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Dieselklagen: Dicke Luft vor Gericht

25.12.18 08:00 Uhr

Dieselklagen: Dicke Luft  vor Gericht | finanzen.net

Viele Dieselfahrer würden ihr Auto am liebsten zurückgeben. Chancen dafür gibt es - bei vielen auf Kredit gekauften Wagen und bei Leasingverträgen.

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von Stefan Rullkötter, Euro am Sonntag

Die Zahlen sind gigantisch. Allein in Deutschland muss Volkswagen 2,6 Millionen manipulierte Diesel nachrüsten. Inzwischen haben rund 19.000 Dieselbesitzer Schadenersatzklagen gegen den Konzern eingereicht. Den Weg über eine Musterklage beschreiten 300.000 ­Betroffene (siehe PDF unten). Ob sie entschädigt werden, bleibt ungewiss.



Über eine rechtliche Trumpfkarte verfügen dagegen Verbraucher, die den Kauf ihres Autos über Kredit oder Leasing finanziert haben. Sie können oft ­einen "Widerrufsjoker" ziehen - und so aus Finanzierungsverträgen aussteigen.

Grundlage für diese Ansprüche sind Formfehler in Krediten und Leasingverträgen. Diese führen immer häufiger dazu, dass Autokäufe rückabgewickelt werden müssen und Besitzer ihre Fahrzeuge einfach zurückgeben können. Denn immer mehr erstinstanzliche Gerichte räumen Dieselbesitzern dieses Recht ein, zuletzt das Landgericht Hamburg Ende November: Konkret ging es um einen vier Jahre alten Darlehensvertrag für einen VW Tiguan, der nach Ansicht der Richter wegen der ungenauen Widerrufsklauseln nichtig war.


Das Urteil betrifft zwar direkt nur Kunden, die ihren Wagen über die Volkswagen Bank finanziert haben. Der größte deutsche Autokonzern soll laut Marktinsidern zum Teil auch außergerichtlich kompromissbereit sein, wenn es sich um Fahrzeuge handelt, die bei den weiteren konzerneigenen Kredit­instituten Audi Bank, Seat Bank und Skoda Bank finanziert oder geleast wurden. In diesen Fällen sollen Dieselbesitzer ihre Autos nach Widerruf des Finanzierungsvertrags zu "attraktiven Konditionen" zurückgeben können.

Allerdings benötigen Betroffene meistens auch hierbei anwaltliche Unterstützung - und müssen zumindest pro forma zunächst Klage einreichen. Es reicht erfahrungsgemäß nicht aus, sich direkt an das Kreditinstitut oder an VW zu wenden. Zu diesem Sinneswandel tragen offensichtlich auch weitere Prozesse bei, die Autobanken in erster Instanz führen oder verloren haben.


Zurzeit laufen etwa 1.000 Verfahren wegen fehlerhafter Widerrufsklauseln gegen die Autobank des Konzerns. Das Landgericht Ravensburg entschied beispielsweise, dass die Volks­wagen Bank einen finanzierten Skoda zurücknehmen muss, weil der Kreditvertrag Mängel aufweist (Az. 2 O 259/17). Das Besondere an dem Fall: Der Kunde muss keine Entschädigung für den Gebrauch des Fahrzeugs zahlen.

Ähnlich urteilte zuvor auch das Landgericht Hamburg in einem anderen Verfahren. Konkret ging es in dem Fall um einen Hyundai, der bei der Bank Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe (BDK) finanziert wurde. Auch hier entschieden die Richter, dass die Bank das Auto ­zurücknehmen muss, ohne dass der Kunde eine Nutzungsentschädigung zu entrichten habe (Az. 330 O 145/18).

Restwertfalle für Leasingkunden

In der Regel erhalten Verbraucher nach einem wirksamen Widerruf von Kreditverträgen geleistete Zahlungen zurück, müssen sich aber eine Nutzungsentschädigung für den Gebrauch des Autos anrechnen lassen. Diese ist in der Regel geringer als der Wertverlust des Fahrzeugs, insbesondere dann, wenn es sich um ein Dieselvehikel handelt. Schließlich haben diese Autos - unabhängig davon, ob eine Manipulation nachweisbar ist oder nicht - in den vergangenen Jahren massiv an Wert verloren. Die Differenzen zu früheren Restwerten betragen bis zu 20 Prozent des Neuwerts oder bis zu 10.000 Euro.

Die Nutzungsentschädigung wird meist anhand einer "Kfz-Lebensleistung" von 300.000 Kilometern kalkuliert. Hat der Kunde das Fahrzeug beispielsweise 15.000 Kilometer gefahren, so muss er fünf Prozent des Neupreises selbst tragen - eine bescheidene Summe im Vergleich zum Verlust, den er beim Verkauf seines Autos erleiden würde.

Grundsätzlich kann der Widerruf einer Finanzierung auch dann interessant sein, wenn es sich um einen Benziner handelt. Denn der Widerruf eines Kreditvertrags basiert nur auf Formfehlern im Finanzierungsvertrag - unabhängig davon, welchen Motortyp das Fahrzeug hat, ob es neu oder gebraucht gekauft wurde und ob Abgasmanipulationen nachweisbar sind.

Diese Entwicklung ist Deutschlands größtem Autokonzern erwartungsgemäß ein Dorn im Auge. Die Volkswagen Bank kündigte nach dem jüngsten Urteil des Landgerichts Hamburg an, Berufung einzulegen. Man habe noch keines dieser Verfahren rechtskräftig verloren, erklärte ein Sprecher, der auch den Vorwurf der Geschäftemacherei von Juristen in den Raum stellte: Viele spielten sich als Verbraucheranwälte auf, berechneten aber auch für verlorene Fälle Gebühren. Ein derartiges ­Verhalten sei unseriös.

Volkswagen wehrt sich gerichtlich

Zieht ein Autobesitzer in der ersten Instanz erfolgreich den Widerrufsjoker, legt die Volkswagen Bank regelmäßig Gegenklage auf Erstattung des Wertverlusts ein: Dieser entstehe nicht nur aus den Folgen der gefahrenen Kilometer, sondern schon bei der Inbetriebnahme des Autos - also bereits, wenn der Kunde mit dem Wagen vom Hof fahre. Nach eigenen Angaben gewinnt die Volkswagen Bank diese Gerichtsverfahren in fast allen Fällen. Das führt im Ergebnis dazu, dass Kunden ihren Wagen zwar zurückgeben können, aber letztendlich davon finanziell nicht sonderlich profitieren. Denn dieser Wertverlust wird ihnen auch bei jedem Gebrauchtwagenverkauf berechnet.

Betroffene Finanzierungskunden sollten vor diesem Hintergrund in einem ersten Schritt genau prüfen, ob bei ihrem Autokredit- oder Leasingvertrag ein Widerruf rechtlich wirksam sein könnte - und im zweiten Schritt abwägen, ob sich eine Rückgabe des Fahrzeugs für sie unterm Strich rechnet.

Wer sich nicht einem Sammelverfahren bei Legal-Tech-Anbietern oder Verbänden anschließt, sondern auf eigene Faust prozessiert, kann zumindest sein Kostenrisiko minimieren. Kommt es zu einem Rechtsstreit mit dem Kreditins­titut oder dem Autohersteller, übernimmt in der Regel eine Rechtsschutzversicherung die Kosten. Wer nicht über eine entsprechende Absicherung verfügt, kann bei einigen Anbietern noch schnell eine Police abschließen, bevor der Widerrufsjoker gezogen wird.

Warten auf den Bundesgerichtshof

Dieselfahrer müssen zudem weiter auf ein höchstrichterliches Urteil zu möglichen Schadenersatzansprüchen im Abgasskandal warten. Denn eine für den 8. Januar 2019 angesetzte Verhandlung um finanzielle Ansprüche (Az. VIII ZR 78/18) am Bundesgerichtshof (BGH) findet nun doch nicht statt. Diese wurde abgesagt, weil der Kläger seine Revision zurückgenommen hat. Es wäre in Karlsruhe die erste Verhandlung überhaupt zu einer Dieselklage in letzter Instanz gewesen.


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