Euro am Sonntag-Meinung

Mietern den Wohnungskauf ermöglichen

16.12.18 01:00 Uhr

Mietern den Wohnungskauf ermöglichen | finanzen.net
Jacopo Mingazzini

Im kommunalen Wahlkampf ist Mieterschutz ein Topthema, auch die Große Koalition in Berlin hat ihn sich auf die Fahnen geschrieben. Doch der vermeintliche Schutz der Bewohner verhindert, dass sie selbst die Immobilien kaufen können.

von Jacopo Mingazzini, Gastautor für €uro am Sonntag

Die eigenen vier Wände wünschen sich 84 Prozent der Deutschen. Das hat vor Kurzem eine Umfrage des Magazins "Der Spiegel" ergeben. Die Wohn­eigentumsquote liegt allerdings nur bei 45 Prozent. Diese Diskrepanz muss verringert werden, und zwar nicht einfach, um den Deutschen Wünsche zu erfüllen, sondern weil dieser Wunsch auch politisch höchst sinnvoll ist - Wohn­eigentum ist sowohl ein essenzieller ­Bestandteil einer gesicherten Altersvorsorge als auch der beste Schutz vor ­hohen Mieten. Doch wie sieht eine effektive Förderung eigentlich aus?

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Das größte Problem eines privaten Haushalts ist letzten Endes das geringe Wohnungsangebot. Selbiges ist angesichts der hohen Nachfrage die Haupt­ursache für den enormen Preisanstieg seit 2010, in deren Folge sich viele Durchschnittsverdiener trotz geringer Zinsen Wohneigentum nicht leisten können. Hohe Preise sind gleichbedeutend mit einem hohen aufzutreibenden ­Eigenkapitalanteil - und stellen damit die zentrale Hürde dar, die für zahlreiche Privathaushalte nicht zu meistern ist. Eine günstige Finanzierung bringt letztlich nichts, wenn nicht genügend Eigenkapital vorhanden ist und ein Kauf dadurch gar nicht erst zustande kommt. Um die Bildung von Wohneigentum zu fördern, ist deshalb ein größeres Angebot an Eigentumswohnungen nötig.

Die Forderung nach einem verstärkten und beschleunigten Wohnungsneubau ist freilich naheliegend und auch nicht falsch. Wenn das gesamte Wohnungsangebot erhöht wird, wirkt sich das abmildernd auf den Preisanstieg insgesamt aus. Doch potenziellen Wohnungskäufern ist mit einem größeren Angebot an Neubauwohnungen nur indirekt geholfen. Denn von den fertiggestellten Neubauwohnungen in den Ballungsgebieten geht nur ein Drittel in den privaten Verkauf. Der überwiegende Teil wird nach Fertigstellung oder schon zuvor direkt von kommunalen Wohnungsgesellschaften oder institutionellen Investoren erworben. Für private Käufer bleibt wenig übrig - und das, was übrig bleibt, ist für Durchschnittsverdiener preislich in aller Regel kaum zu stemmen.
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Für die meisten privaten Käufer besonders in Ballungsgebieten kommen deshalb nur Bestandswohnungen infrage. Das Augenmerk vieler Kommunen liegt aber allein auf bezahlbaren Mietwohnungen - Wohneigentum in den Zentren wird nicht nur nicht gefördert, sondern aktiv zurückgedrängt. In den Metropolen sind die Wohn­eigentumsquoten besonders niedrig, und durch die derzeitige Politik wird sich daran auch nichts ändern. Dabei sind Eigentümer immun gerade gegen die Probleme, die viele Kommunalpolitiker beklagen und bekämpfen wollen, nämlich stark steigende Mieten und Verdrängung. Wer im Eigenheim lebt, muss sich vor diesen Gefahren nicht fürchten.

Statt Wohneigentum zu fördern, blockiert die Politik Lösungen

Daher ist Eigentum der beste Schutz vor Mietpreissprüngen. Jene Mieter, für die der Kauf der von ihnen bewohnten Wohnung infrage kommt, sollten deshalb politische Unterstützung erfahren. Die Zinsen sind noch immer auf einem historisch günstigen Niveau, und der Kauf der eigenen Mietwohnung ist für viele Privathaushalte die größte Chance auf Wohneigentum. In einigen Städten wird die Mieterprivatisierung aber ­aktiv von der Politik blockiert.

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Dass die Kommunen Mieter in Milieuschutzgebieten vor Verdrängung bewahren wollen, indem sie das verhindern, was Mieter am besten schützt, ­ergibt schlicht keinen Sinn - und steht stellvertretend für die verfehlte Wohnungspolitik in Deutschland. Will die Politik ihre eigenen Ziele nicht konterkarieren, muss sie Mieterprivatisierung erleichtern und nicht vereiteln.

Die einseitige Fokussierung auf Mieterschutz, die in der Kommunalpolitik an den Tag gelegt wird, spiegelt sich auch in der Bundespolitik wider. Die Große Koalition hat eigentlich angekündigt, die Bildung von Wohneigentum fördern zu wollen, doch ausgerechnet den größten Kostentreiber rührt sie nicht an: die Grunderwerbsteuer.

Sie ist es, die den Großteil der Kaufnebenkosten ausmacht - und nicht etwa die Maklerprovision, die erstens in der Regel zwischen Käufer und Verkäufer geteilt und zweitens oftmals gar nicht erhoben wird, weil bei Direktverkäufen von großen Wohnungsunternehmen gar kein Makler zwischengeschaltet wird. Das weiß auch die Große Koalition, doch eine Senkung der Grund­erwerbsteuer oder ein Freibetrag für Selbstnutzer wäre natürlich mit erheblichen Einnahmeeinbußen des Staats verbunden. Und das ist ein Preis, den die Politik leider immer noch scheut.

Kurzvita

Jacopo Mingazzini
Vorstand der Accentro Real Estate
Mingazzini hat Betriebswirtschaft an der Ludwig-Maximilians- Universität München ­studiert. Parallel zu seinem Berufseinstieg bei ­einem mittelständischen Wohnungsbau- und Privatisierungsunternehmen absolvierte er ­berufsbegleitend das Studium der Immobilienökonomie. 1999 gründete er die Accentro, einen führenden Dienstleister im ­Bereich der Wohnungsprivatisierung.





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Bildquellen: Peshkova / Shutterstock.com, Marco Urban/Accentro AG