Misslungener Milieuschutz
Mit Umwandlungsverboten in begehrten Stadtteilen und der Mietpreisbremse will die Politik Punkte sammeln. Doch die in vielen Großstädten eingerichteten Milieuschutzgebiete verhindern die Bildung von Wohneigentum.
von Jacopo Mingazzini, Gastautor von Euro am Sonntag
Stellen Sie sich vor, Sie wollen die Wohnung kaufen, in der Sie seit vielen Jahren leben - sei es, um sich von Mietsteigerungen unabhängig zu machen oder für das Alter vorzusorgen. Doch in vielen Regionen Deutschlands verbietet Ihnen der Gesetzgeber den Kauf, seit Neuestem auch in Berlin. Nicht nur Selbstnutzer sind betroffen, sondern auch private Kapitalanleger.
Zum Hintergrund: Anfang Januar beschloss der Berliner Senat das sogenannte Umwandlungsverbot, das die Aufteilung von Miet- in Eigentumswohnungen in Milieuschutzgebieten unter Genehmigungsvorbehalt stellt. Dies kommt einem Aufteilungsverbot gleich und stellt einen massiven Eingriff in die Eigentumsrechte der Wohnungseigentümer dar. Milieuschutzgebiete werden in Stadtgebieten ausgerufen, in denen die bestehende Zusammensetzung der Wohnbevölkerung erhaltenswert erscheint. Durch verschiedene Maßnahmen soll ein Ansteigen der Wohnkosten verhindert werden, um bestimmte Bevölkerungsgruppen vor Verdrängung zu schützen.
"Maßnahme" bedeutet in diesem Zusammenhang jedoch in der Regel "Verbot". Modernisierungen etwa bedürfen der vorherigen Genehmigung durch den jeweiligen Bezirk. Anträge für eine Fußbodenheizung oder Gästetoilette können sich die Eigentümer meist von vornherein sparen. Nicht nur das Verbot von Luxussanierungen wirkt einer Verdrängung in Milieuschutzgebieten entgegen, sondern auch zehnjährige Kündigungssperrfristen und Kappungsgrenzen bei Mieterhöhungen. Ab Sommer 2015 werden zudem die Neuvermietungsmieten durch die Mietpreisbremse gedeckelt.
Nun soll auch noch das Umwandlungsverbot in Milieuschutzgebieten dazu beitragen, Mieter vor Mietsteigerungen zu schützen. Wie paradox dieser Gedanke ist, zeigt ein Blick auf die Käufergruppen. Bei der Aufteilung von Wohnhäusern kommen neben den bisherigen Mietern vor allem private Kapitalanleger zum Zug. Die Erfahrung zeigt, dass Letztere die Mieten bei Weitem nicht in dem Maße anheben wie die vor der Aufteilung aktiven, zumeist professionellen Vermieter. Mieter profitieren also weit häufiger vom Eigentümerwechsel, als die Politik glauben machen will.
Tausende Investitionsobjekte
verschwinden vom Markt
Überdies sei angemerkt, dass weder das Umwandlungsverbot noch irgendeine andere Maßnahme etwas an der Tatsache ändert, dass sich Vermieter stets die solventesten Mieter aussuchen - und deren Zahl steigt mit der Beliebtheit einer Wohngegend. Verdrängung ist also keineswegs eine Folge von Umwandlung, sondern ein Resultat größerer Wertschätzung einer Wohnlage. Bei einer Umwandlung wird übrigens kein Mieter zum Kauf gezwungen. Entscheidet er sich dafür, profitiert er von einem Vorkaufsrecht und üblicherweise von Vorzugskonditionen.
Für Privatanleger verschwinden mit den vom Umwandlungsverbot betroffenen Wohnungen mit einem Schlag Tausende interessante Investitionsobjekte vom Markt. Allein in den Berliner Milieuschutzgebieten sind etwa 160.000 Wohnungen in zentralen Lagen betroffen. Das entspricht ungefähr zehn Prozent aller Berliner Wohnungen. Zudem ist eine Ausweitung der Milieuschutzgebiete geplant. Auch in Hamburg, München und Baden-Württemberg gibt es entsprechende Satzungen, durch die umfangreiche Wohnungsbestände dem Markt weitestgehend entzogen werden. Dabei sind es insbesondere Bestandswohnungen, die für private Anleger attraktive Anlageobjekte darstellen. Im Berliner Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg beispielsweise, in dem es inzwischen zehn Milieuschutzgebiete gibt, kostet der Quadratmeter Wohnfläche einer zwischen 1900 und 1949 errichteten Eigentumswohnung in einfacher bis mittlerer Lage laut Immobilienverband IVD 1.600 bis 2.200 Euro. Zum Vergleich: Für eine Neubauwohnung in diesem Bezirk, ebenfalls in einfacher bis mittlerer Lage, werden 2200 bis 3700 Euro aufgerufen.
Man muss kein Prophet sein, um zu erahnen, welche Folgen das Aufteilungsverbot auf das Preisgefüge außerhalb der Milieuschutzgebiete haben wird. Das Angebot verringert sich - bei steigender Nachfrage. Denn immer mehr Menschen erwägen den Kauf einer Eigentumswohnung. In Zeiten niedriger Zinsen stellt die vermietete oder selbstgenutzte Eigentumswohnung eine ideale Altersabsicherung dar. Zudem ist der Kauf der eigenen Wohnung für Mieter eine gute Möglichkeit, Vermögen zu bilden. Daran werden sie nun vielerorts qua Gesetz gehindert.
Kurzvita
Jacopo
Mingazzini,
Vorstand der
Accentro Real Estate
Nach seinem BWL-Studium an der Ludwig-Maximilians-Universität in München absolvierte Mingazzini ein berufsbegleitendes Aufbaustudium zum Immobilienökonomen (ebs). 1999 gründete er die Accentro GmbH, einen führenden Dienstleister im Bereich der Wohnungsprivatisierung, der er bis heute als Geschäftsführer vorsteht. Zudem ist Mingazzini Vorstand der Accentro Real Estate AG (vormals Estavis) und Dozent an der Akademie der Immobilienwirtschaft (ADI) in Frankfurt am Main.
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