Steuern: Was sich 2011 alles ändert
Neue Regelungen geben dem Fiskus die Möglichkeit, Steuerzahler bald noch mehr auszuleuchten. Was sich im kommenden Jahr ändert.
von Michael H. Schulz, Euro am Sonntag
Menschenskinder. Da mindert das Kindergeld das Arbeitslosengeld II, und ausgerechnet bei den Familienkassen des öffentlichen Dienstes kassieren manche Eltern doppelt Kindergeld. Ein Abstimmungsproblem macht’s möglich. Die Familienkassen des öffentlichen Dienstes wissen nicht, was die Familienkassen der Bundesagentur für Arbeit auszahlen. Kein Wunder, dass aus den Familienkassen mehr Kindergeld fließt, als in der Statistik des Bundeszentralamts für Steuern erscheint. Das ist kein Kavaliersdelikt. Das Finanzgericht Rheinland-Pfalz stellt alle, die doppelt Kindergeld beziehen und dies nicht melden, mit Steuerhinterziehern gleich (Az. 4 K 1507/09).
Dies ist nur ein Beispiel aus dem Jahressteuergesetz 2010. Es zeigt aber, wie die Volksvertreter Erfassungslücken beseitigen und das Kontrollnetz enger knüpfen. Wie das Onlinenetzwerk Facebook den Nutzeraustausch kontrolliert, kann der Fiskus Steuerzahler lückenlos erfassen. Rund 180 Änderungen enthält das Gesetz, das Mitte Dezember in Kraft tritt. Zwar wurde die geplante Verschärfung der Selbstanzeige oder die Kappung der Steuerstundung bei Verkäufen aus landwirtschaftlichem Grund und Boden mithilfe einer Reinvestitionsrücklage fallen gelassen, doch insgesamt ist das Gesetz „geprägt von dem zunehmenden Misstrauen des Gesetzgebers gegenüber dem Steuerzahler und der Rechtsprechung“, erklärt Marion Sangen-Emden, Steuerberaterin bei der Kanzlei Heuking Kühn Lüer Wojtek.
Freistellungsaufträge
Wer ab 2011 einer Bank einen neuen Freistellungsauftrag erteilt, muss die Steueridentifikationsnummer angeben. Falls nicht, sind Zinsen, Dividenden und Veräußerungsgewinne selbst im Rahmen des Sparerpauschbetrags von 801 Euro für Ledige und 1602 Euro für Verheiratete abgeltungsteuerpflichtig. Bereits erteilte Freistellungsaufträge gelten bis Ende 2015. „Liegt der Bank bis 1. Januar 2016 keine Identifikationsnummer vor und wird auch keine nachgereicht, sind diese Freistellungsaufträge unwirksam“, erklärt Sangen-Emden.
Schenkung
Auch bei Depotübertragungen zwischen verschiedenen Personen, etwa im Rahmen der Schenkung, will die Finanzverwaltung die Spur des Geldes lückenlos zurückverfolgen können. Banken müssen verstärkt die Rolle des Erfüllungsgehilfen übernehmen, indem sie nach den persönlichen Daten und der Steueridentifikationsnummer von Schenker und Beschenktem fragen. Werden der Bank vom Schenker nicht alle erforderlichen Daten mitgeteilt, „hat das Kreditinstitut den Übertragungsvorgang als steuerpflichtige Veräußerung zu behandeln“, heißt es im Gesetz.
Nichtveranlagung
Auch Rentner mit einer Nichtveranlagungsbescheinigung können sich der Kontrolle kaum entziehen. Aufgrund von plausibel dargelegten niedrigen Einkünften erhalten sie auf Antrag vom Fiskus für drei Jahre eine sogenannte Nichtveranlagungsbescheinigung. Mit diesem Persilschein sind sie aufgrund niedriger Einkünfte von der Steuer befreit. Auch hier unterstellt der Gesetzgeber offenbar, dass Rentner höhere Einkünfte haben. Ab 2012 sollen Banken dem Bundeszentralamt für Steuern Erträge mitteilen, die wegen dieser Bescheinigung ohne Abgeltungsteuer ausbezahlt werden. Dabei beruft sich der Gesetzgeber auf ein Urteil der Verfassungsrichter aus dem Jahr 2004 zum damaligen strukturellen Vollzugsdefizit bei der Besteuerung von Spekulationsgewinnen (Az. 2 BvL 17/02).
Stückzinsen
Wer eine Anleihe vor dem 1. Januar 2009 kaufte und später verkaufte, muss die vom Erwerber gezahlten Stückzinsen als Einkünfte aus Kapitalvermögen versteuern. Das gilt auch dann, wenn der Veräußerungsgewinn nicht steuerpflichtig ist. Das hatte das BMF bereits in einem Anwendungserlass zur Abgeltungsteuer geregelt. Jetzt folgt die gesetzliche Klarstellung.
Erstattungszinsen
Bummelt das Finanzamt beim Erlass des Steuerbescheids und ist eine Erstattung an den Steuerpflichtigen fällig, muss das Amt den Betrag mit einem Guthabenzins von jährlich sechs Prozent verzinsen. Einen Teil davon holt sich der Fiskus allerdings über die Steuer wieder zurück. Das Versteuern der Erstattungszinsen ist zwar laut einem Urteil des Bundesfinanzhofs nicht rechtens (Az. VIII R 33/07), doch mit einem Federstrich im Jahressteuergesetz 2010 hebelt der Gesetzgeber das Urteil aus. Das gilt auch für Steuerbescheide, die noch nicht bestandskräftig sind.
Private Spekulationsgeschäfte
Gewinne beim Verkauf von Gegenständen des täglichen Gebrauchs wie beispielsweise des Jahreswagens sind nicht mehr steuerpflichtig. Entsprechend mindern auch derartige Verluste nicht mehr andere steuerpflichtige Gewinne. Damit hebelt der Gesetzgeber ein Urteil des Bundesfinanzhofs aus (Az. IX R 29/06). Die Änderung ist erstmals für Veräußerungen anzuwenden, bei denen die Gebrauchsgegenstände nach Verkündung des Jahressteuergesetzes 2010 angeschafft wurden.
Arbeitszimmer
Nicht jedes höchstrichterliche Urteil lässt sich ignorieren. Vor allem nicht, wenn es vom Bundesverfassungsgericht kommt. Die Karlsruher Richter urteilten, dass der gestrichene Abzug des Arbeitszimmers als Werbungskosten verfassungswidrig ist, und forderten den Gesetzgeber auf, rückwirkend ab 2007 eine Neuregelung zu treffen. Steuerzahler können ihr häusliches Arbeitszimmer rückwirkend zum 1. Januar 2007 mit bis zu 1250 Euro absetzen, wenn das Heimbüro Mittelpunkt der Berufstätigkeit ist. Bei Proberäumen geht noch mehr, allerdings müssen diese Räume laut dem Finanzgericht Köln einzig und allein diesem Zweck dienen (Az.: 9 K 3882/09). So konnte eine Kölner Musikerin unlängst die komplette Miete für einen Raum ihrer Wohnung absetzen, den sie zum Proben nutzt.