Interview

Lebensversicherungen machen mich glücklich

28.04.13 03:30 Uhr

Johannes Lörper: Der ehemalige oberste Versicherungsmathematiker über den DAX bei 9.000 Punkten, traditionelle Policen — und was neue Vorsorgekonzepte mit Grapefruitsaft gemeinsam haben.

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von Martin Reim, Euro am Sonntag

Wer Versicherungsmanager für dröge hält, den belehrt Johannes Lörper definitiv eines Besseren. Der 59-jährige Rheinländer tritt im Gespräch nicht nur eloquent, gestenreich und engagiert auf. Energisch verteidigt Lörper im Interview auch die traditionelle Lebensversicherung und kündigt ein neues Produkt seines Arbeitgebers Ergo an.

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€uro am Sonntag: Trotz Eurokrise ist der DAX nicht allzu weit von 8.000 Punkten entfernt. Sind Sie privat mit von der Partie?
Johannes Lörper:
Ja, klar. Wenn es um Aktien geht, investiere ich hauptsächlich in Indexfonds.

Haben Sie auch Lebensversicherungen?
Eine ganze Reihe, hauptsächlich private Rentenpolicen.

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Wie zufrieden sind Sie mit Ihren ­Investments?
Was Aktien betrifft, bin ich zurzeit sehr glücklich. Aber ich war schon mal extrem unglücklich damit. Meine Lebensversicherungen machen mich konstant glücklich.

Wie das? Bei Lebensversicherungen ist die Verzinsung auf den niedrigsten Stand seit Bestehen der Bundesrepublik gefallen.
Das sieht nur auf den ersten Blick so aus. Denn die Realverzinsung, also die nominale Rendite abzüglich Inflationsrate, ist in den vergangenen 30 Jahren im Großen und Ganzen gleich geblieben. Das gilt sogar für die vergangenen zehn Jahre, in denen die nominale Verzinsung tatsächlich stark gesunken ist. Dennoch ist klar: Wir Lebensversicherer haben keine Maschine, um unglaubliche Renditen zu generieren.

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Das ist angesichts der schwachen Zahlen zurückhaltend ausgedrückt.
Wir können nicht beliebig viel in spekulative Anlageklassen wie Aktien investieren, weil wir die jährlich geltenden Garantien sicherstellen müssen. Es handelt sich bei Lebensver­sicherungen auch nicht im eigent­lichen Sinn um Anlage, sondern um Altersvorsorge.

Wo sehen Sie den Unterschied?
Wenn Sie eine definitive Meinung zum DAX haben, beispielsweise dass er in den nächsten fünf Jahren die 9.000 Punkte knackt, dann werden Sie eine Lebensversicherung langweilig finden.

Dann wird aber bei vielen Anlegern Langeweile einkehren. Denn diese DAX-Prognose erscheint ­alles andere als gewagt.
Na ja, überlegen Sie mal: Als der DAX nach der Jahrtausendwende schon einmal über 8.000 Punkte stand, waren sich viele richtig sicher, dass es so weitergehen würde. Jetzt sind sie gerade mal ungefähr wieder da, wo sie schon mal waren. Wenn Sie aber auf Nummer sicher gehen wollen und fest mit Ihrer Rente rechnen, dann ist eine Lebensversicherung richtig.

Beim DAX weiß der Anleger wenigstens, woran er ist. Bei Lebensversicherungen kauft er aber die Katze im Sack, die Mechanismen sind völlig intransparent.
So generell stimmt das nicht. Es gibt allerdings eine eingebaute Intransparenz beispielsweise bei den Berechnungen von Gewinnbeteiligungen. Die kriegen wir nicht weg. Es gibt eben kein Konto für den Einzelnen, wo er sein persönliches Anlageergebnis eines jeden Jahres feststellen kann. Stattdessen gleichen wir die Gewinne aus unseren Kapital­anlagen über die gesamte Gemeinschaft der Versicherten aus. Das ist die Grundidee der Versicherung: das Kollektiv.

Bisher war der staatliche Garantiezins das wichtigste Verkaufs­argument für Lebensversicherungen. Bei Ihrem neuen Produkt fällt diese weg.
Bei unserem neuen Produkt stellen wir die Garantie besonders transparent dar. Ab einer bestimmten Laufzeit garantiert Ergo zum Ablauf die Bruttobeitragssumme ...
... also alle Einzahlungen plus aufgelaufene Kapitalerträge ...
... und die Rente ist ebenfalls garantiert. Für den Kunden ist das also wesentlich klarer als eine Garantieverzinsung auf einen Sparanteil.

Und wie soll die Kapitalanlage bei dem neuen Produkt funktionieren?
Gegenüber der klassischen Versicherung werden die Kunden bei unserem neuen dynamischen Anlagekonzept stärker und schneller von steigenden Zinsen und Märkten profitieren. Die Kunden müssen bei der Kapitalanlage jedoch keine eigenen Entscheidungen treffen, es handelt sich um einen gemischten Anlagetopf.

Was soll in diesem Topf stecken?
Ergo regelt wie bei einer klassischen Lebensversicherung die komplette Anlage und nutzt ein neu entwickeltes Konzept, das neben Garantien auch über Stabilisierungsmechanismen verfügt. Mehr kann ich leider derzeit nicht verraten.

Sie trommeln seit Jahr und Tag ­Versicherungen mit Garantiezins. Jetzt wollen Sie ein ganz anderes Produkt propagieren. Warum ­sollten Verbraucher etwas kaufen, woran Sie selbst nicht mehr ­glauben?
Gegenfrage: Wenn ein Kiosk bisher nur Orangensaft verkauft hat und jetzt Grapefruitsaft anbietet — heißt das, dass er den Glauben an Orangen verloren hat? Wie ich aber bereits dargestellt habe, hat die klassische Lebensversicherung nicht nur Vorteile. Dass der DAX auf Rekordkurs steht, ist an der Branche vor­beigegangen. Das wollen wir nun ­ändern.

Zurich Deutscher Herold ist als ­erster großer Anbieter komplett aus hauseigenen klassischen ­Lebensversicherungen ausge­stiegen. Haben auch Sie solch eine Lösung durchgespielt?
Wir müssen als gute Manager natürlich immer alle möglichen Szenarien im Blick haben. Wir haben diese Lösung aber verworfen.

Ohne sie durchzuspielen? Das geht kaum.
Jetzt haben Sie mich erwischt. Aber im Ernst: Wir haben in einem zweiten Schritt überlegt, ob unsere beiden Produkte — das neue und das alte — in unseren klassischen Beratungsansatz passen, und haben dies mit Ja beantwortet. Wir bieten die klassische Versicherung also auch weiterhin an.

Worin besteht dieser Beratungs­ansatz?
Unser Beratungsansatz orientiert sich an den verschiedenen Lebensphasen und individuellen Lebensplanungen von Kunden. Die können sich im Laufe eines Lebens ändern. Und das muss in der Beratung berücksichtigt werden.

Was passiert, wenn sich die neue Versicherung schlecht verkaufen sollte?
Das Produkt wird laufen, da bin ich mir sicher.

zur Person:

Manager und
Mathematiker

Johannes Lörper, 59, ist einer der einflussreichsten Manager in der Lebensversicherungsbranche. Er gehört den Vorständen von Ergo Leben (ehemals Hamburg-Mannheimer) und Victoria Leben an, die jeweils zu den größten Unternehmen der Branche zählen. Außerdem leitete der promovierte Mathematiker den DAV, den Zusammenschluss der deutschen Versicherungs­mathematiker, bis April 2013.

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