den begehrtesten Modellen auf dem Markt gehört und teilweise teurer gehandelt wird als manches deutlich seltenere Vorkriegsauto. Wurde der Flügeltürer im Jahr 2000 oft noch mit 300.000 Euro bewertet, liegt er heute bereits meist bei einer Million. Und es scheint noch Luft nach oben zu geben. Ebenso ergeht es dem zweisitzigen Roadster BMW 507 aus den Jahren 1956 bis 1959. Auch dieser wird inzwischen in entsprechendem Zustand mit rund einer Million Euro gehandelt.
Wer sich ernsthaft überlegt, einen Oldtimer als Investmentanlage zu kaufen, der sollte sich von einem versierten Fachmann beraten lassen. Auf dem Markt gibt es mitunter Fälschungen, die für den Laien nicht auf den ersten Blick erkennbar sind. So werden teure und seltene Vorkriegsfahrzeuge aus Originalmaterialien nachgefertigt oder ergänzt, mit einer passenden Historie versehen und schließlich als Originale angeboten. Helfen kann hier die Meinung von Experten, die für einzelne Modelle Marktanalysen erstellen können, bei der Objektsuche beistehen, Kontakte zu Gutachtern vermitteln, bei der Finanzierung hochwertiger Objekte unterstützen oder die Kaufinteressenten auf Auktionen begleiten.
Wie bei der Kunst bestimmt
die Nachfrage den Preis
Grundsätzlich aber sollte bei der Entscheidung für einen Oldtimer die Affinität für solch ein historisches Sammlerobjekt möglichst im Vordergrund stehen, denn Renditegarantien gibt es nicht. Der Markt ist nicht reguliert und somit anfällig. Wie auf dem Kunstmarkt bestimmt die Nachfrage der Käufer den Preis. Darum sollte solch ein Fahrzeug im Rahmen eines Anlageportfolios immer nur als ergänzende Wertanlage gesehen werden, die dem Besitzer vor allem viel Freude macht.
Außerdem muss man sich darüber im Klaren sein, dass ein Oldtimer laufende Unterhaltskosten mit sich bringt. Wer nicht selbst über eine sichere, abschließbare Garage verfügt, kann sein historisches Goldstück in gut bewachten, klimatisierten Oldtimergaragen unterbringen, die aber auch einiges an Geld kosten. Außerdem brauchen manche der alten Karossen viel Pflege, müssen repariert und regelmäßig bewegt werden.
Ein Aufwand, den viele Deutsche gern betreiben würden, denn Oldtimer haben einen guten Ruf: Für mehr als 50 Prozent der Deutschen sind die historischen Karossen technisches Kulturgut. Und noch mehr freuen sie sich, wenn sie ein solches Fahrzeug auf der Straße sehen. So sind allein in Deutschland Classic-Car-Enthusiasten in etwa 2.000 Clubs organisiert und treffen sich auf jährlich rund 4.000 Veranstaltungen jeder Größenordnung. Was sie eint, ist oft die Sehnsucht nach Entschleunigung, gemeinsamem Erleben, nach Nostalgie und technischer Beherrschbarkeit. Auch wenn die Classic Cars aufgrund der Marktgesetze immer ein risikobehaftetes Investment bleiben, eines ist in den meisten Fällen garantiert: die emotionale Rendite.
zur Person:
Oliver Grimme,
Spezialist Art
Management/
Classic Cars im
Private Banking der
HypoVereinsbank
Grimme ist seit 2013 als Spezialist für Classic Cars tätig. Davor arbeitete er 14 Jahre lang in den Bereichen Asset Management und Private Banking. Bevor er zur HypoVereinsbank kam, war er bereits als Berater für Klassikabteilungen von Autoherstellern aktiv.
HypoVereinsbank Private Banking ist auf die Beratung vermögender Kunden spezialisiert und zählt mit rund 44.000 Kunden und einem Volumen von etwa 30 Milliarden Euro zu den führenden Anbietern im deutschen Markt. Mit 46 Standorten von Sylt bis Garmisch-Partenkirchen verfügt die Bank über eines der dichtesten Betreuungsnetze für Private-Banking-Kunden in Deutschland.
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Bildquellen: HVB