Erbrecht: Haus am Meer sucht Nachfolger
Für Deutsche im Ausland ändern sich ab dem 17. August die Spielregeln bei der Vermögensnachfolge. Wer jetzt in Sachen Testament aktiv werden muss.
von Stefan Rullkötter, Euro am Sonntag
In Saint-Jean-Cap-Ferrat lässt es sich gut aushalten. Rund 90.000 Bundesbürger leben dauerhaft in Frankreich, viele von ihnen haben einen Altersruhesitz an der Côte d’Azur. Nicht nur für Rentner an der französischen Riviera, sondern für alle im Ausland ansässigen Deutschen gibt es bald neue Regeln, wenn es um die Vermögensnachfolge geht: Ab dem Stichtag 17. August 2015 gilt für Erbfälle mit Auslandsbezug eine neue EU-Verordnung. Ob Ruheständler, ins Ausland versetzte Fachkräfte, sogenannte Expatriates, oder internationale Patchworkfamilien: Der gesamte Nachlass wird künftig nach dem Recht des Landes abgewickelt, in dem die Erblasser zuletzt ihren "gewöhnlichen Aufenthalt" hatten.
Dieser bestimmt sich nach den Lebensumständen des Erblassers vor seinem Tod. Dauer und Regelmäßigkeit des Aufenthalts wie auch eine enge und feste Bindung zum jeweiligen Staat sind dafür maßgeblich, die Staatsangehörigkeit spielt dagegen beim Erbrecht keine Rolle mehr. Das "Wohnsitzprinzip" gilt künftig für die Zuständigkeit von Nachlassgerichten und Behörden.
Die Idee dahinter: Erben in Europa soll einfacher und einheitlicher werden. Das hat Folgen für alle im Ausland ansässigen Deutschen. Ihr späterer Nachlass wird grundsätzlich nach dem Erbrecht des Landes abgewickelt, in dem sie ihren Lebensmittelpunkt hatten. Wo sich die Vermögenswerte - etwa Sparkonten, Depots, Schmuck, Immobilien - zum Zeitpunkt des Todes befinden, spielt künftig keine Rolle mehr.
"Bundesbürger, die sich in Zukunft länger im Ausland aufhalten, sollten bedenken, dass sich die ausländischen Regelungen zur gesetzlichen Erbfolge vom deutschen Erbrecht erheblich unterscheiden", warnt Anton Steiner, Präsident des Deutschen Forums für Erbrecht in München.
Aber: Sie müssen sich nicht zwangsläufig dem Erbrecht ihres Aufenthaltsorts unterwerfen. Wie alle EU-Bürger können Deutsche künftig auch das Erbrecht des Staats wählen, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzen - in diesem Fall ihr Heimatland. Sie müssen diesen Wunsch jedoch ausdrücklich im Testament festhalten.
Wahlrecht mit Tücken
Dabei kommt es auf die Details an: Die neue Erbrechtsverordnung lässt die Rechtswahl nur für das gesamte Vermögen zu. "Bundesbürger mit Wohnsitz im Ausland, die ihren Nachlass bereits geregelt haben, sollten ihre Testamente überprüfen lassen und unter Umständen um eine Rechtswahlklausel ergänzen", rät Anwalt Steiner. Durch den Zusatz können sie verbindlich festlegen, dass im Todesfall für den eigenen Nachlass das deutsche Erbrecht unabhängig vom Aufenthaltsort gelten soll.Wer Immobilien im Ausland vererbt, sollte weitere Besonderheiten beachten: In Ländern wie der Schweiz, Spanien und den USA gilt das sogenannte Lagerecht. Selbst wenn künftige Erblasser und Nachfolger deutsche Staatsbürger sind, gilt bei der Übertragung von unbeweglichem Vermögen das Erbrecht des jeweiligen Landes. Mit einer Ausnahme: Wird künftig Immobilieneigentum eines Deutschen in Frankreich vererbt, gilt nur noch bis zum 16. August französisches "Lagerecht", danach aber, falls der Lebensmittelpunkt des Erblassers in Deutschland war, deutsches Recht. Aufpassen müssen auch Ehepaare im Ausland, die ein gemeinschaftliches Testament nach deutschem Erbrecht errichtet haben. Dieses bleibt zwar auch ab dem 17. August formal wirksam, wird aber etwa in Spanien nicht anerkannt. "Es kann zu Problemen mit der inhaltlichen Gültigkeit und bei der Auslegung kommen, wenn im Testament Begriffe auftauchen, die das Erbrecht der Wahlheimat nicht kennt", sagt Ingrid Merker, Fachanwältin für Erbrecht in Konstanz.
Das bedeutet nicht, dass gleich das gesamte Testament geändert werden muss. Es genügt ein handschriftlicher Zusatz zum Testament, von beiden Ehepartnern unterzeichnet, in dem sie ihr Wahlrecht ausüben und bestimmen, dass das deutsche Erbrecht für den Nachlass gelten soll.
Die Unterschiede im Erbrecht sind auch bei anderen testamentarischen Regelungen groß. In Spanien ist etwa eine Vor- und Nacherbschaft unbekannt - eine Gestaltungsmöglichkeit, die in Deutschland üblich ist. Andererseits können nach ausländischem Erbrecht auch Regelungen ins Testament aufgenommen werden, die nach deutschem Recht nicht möglich wären. "Es muss sich erst zeigen, wie die nationalen Gerichte ab August mit der Problematik unbekannter Rechtsinstitute umgehen werden", meint der Berliner Rechtsanwalt Daniel Eichenauer.
Nachlass auch ohne Umzug regeln
Wer aber aktuell seine Vermögensnachfolge plant, sollte - unabhängig von aktuellen und künftigen Umzugsplänen für das Ausland - rein vorsorglich eine Rechtswahlklausel mit in sein Testament aufnehmen. Denn die Vorschriften anderer EU-Mitgliedstaaten unterscheiden sich zum Teil erheblich. Das Erbrecht von Ehegatten und Kindern ist zum Beispiel europaweit höchst unterschiedlich geregelt: In Deutschland erben beide grundsätzlich gemeinsam, in Schweden unter Umständen nur Ehegatten, während in Frankreich überlebende Ehepartner meist nur eine Art Nießbrauch am Nachlass haben.Ebenfalls zu beachten sind weitere Ausnahmen von der EU-Erbrechtsverordnung. Die Neuregelung wird von den Mitgliedsstaaten Irland, Dänemark und Großbritannien nicht übernommen. Das nach der Verordnung maßgebliche Recht ist jedoch auch dann anzuwenden, wenn es sich um das Recht eines Drittstaats handelt - eine Beschränkung auf Europa gibt es trotz des irreführenden Namens nicht.
Im Klartext: Wer als Bundesbürger in diesen Ländern seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt hatte, vererbt gleichwohl nach dem jeweiligen Landesrecht. So gilt etwa für alle Bundesbürger, die in der Schweiz ansässig waren und in ihrem Testament explizit keine Rechtswahl getroffen hatten, ab dem Stichtag 17. August eidgenössisches Recht.
Mit der Erbrechtsverordnung wird auch das Europäische Nachlasszeugnis eingeführt. Das Dokument dient als zusätzlicher Nachweis für Erben, Testamentsvollstrecker, Vermächtnisnehmer und Nachlassverwalter.
Es soll dabei helfen, grenzüberschreitende Geld- und Immobilienerbschaften leichter und schneller abzuwickeln. Das Europäische Nachlasszeugnis hat eine Gültigkeit von sechs Monaten, kann aber auf Antrag verlängert werden. Einen deutschen Erbschein kann das Dokument aber nicht vollständig ersetzen.
Keine Folgen für die Erbschaftsteuer
Wer hofft, durch geschickte Rechtswahl seinen Nachkommen Erbschaftsteuer ersparen zu können, wird aber enttäuscht. Die EU-Verordnung regelt grundsätzlich nur das Erbrecht neu - nicht das Erbschaftsteuerrecht.Weitere News
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