Altersvorsorge: Freibetrag für Betriebsrente
16.11.19 08:00 Uhr
Betriebsrentner sollen ab Anfang 2020 weniger an die Krankenkassen zahlen. Gesundheitsminister spricht von "spürbarer Entlastung"
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von Martin Reim, €uro am Sonntag
Das Spitzentreffen der Großen Koalition beherrschte in dieser Woche die innenpolitischen Schlagzeilen - vor allem der Kompromiss zur Grundrente. Weniger mediale Beachtung fand, dass sich Union und SPD bei einem weiteren wichtigen Thema geeinigt haben: Betriebsrentner sollen künftig weniger an die Krankenkassen abgeben.
Mit Zahlen von 2019 gerechnet, würden Betriebsrenten bis zu einer monatlichen Höhe von 155,75 Euro in jedem Fall von den Beiträgen befreit. Derzeit gibt es zwar eine Freigrenze in gleicher Höhe, unterhalb derer ebenfalls keine Kassenbeiträge verlangt werden. Doch sobald die Freigrenze überschritten ist, sind ab dem ersten Euro die kompletten Zahlungen fällig. Der Schwellenwert steigt 2020 auf 159,25 Euro und geht anschließend voraussichtlich weiter leicht nach oben.
Hintergrund der geplanten Reform: Sogenannte Direktversicherungen sind seit Jahrzehnten ein beliebter Weg, um an eine Betriebsrente zu kommen. Doch seit 2004 sind die heute gültigen Kassenbeiträge auf die Auszahlungen fällig - oft eine fünfstellige Summe. Aus Geldnot hatte die damalige rot-grüne Bundesregierung die Abgaben über Nacht verdoppelt, weshalb man von Doppelverbeitragung spricht.
Konkret wird der volle Kassenbeitrag in Höhe von 14,6 Prozent plus Zusatzbeitrag fällig. Den sonst üblichen Arbeitgeberanteil bei Sozialbeiträgen müssen Rentner selbst tragen. Bundessozialgericht und Bundesverfassungsgericht hatten keine Einwände erhoben. Rund acht Millionen Sparer sind tangiert - darunter auch viele zukünftige Betriebsrentner, die ihren Vertrag noch nach den alten Regeln abgeschlossen hatten.
Etliche Betroffene organisierten seit 2004 bis heute Widerstand. So fanden Ende Oktober in rund 20 Städten Demonstrationen statt.
Nun legte der zuständige Bundesgesundheitsminister Jens Spahn einen Gesetzesentwurf vor. Die Reform soll am 1. Januar 2020 greifen, falls Bundestag und Bundesrat zustimmen. Spahn: "Ein Drittel der Betriebsrentner zahlt dann gar keinen Beitrag, ein weiteres knappes Drittel zahlt maximal den halben Beitrag, und das gute Drittel mit höheren Betriebsrenten wird auch spürbar entlastet."
Laut Ministerium gehen den Krankenkassen damit jährlich 1,2 Milliarden Euro verloren, die sie komplett selbst tragen müssen - teilweise durch Entnahmen aus der sogenannten Liquiditätsreserve.
An der ebenfalls 2004 eingeführten Doppelverbeitragung bei der Pflegeversicherung soll sich nichts ändern und die Freigrenze von derzeit 155,75 Euro bleiben. Die Abgaben betragen 3,05 Prozent, bei Kinderlosen sind es zumeist 3,3 Prozent. Zur Grundrente und deren geplanter Finanzierung durch eine Finanztransaktionssteuer siehe "Berlin intern" rechts.
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