Wohnungsbau-Offensive: Steuerknüller beim Bau
Mit einer Sonderabschreibung für vier Jahre will die Bundesregierung den Mietwohnungsbau fördern. Gelingt ihr das?
von Bernhard Bomke, Euro am Sonntag
Politik ist ein weites Feld für Erstaunliches. Zwei aktuelle Beispiele: In Brüssel nominierten 28 Staats- und Regierungschefs der EU-Mitgliedsländer am Dienstag wie aus dem Nichts Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen als Präsidentin der EU-Kommission. Vier Tage davor überraschte der Bundesrat in ganz anderer Sache. Er stimmte dem Gesetz zu, mit dem für die Dauer von vier Jahren eine Sonderabschreibung von jährlich fünf Prozent zur Förderung des Baus neuer Wohnungen eingeführt wird. Damit geht ein jahrelanger Streit zwischen Bund und Ländern sowie zwischen Union und SPD zu Ende, bei dem es darum ging, in welcher Weise der Mietwohnungsbau gefördert werden sollte.
Nach dem Gesetz, das der Bundestag bereits im November 2018 verabschiedet und der Bundesrat bislang blockiert hatte, kann die Sonderabschreibung geltend machen, wer Wohnungen neu baut, für die im Zeitraum vom 1. September 2018 bis 31. Dezember 2021 ein Bauantrag gestellt wurde oder noch wird. Das gilt nicht nur für komplette Neubauten, sondern auch für neu entstehenden Wohnraum in Bestandsgebäuden; also zum Beispiel für den Dachausbau. Die fünf Prozent Sonderabschreibung werden gewährt, wenn die Bau- oder Anschaffungskosten für eine Wohnung 3.000 Euro pro Quadratmeter nicht übersteigen. Mit diesem Deckel will der Gesetzgeber vermeiden, den Bau von Luxuswohnungen zu fördern. Grundstückskosten sind in den 3.000 Euro nicht enthalten.
Anders sehe es mit den Anschaffungsnebenkosten aus, betont Hans Volkert Volckens, der den Steuerausschuss des Lobbyverbands Zentraler Immobilien Ausschuss (ZIA) leitet. Die Gebühren für Makler (sofern einer eingeschaltet ist), für Notar und Grundbucheintrag sowie die Grunderwerbsteuer, die je nach Bundesland bis zu 6,5 Prozent der Erwerbskosten beträgt, sind bei dem Deckel von 3.000 Euro mitzukalkulieren. Die reinen Bau- und Anschaffungskosten, die maximal erreicht werden dürfen, liegen also de facto unter 3.000 Euro je Quadratmeter.
Kappungsgrenze liegt bei 2.000 Euro
Wichtig ist obendrein: Die fünf Prozent Sonderabschreibung werden rechnerisch auf höchstens 2.000 Euro pro Quadratmeter bezogen. Das heißt, bis zu dieser Kappungsgrenze können Bauherren oder Investoren in den ersten vier Jahren zusammen mit der regulären Abschreibung von jährlich zwei Prozent 28 Prozent geltend machen. Die Förderung wird gewährt, wenn die neuen Wohnungen mindestens zehn Jahre lang als Mietwohnungen genutzt werden. Wird dem nicht entsprochen, muss der Begünstigte die erhaltene Förderung zurückzahlen.
Die Bundesregierung geht davon aus, dass die Sonderabschreibung den Staat bis Ende 2022 etwa 410 Millionen Euro kosten wird. 174 Millionen Euro gehen nach der Prognose zulasten des Bundes, 154 Millionen Euro steuern die Länder bei, und den Kommunen gehen 82 Millionen Euro flöten. Im Gegenzug verspricht sich die Regierung von der Sonderabschreibung einen wesentlichen Beitrag dazu, hierzulande rasch mehr Wohnungen zu bauen. Nach ihrer Prognose könnten mit der neuen Abschreibemöglichkeit bis zu 600.000 Mietwohnungen gefördert werden.
ZIA-Steuerexperte Volckens bezweifelt, dass die steuerliche Förderung "zu großer Neubauaktivität" führt. Er kritisiert unter anderem den engen zeitlichen Rahmen für die Baugenehmigungen. "Der 1. September 2018 ist zu kurzfristig", sagt er. Zudem ändere das neue Förderinstrument nichts daran, dass wichtige Faktoren beim Wohnungsneubau weiterhin bremsen. Zum einen dauere es oft sehr lange, bis eine Baugenehmigung vorliege. Zudem seien viele Bauunternehmen am Anschlag und womöglich gar nicht in der Lage, noch mehr Wohnungen zu bauen. Und schließlich: Der Deckel von 3.000 Euro sei insbesondere für die teuren Städte, in denen es zu wenige Wohnungen gebe, zu niedrig.
Unterdessen mehren sich die Anzeichen, dass die Bundesregierung ihr selbst gestecktes Ziel von 1,5 Millionen neuen Wohnungen in der laufenden Wahlperiode weit verfehlen wird. Im vergangenen Jahr wurden laut Statistischem Bundesamt lediglich 285.900 Wohnungen fertig und damit nur 1.100 mehr als 2017. Zuletzt registrierten die Statistiker ein Minus bei der Zahl der Baugenehmigungen. Das allerdings beunruhigt Marco Wanderwitz, den Parlamentarischen Staatssekretär im Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat nicht. "Wir haben 700.000 Genehmigungsüberhänge", sagte er auf dem Tag der Immobilienwirtschaft des ZIA, zu dem vergangene Woche über 2.000 Teilnehmer aus der Immobilienbranche nach Berlin gekommen waren. Das heißt: Für 700.000 Wohnungen lägen bereits Genehmigungen vor. Sie müssten nur noch gebaut werden.
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