Euro am Sonntag

Achtung deutsche Sparer! Einlagenschutz in Gefahr

27.02.16 22:36 Uhr

Achtung deutsche Sparer! Einlagenschutz in Gefahr | finanzen.net

Die EU-Kommission will ein gemeinsames europäisches Sicherungssystem für Bankeinlagen. Das geht nur auf Kosten der deutschen Sparer.

von Jürgen Gros, Gastautor von Euro am Sonntag

Vertrauen ist ein wertvolles Gut. Es ist ein wesentlicher Grund dafür, dass die Sparer ihr Geld nicht unter dem Kopfkissen lagern, sondern zu ihrer Bank bringen. Sie vertrauen darauf, dass es dort sicher aufbewahrt wird. Sie vertrauen in die Stabilität des Finanzsystems.



Für die Bankkunden in Deutschland gibt es bisher keinen Grund, daran zu zweifeln. Anders gesagt: Sie können beruhigt schlafen, denn ihre Ersparnisse sind gut abgesichert. Alle Kreditinstitute unterliegen der gesetzlichen Einlagensicherung. Darüber hinaus unterhalten etwa die Volks- und Raiffeisenbanken eine freiwillige Sicherungseinrichtung zum Schutz der Spargelder. Diese sogenannte Institutssicherung funktioniert wie ein Frühwarnsystem und entfaltet ihren Schutz weit früher als eine reine Einlagensicherung. Sie verhindert damit von vornherein, dass angeschlossene Kreditinstitute in existenzielle Schwierigkeiten geraten. In den vergangenen 80 Jahren musste deshalb noch kein Kunde einer Genossenschaftsbank entschädigt werden.

Der genossenschaftliche Sparerschutz ist also intakt - ebenso wie der von den in Deutschland beheimateten Wettbewerbern. Ob das so bleibt, hängt davon ab, ob sich EU-Kommissar Jonathan Hill mit seinen im November vorgelegten Vorschlägen für ein gemeinsames europäisches Einlagensicherungssystem durchsetzen kann. Zumindest in Deutschland stößt der Brite auf heftigen Widerstand: Die Kanzlerin und ihr Finanzminister, Bundestag und Bundesrat, der Bayerische Landtag, Bundesbank, Wirtschaftsweise und zahlreiche Wissenschaftler haben sich deutlich gegen seine Pläne ausgesprochen.


Warum? Hill strebt eine Vergemeinschaftung der bestehenden nationalen Einlagensicherungssysteme an. Alle Kreditinstitute sollen bis 2024 jährlich 6,8 Milliarden Euro in einen gemeinsamen Fonds auf EU-Ebene einzahlen; die deutschen Kreditinstitute wären mit wohl mehr als zwei Milliarden Euro Europas Zahlmeister. Aus diesem Topf würden nach den Brüsseler Plänen Spareinlagen von bis zu 100.000 Euro erstattet werden, wenn irgendwo in Europa ein Geldhaus in Schieflage gerät.

Im Klartext: Deutsche Banken und Sparkassen sollen in Zukunft haften, um im Pleitefall Bankkunden in Zypern, Griechenland oder Portugal auszuzahlen. Sie sollen für Risiken einstehen, die sie nicht eingegangen sind. Das ist auch deshalb gefährlich, weil die Bilanzrisiken in Europa weit auseinanderklaffen. So beträgt beispielsweise der Anteil ausfallgefährdeter Kredite in Zypern mehr als 45 Prozent, während es in Deutschland lediglich 2,5 Prozent sind. Damit wäre programmiert, dass in Europa gesunde Banken über kurz oder lang für Verluste unsolider Banken geradestehen müssten. Die ursprünglich auf Stabilität angelegte Bankenunion verkommt vollends zur Transferunion.

Wer solide wirtschaftet, läuft
Gefahr, dafür bestraft zu werden

Zugleich würde durch eine europaweite Einlagensicherung ein grundlegendes Prinzip der sozialen Marktwirtschaft ausgehebelt: das Prinzip der Eigenverantwortung. Klappt ein risikoreiches Geschäft, profitiert einer. Geht es in die Hose, muss die Gemeinschaft haften. Das ermuntert zu einer überzogenen Risikoneigung. Wer solide wirtschaftet, läuft hingegen Gefahr, dafür bestraft zu werden. Was einem ordnungspolitischen Sündenfall gleichkommt.


Hills Plan birgt erhebliche Gefahren. Auch weil er die in Deutschland bestehenden Schutzmechanismen aushebelt. Der Fokus muss vielmehr darauf gerichtet werden, endlich die EU-Einlagensicherungsrichtlinie umzusetzen. 2014 hatten sich die EU-Gesetzgeber darin auf Standards für die nationalen Sicherungssysteme und den Aufbau von vorfinanzierten Sicherungstöpfen geeinigt. In Deutschland erfüllen die Schutzeinrichtungen der deutschen Banken und Sparkassen diese Anforderungen längst. Bislang haben aber bei Weitem nicht alle EU-Mitgliedstaaten die Richtlinie in nationales Recht übertragen, obwohl die Frist dazu Mitte 2015 abgelaufen ist. Diese Länder müssen ihren Rückstand dringend aufholen. Denn den Weg zu mehr Eigenverantwortung darf Europa keinesfalls verlassen. Eine Vergemeinschaftung darf es nicht geben. Dafür steht zu viel Vertrauen auf dem Spiel.

Kurzvita

Jürgen Gros, Vorstand des
Genossenschaftsverbands Bayern (GVB)

Gros hat Politikwissenschaft, Volkswirtschaftslehre und Deutsche Philologie studiert und 1998 promoviert. Nach verschiedenen Stationen in der Politik und Industrie arbeitet er seit 2005 beim Genossenschaftsverband Bayern e. V. Seit 2015 ist er dort Mitglied des Vorstands. Der GVB vertritt die Interessen von 1300 genossenschaftlichen Unternehmen im Freistaat mit insgesamt 2,9 Millionen Mitgliedern.

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