Immo-Profi Tschammler: "Immobilien bleiben ein sicherer Hafen!"
Der Markt für deutsche Wohn-, Büro- und Gewerbeimmobilien wächst ungebremst. Der Deutschland-Chef des Makler-Konzerns JLL gibt einen Ausblick, wie sich die Immobilien-Branche verändern wird.
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von Stefan Rullkötter, Euro am Sonntag
Die deutsche Immobilienwirtschaft hängt an einer magischen Zahl. 400.000 Wohnungen müssten jedes Jahr gebaut werden, um den Bedarf zu decken, haben Marktforschungsinstitute ermittelt. Auch Büro- und Gewerbeobjekte sind in den Metropolregionen ein knappes und begehrtes Gut. Über alle Nutzungsarten gerechnet wird die Fläche der neu geplanten und im Bau befindlichen Immobilien auch 2017 wieder wachsen.
Der Löwenanteil der Neubauten, rund 27 Millionen Quadratmeter Gesamtfläche, wird nicht an Eigennutzer, sondern an Investoren verkauft. Diese "Trading Developments" legten schon vergangenes Jahr um 8,3 Prozent zu. Timo Tschammler (40), neuer Deutschland-Chef des Maklerkonzerns JLL, erklärt, welche Folgen diese Entwicklung für den heimischen Immobilienmarkt haben wird - und welche Lösungen die Branche für ein immer kleiner werdendes Objektangebot hat.
€uro am Sonntag: Der Ausgang der Präsidentenwahl in Frankreich hatte Auswirkung auf die Aktienmärkte. Hat er auch Folgen für Immobilienmärkte?
Timo Tschammler: Kurzfristig nicht, langfristig aber schon. Frankreich war eine Richtungswahl, die nicht nur die künftige Entwicklung der Grande Nation, sondern ganz Europas beeinflussen wird. Dass sich Emmanuel Macron wie erwartet durchgesetzt hat, ist ein Sieg für Europa und die Freiheit der Märkte - auch in der Immobilienwirtschaft.
Die Bundesbank hat Anfang Mai vor einer Immobilienblase gewarnt - Banken gingen zunehmend riskante Geschäfte ein, und die gezahlten Kaufpreise stiegen rasant. Welche Meinung haben Sie?
Es wäre fahrlässig, die Risiken etwa in der Metropolregion München im Sektor Wohnimmobilien auf bestimmten Teilmärkten in Abrede stellen zu wollen. Daraus eine flächendeckende Gefährdung für den Immobilienmarkt Deutschland abzuleiten, wäre allerdings genauso fahrlässig.
Auch der deutsche Gewerbeimmobilien-Investmentmarkt boomt derzeit. Wohin geht die aktuelle Entwicklung?
Das Transaktionsvolumen der ersten drei Monate summierte sich hier auf 12,6 Milliarden Euro. Das ist das volumenmäßig beste jemals dokumentierte Quartal zu einem Jahresauftakt und gleichbedeutend einem Plus gegenüber dem ersten Quartal 2016 von fast 60 Prozent. Wir haben in allen Sektoren des Immobilienmarktes in Deutschland einen sehr erfreulichen Start erlebt, fast durchweg mit signifikanten Zuwächsen.
Der deutsche Immobilienmarkt gilt derzeit für viele Investoren als weitgehend leergefegt. Stimmt diese Einschätzung?
Die allgemein und verstärkt in den vergangenen Monaten beklagte Produktarmut im deutschen Markt kann ich aktuell nicht mehr bestätigen. Bei allen Nutzungsarten überwiegt zwar die Nachfrage - und wahrscheinlich wäre das Transaktionsvolumen bei einem größeren Angebot noch höher ausgefallen. Verkäufer nutzen aber vermehrt die derzeit gute Marktlage, um sich von Immobilien zu trennen.
Es ist also nahezu alles verkäuflich, was aus Beton, Steinen und Glas besteht?
Nicht alle derzeit am Markt gehandelten Objekte finden auch einen Käufer. Denn Sicherheit, genaue Prüfung und solide Finanzierung sind nach wie vor Kennzeichen des deutschen Immobilienmarktes, der sich zwar seit dem Jahr 2010 in einem steten Aufwärtstrend befindet. Daraus lassen sich aber noch keine Anzeichen für eine Trendumkehr erkennen - oder gar eine Fehlentwicklung des Marktes ableiten.
Wie werden sich die Kaufpreise und Mieten für Wohnobjekte deutscher Metropolen bis 2020 entwickeln?
Ich erwarte in den sieben großen deutschen Investmentmärkten Berlin, Düsseldorf, Frankfurt, Hamburg, Köln, München und Stuttgart ein ungebrochen hohes Niveau. Aber auch mit kleineren Ausschlägen nach unten ist in den Metropolregionen zu rechnen, etwa wenn ausländische Großinvestoren die hohen Preise zu umfangreicheren Portfolioverkäufen nutzen sollten und den Erwerbern dabei einen Discount einräumen.
Welche Auswirkung haben die jetzt beginnenden Brexit-Verhandlungen für den deutschen Immobilienmarkt?
Man sollte sich nicht auf eventuelle kurzfristig positive Ausschläge, beispielsweise auf dem Bürovermietungsmarkt Frankfurt, fokussieren. Die europapolitische Niederlage und die negativen gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen des Brexits werden - auch immobilienwirtschaftlich - die Märkte noch stark belasten. Andere politische Entwicklungen in unseren Nachbarstaaten machen zudem deutlich, dass die Rolle des Immobilienmarktes in Deutschland wesentlich davon abhängt, ob es auch künftig freie Märkte in Europa geben wird.
Wie wird hierzulande das Gesamtjahr 2017 für Immobilieninvestoren laufen?
Ein bekannter Trend wird sich bestätigen: Deutschland gilt noch immer und zu Recht als sicherer Hafen für Investoren aus der ganzen Welt. Viel wird im weiteren Verlauf des Jahres aber davon abhängen, wie die Europäische Zentralbank ihre Geldpolitik ausrichtet, welche Ankündigungen sie im Hinblick auf eine sukzessive Normalisierung des Leitzinses verlautbaren lässt - und nicht, welche Störfeuer von jenseits des Atlantiks sowie von der anstehenden Bundestagswahl in Deutschland entfacht werden.
Welche Folgen hätten aus Ihrer Sicht steigende EZB-Leitzinsen für den deutschen Immobilienmarkt?
Bei einem Anstieg der Verzinsung für Staatsanleihen bleibt aus Immobiliensicht einerseits abzuwarten, ob sich institutionelle Investoren wieder vermehrt dem Anleihemarkt zuwenden. Das würde die Investmentnachfrage an den Immobilienmärkten zwar schwächen, diesen Effekt halte ich aber für verkraftbar. Denn dadurch würde etwas Druck von den Renditen vor allem von Core-Immobilien - Objekte in den Toplagen mit langfristigen und guten Mietverträgen - genommen werden.
Wäre eine Zinswende speziell für Großinvestoren ein triftiger Grund, sich von Immobilien zu verabschieden?
Damit wäre keinesfalls eine komplette Abkehr von der Assetklasse Immobilie verbunden. Zum anderen sorgen steigende Zinsen für eine Verkleinerung des Risikoabstands zu Immobilienrenditen. Dieser Effekt wird verstärkt, wenn gleichzeitig auch die Immobilienrenditen weiter sinken. Der Renditeabstand ist im Verlauf des ersten Quartals 2017 von rund 330 Basispunkten auf aktuell rund 300 Basispunkte gesunken. Das ist gleichwohl ein im historischen Vergleich nach wie vor attraktiv hoher Wert.
Große Immobiliendeals werden oft über persönliche Kontakte eingefädelt. Warum haben Sie ein Onlineportal für Gewerbeimmobilien installiert?
Bei Mietgesuchen, insbesondere im kleinen bis mittleren Segment, hat sich das Internet als wichtiger Nachfragekanal etabliert. Vergangenes Jahr verzeichneten wir bereits 52 Prozent aller Gesuche nach Büro- und Industrieimmobilien über unsere Onlinekanäle - Tendenz steigend. Zugleich nimmt die durchschnittliche Größe der vermittelten Büroflächen kontinuierlich zu und liegt aktuell bei rund 460 Quadratmetern.
Wie wandeln Onlineportale das klassische Immobilieninvestment-Geschäft?
Zwar spielen gerade im Investmentbereich weiterhin die persönlichen Kontakte und Netzwerke eine wichtige Rolle. Aber auch hier sehen wir durch die Resonanz auf unser Portal Veränderungen im Blick auf das Internet als zusätzlichen Angebots- und Nachfragekanal. Denn auch Investoren suchen zunehmend nach Gelegenheiten, passende Immobilienanlagen über das Internet zu identifizieren und so mit uns in Kontakt zu treten. Die Akzeptanz, ihre Objekte offen online zu vermarkten, steigt bei unseren Kunden zusehends. Das ist abhängig von Objektart und anzusprechender Käufergruppe.
Wen sehen Sie als Konkurrenten - ist es denkbar, dass auch Internetportale mit Fokus auf Wohnimmobilien bei Büro- und Gewerbeimmobilien Erfolg haben?
Internetportale stellen uns vor Herausforderungen, insbesondere in den Vermietungsbereichen. Da sie allerdings die Immobilie lediglich als Vehikel, nicht aber als wesentliche Geschäfts- und Dienstleistungsgrundlage nutzen, sehen wir sie nicht als Wettbewerber, weder heute noch zukünftig. Unsere Hauptkonkurrenten sind weiterhin die Unternehmen, die sich in ihrem Kerngeschäft auf Gewerbeimmobilien konzentrieren und vergleichbare Dienstleistungen wie JLL anbieten. Hierbei handelt es sich insbesondere um Unternehmen unserer Peergroup auf nationaler wie auch internationaler Ebene.
Im November 2015 hat JLL einen eigenständigen Bereich für Digital Services etabliert. Rechnet sich das für Sie?
Der digitale Wandel macht auch vor unserer Branche nicht halt. Schon 2012 haben wir die Grundlage geschaffen, die digitale Transformation unabhängig von Assetklassen und Dienstleistungen weiter voranzutreiben, was seit 18 Monaten forciert wird. Seit Jahresbeginn haben wir uns darauf konzentriert, den Einsatz digitaler Tools auf unseren Plattformen auszubauen. Zum Beispiel nutzen wir 3-D-Visualisierungen, um Eigentümerkunden bei der Planung, Flächenoptimierung und Vermarktung ihrer Objekte zu unterstützen. Zugleich sparen wir unseren Kunden durch virtuelle Besichtigungsmöglichkeiten Zeit.
Welche Geschäftsstrategie verfolgen Sie mit diesen Angeboten konkret?
Unser Fokus ist es, durch Digitalisierung Ressourcen optimal einzusetzen, Synergien zu nutzen und aus vorhandenen und neuen Daten neue Informationen und Inhalte zu schaffen, die unsere Geschäftsbereiche als Mehrwert direkt an unsere Kunden weitergeben können. Intern können wir viel stärker vernetzt arbeiten und auf die sich stetig ändernden Kundenbedürfnisse weitaus flexibler eingehen. Bei der Neukundenakquise und Kundenbindung haben wir durch unsere neue Digitalabteilung bereits außerordentlich profitiert.
Wie verändert die Digitalisierung die Immobilienbranche insgesamt?
Dass sie sich weiter verändern wird, steht außer Frage. Denn die Digitalisierung ist kein Trend, sondern ein Faktum. Die Digitalisierung findet nicht in einem technischen Paralleluniversum statt, sondern begegnet uns heute schon in allen Bereichen des privaten und beruflichen Lebens. Es wird also entscheidend sein, wie Immobilienunternehmen sich diesem Thema strategisch - und nicht technisch - widmen. Dazu müssen sie langfristig die Digitalisierung als festen Bestandteil in ihre Unternehmensstrategie integrieren.
Bedeutet das neue Geschäftsmodelle?
Der digitale Wandel hat bereits neue Marktteilnehmer beziehungsweise neue digitale Geschäftsmodelle hervorgebracht. Diese setzen die tradierten Player am Markt zusätzlich durch ihre agile Arbeitsweise unter Druck. Klassischen Vertretern der Immobilienbranche fällt diese Arbeitsmethodik schon deshalb schwer, weil ihre bestehenden Geschäftsstrukturen und -prozesse hierauf nicht ausgerichtet sind.
Wird es eine Marktbereinigung geben?
Den Trend zur Konsolidierung innerhalb der Immobilienbranche wird der digitale Wandel weiter beschleunigen. Isolierte Informationen verlieren an Wert, sodass Daten zu bündeln sind, um neue Produkte oder Dienstleistungen anbieten zu können. Dies ist nur durch Internalisierung entsprechender Technologien und mit den dafür benötigten Spezialisten denkbar.
Vita
Immobilien-Profi und Chef- Digitalisierer
Timo Tschammler,
Jahrgang 1976,
lenkt seit März 2017 das Deutschland-
Geschäft von JLL, weltweit einer der größten Immobiliendienstleister. Der studierte Betriebswirt und Immobilienökonom startete seine Karriere bereits im Alter von 20 Jahren als Berater bei Deutsche Bank
Immobilien, kam nach Stationen bei den Maklerfirmen Atisreal und DTZ im Jahr 2012 zu JLL.
Einer seiner strategischen Schwerpunkte ist die Digitalisierung sämtlicher Arbeitsprozesse rund um das Thema Immobiliendienstleistungen.
Die Aktie:
Global Player
JLL (vormals Jones Lang Lasalle) ist mit einer Marktkapitalisierung von rund fünf Milliarden US- Dollar und einem Jahresumsatz von zuletzt 6,8 Milliarden US-Dollar neben CBRE der weltweit größte Immobiliendienstleister. Geplante strategische Firmenzukäufe sorgen für Kursfantasie.
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Bildquellen: Fritz Philipp/Jones Lang LaSalle, Inc., Anyka/123rf
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03.03.2017 | Jones Lang Lasalle Overweight | Barclays Capital | |
06.10.2016 | Jones Lang Lasalle Neutral | Wedbush Morgan Securities Inc. | |
25.03.2015 | Jones Lang Lasalle Overweight | Barclays Capital |
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