Brücken für die Altersvorsorge
Weil öffentliche Gelder fehlen, hat sich bei Infrastrukturprojekten ein Investitionsstau gebildet. Dieser könnte mit Kapital aus der privaten und betrieblichen Altersvorsorge aufgelöst werden.
von Markus Rieß, Gastautor von Euro am Sonntag
Die Leverkusener Rheinbrücke war in den 60er-Jahren ein zukunftsweisendes Stück Infrastruktur. Damals für 40.000 Kraftfahrzeuge pro Tag konzipiert, war sie auf den wachsenden Autoverkehr vorbereitet. Heute aber befahren mehr als 120.000 Fahrzeuge täglich die Autobahnbrücke der A1. Ihre Belastungsgrenzen sind erreicht. Deshalb dürfen Autos sie mittlerweile nur noch mit maximal 60 Stundenkilometern überqueren, und für Lastwagen ist sie längst gesperrt.
Die Leverkusener Rheinbrücke ist lediglich ein Beispiel von vielen für deutsche Infrastruktur, die nicht mehr zeitgemäß ist: Viele Fernstraßen und Brücken in Deutschland müssen dringend erneuert werden. Ähnliches gilt für die Netze zur Datenübertragung. Und die Energiewende erfordert einen verstärkten Ausbau der Stromnetze. Nach einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW) hat sich ein Investitionsstau von rund 120 Milliarden Euro in Deutschland aufgebaut.
Privates Kapital könnte
Investitionsstau auflösen
Doch hinreichende Mittel für Investitionen zu sichern, fällt alternden Gesellschaften mit hohen Sozialleistungen - wie Deutschland - schwer. Zudem dürfen sich Bund und Länder nicht über alle Maßen verschulden. Die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse verhindert dies - und das zu Recht.
Es fehlen also öffentliche Gelder, die langfristig investiert werden können. Warum ziehen wir daher nicht mehr privates Kapital der betrieblichen und privaten Altersvorsorge heran, um Infrastrukturprojekte zu finanzieren und zudem die staatlichen Haushalte zu entlasten?
Investitionen in Fernstraßen und Brücken, Windparks oder Glasfasernetze haben Laufzeiten von 30 Jahren und mehr. Diese langfristige Kapitalbindung ist ideal für Lebensversicherer und Pensionsfonds, da ihre Verpflichtungen gegenüber ihren Kunden ebenfalls langfristiger Natur sind. So könnte der Investitionsstau in der deutschen Infrastruktur gelöst und damit die Voraussetzung für mehr Wachstum geschaffen werden. Gleichzeitig könnten Menschen, die privat oder betrieblich Altersvorsorge betreiben, auf langfristige, kontinuierliche Erträge aus diesen Investitionen vertrauen.
Kritiker wenden dagegen ein, dass die private Finanzierung von Straßen und Brücken mehr koste als die staatliche. Mag sein, dass die öffentliche Finanzierung auf den ersten Blick "billiger" wirkt. Schließlich refinanziert sich beispielsweise die Bundesrepublik derzeit mit weniger als einem Prozent Zinsen an den Kapitalmärkten. Doch so simpel ist die Welt nicht.
Wird zum Beispiel eine Autobahn privat finanziert, übernimmt der Kapitalgeber auch mit dem Projekt verbundene Risiken: Werden Termine und Kosten eingehalten, wird die vereinbarte Qualität geliefert? Diese Risiken drücken sich im höheren Zinssatz der privaten Finanzierung aus. Und sie sorgen dafür, dass ein Kapitalgeber das Infrastrukturprojekt eng steuert, sodass Termine, Kostenpläne und Qualität eingehalten werden.
Die Risiken des Autobahnbaus bleiben bei öffentlicher Finanzierung die gleichen - auch wenn sie nicht in den Finanzierungskosten berücksichtigt werden. Letztlich zahlt der Steuerzahler den Preis dafür: durch längere Bauzeiten, deutliche Kostenüberschreitungen oder Qualitätsmängel. Die konventionelle, öffentliche Finanzierung ist somit nur scheinbar billiger.
Daher ist das Ziel des europäischen Juncker-Plans richtig, nämlich die Rahmenbedingungen für private Infrastrukturinvestitionen zu verbessern und zusätzliche Investitionsprojekte zu ermöglichen. Denn der zentrale Engpass ist nicht ein Mangel an Kapital - vielmehr fehlt es an dafür geeigneten Projekten.
Auch in Deutschland wird überlegt, wie Verkehrsadern mit privatem Kapital gebaut werden können. Ob dies als Poollösung wie in Österreich oder im Rahmen von Einzelprojekten geschieht, muss noch entschieden werden. Als überzeugter Marktwirtschaftler würde ich eine Pipeline von großen Projekten bevorzugen. Um diese könnten mehrere Investoren konkurrieren; der entstehende Preiswettbewerb wäre auch aus volkswirtschaftlichen Gründen effizient.
Staatskasse würde geschont
und die Vorsorge gefördert
Die Idee, privates Kapital mittels einer Bürgeranleihe zu mobilisieren, die mit einer staatlichen Garantie einhergeht, halte ich hingegen nicht für zielführend. Die Risiken der Projekte würden auf diese Weise sozialisiert und auf den Steuerzahler abgewälzt. Eine solche Anleihe würde den Staatshaushalt zusätzlich belasten.
Mehr privates Kapital für Infrastrukturprojekte würde den Investitionsstau endlich lösen und Impulse für weiteres wirtschaftliches Wachstum in Deutschland setzen. Gleichzeitig würden wir die zweite und dritte Säule der Altersvorsorge - nämlich die betriebliche und die private - durch stabile, langfristige Kapitalerträge sichern.
Auf diese Weise finanzierte Infrastrukturmaßnahmen wären im Sinne sowohl solider Staatsfinanzen als auch von Millionen Menschen, die privat und betrieblich für ihr Alter vorsorgen.
Kurzvita
Markus Rieß,
Vorsitzender
des Vorstands
der Allianz
Deutschland
Der 1966 in Aachen geborene, promovierte Volkswirt Markus Rieß steht seit Juli 2010 an der Spitze des Vorstands der
Allianz Deutschland. Dem Führungsgremium gehört er schon seit 2007 an.
Rieß begann seine berufliche Laufbahn
1990 bei der Allianz Lebensversicherung. Nach Stationen bei der Unternehmensberatung McKinsey und bei der Allfonds International Asset Management kehrte Rieß 1997 zur Allianz zurück, wo er bis 2007 Vorstandsmitglied bei Allianz Global Investors war.
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