Erbschaftssteuer

Vorsicht Steuerfallen! Teurer Erbhof

13.07.14 15:00 Uhr

Bei jedem zehnten Erbfall kommt ausländisches Recht zur Anwendung. Gehören auch ­Ferienimmobilien zum Nachlass, drohen böse Überraschungen.

von Stefan Rullkötter, €uro Magazin

Rudolf Müller (Name von der Redaktion geändert) hatte einen schönen Lebensabend auf seinem Altersruhesitz nahe der Côte d’Azur genossen. Nach seinem Tod im Winter 2013 erbten seine beiden Söhne in Deutschland das Landhaus. Da das Anwesen 600 000 Euro wert ist, dachten sie, dass jeder seine Hälfte im Wert von 300 000 Euro steuerfrei erben kann. Denn in Deutschland gibt es für Kinder einen Freibetrag von 400 000 Euro. Der französische Fiskus verlangte trotzdem Steuern. Und die Söhne konnten nichts dagegen tun.

Die Brüder Müller sind in eine typische Steuerfalle geraten: Beim Vererben von Immobilien gilt in Frankreich - und in anderen Ländern wie der Schweiz, Spanien und den USA - das sogenannte Lagerecht: Selbst wenn Erblasser und Begünstigte deutsche Staatsbürger sind, gilt bei der Übertragung von "unbeweglichem Vermögen" das Erbschaftsteuerrecht des jeweiligen Landes.

Die beiden Erben hatten gleich doppelt Pech: Der französische Staatspräsident François Hollande hatte kurz nach seinem Amtsantritt im August 2012 die Sätze für die Erbschaftsteuer erhöht - und den Steuerfreibetrag je Kind von 150 000 auf 100 000 Euro gesenkt. Für die Brüder Müller heißt das: Als "Erben zu gleichen Teilen" müssen sie auf einen zu versteuernden Immobilienwert von jeweils 200 000 Euro an den französischen Fiskus Erbschaftsteuer zahlen.

Auch das Doppelbesteuerungsabkommen zwischen Deutschland und Frankreich, das Nachteile für grenzüberschreitende Erbschaften verhindern soll, bringt ihnen keine Linderung: Demnach wird eine in Frankreich gezahlte Erbschaftsteuer zwar auf die fällige Steuerschuld in Deutschland angerechnet. Da das Landhaus aber das wesentliche Vermögen des Erblassers war und die Abgabe hierzulande wegen höherer Erbschaftsteuerfreibeträge für die direkten Nachkommen nicht anfällt, verpufft dieser Steuerspareffekt.

Die Müllers sind kein Einzelfall: Pro Jahr haben rund 450 000 Erbschaften in der Europäischen Union "grenzüberschreitende Bezüge": In jedem zehnten Erbfall besaßen Verstorbene nicht den Pass ihres Wohnsitzlandes, hinterließen Vermögen im Ausland oder hatten Ehepartner mit anderer Staatsangehörigkeit. Verschärfend kommt hinzu, dass für Erbschaft- und Schenkungsteuer nur wenige internationale Doppelbesteuerungsabkommen existieren. "Betroffene, die doppelt zur Kasse gebeten werden, können dann beim Finanzamt lediglich beantragen, dass die im Ausland gezahlte Erbschaftsteuer zumindest angerechnet wird", moniert Steuerberater Carl Groß, Vizepräsident des Deutschen Forums für Erbrecht.

Neue Spielregeln. Auch die EU hat erkannt, dass die rechtliche Abwicklung von Nachlässen chaotische Formen annehmen kann, wenn Erblasser im Ausland wohnen oder Vermögen in anderen Ländern besitzen.

Eine neue Europäische Erbrechtsverordnung, die das Europäische Parlament bereits im März 2012 auf 28 DIN-A4-Seiten verabschiedet hat und die wie ein Gesetz wirkt, soll das Erben in Fällen mit Auslandsbezug künftig einfacher machen. Ab dem 17. August 2015 wird bei grenzüberschreitenden Erbfällen das "Wohnsitzprinzip" eingeführt. Für den gesamten Nachlass gilt dann nur noch eine Rechtsordnung. "Maßgeblich werden grundsätzlich ausschließlich die Gesetze des EU-Mitgliedsstaats sein, in dem der Erblasser zuletzt seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte", erklärt Steuerexperte Groß. Wichtig: Die Neuregelung umfasst grundsätzlich nur das Erbrecht, nicht das Erbschaftsteuerrecht.

Auch die Zuständigkeit von Nachlassgerichten und Behörden bestimmt sich künftig nach dem Wohnsitzprinzip. Wenn das Erbrecht des jeweiligen Heimatlands gelten soll, sollen Erblasser ­testamentarisch auch dieses wählen dürfen. "Wer etwa als Eigentümer einer Fe­rienimmo­bilie im Ausland deutsches Erbrecht wählt, kann auch die Zuständigkeit eines deutschen Gerichts bestimmen", erklärt Rechtsanwalt Peter Schöllhorn, Vorstand der Deutschen Schutzvereinigung Auslandsimmobilien. Testamente können schon jetzt um einen entsprechenden Passus ergänzt werden "Dann haben Ferienimmobilienbesitzer rechtliche Klarheit, sobald die Verordnung in Kraft tritt", sagt Schöllhorn.

Immobilieneigentümer, die ihre Vermögensnachfolge schon zu Lebzeiten regeln wollen, müssen zudem weitere Formalien beachten: Soll etwa eine Ferien­immobilie bei ausländischen Behörden auf Kinder umgeschrieben werden, müssen deutsche Dokumente in die jewei­lige Landessprache übersetzt werden. "Oft ist es sinnvoller, ein formgültiges Testament in Landessprache abzufassen, das auch landesspezifische Bestimmungen berücksichtigt", rät Schöllhorn. So ist ­etwa das in Deutschland übliche handschriftliche Testament in vielen Ländern ungültig, wenn nicht mindestens zwei neutrale Zeugen die Echtheit der Unterschrift des Erblassers bestätigen. Aufpassen muss man auch, dass der ausländische Fiskus nicht zweimal zuschlägt - und neben der Erbschaft- nicht auch noch Einkommensteuer anfällt. "Viele Staaten erheben eine Veräußerungsgewinnsteuer auf Wertzuwächse, die der Erblasser nach dem Kauf erzielte", warnt Experte Groß.

Ein europäischer Erbschein soll 2015 ebenfalls eingeführt werden. Er soll den Erben eines auf mehrere Länder verteilten Nachlasses Kosten und Bürokratie ­ersparen. Künftig müssen sie sich nicht mehr in jedem Land ein dort gültiges Nachlasszeugnis ausstellen lassen, sondern können sich mit einem einzigen, ­europaweit gültigen Erbschein in jedem Mitgliedsstaat als Vermögensnachfolger ausweisen - etwa bei Banken, Grundbuch- und Katasterämtern.

So eindeutig die neuen Regeln für das grenzüberschreitende Erben scheinen - Streitfälle wird es auch künftig geben. Wer etwa die Hälfte des Jahres auf einem Altersruhesitz im Ausland verbringt und keine testamentarische Regelung über das anzuwendende Recht trifft, wird den späteren Erben Streit mit den Behörden über seinen "letzten gewöhnlichen Aufenthaltsort" bescheren. Denn auf die Staatsangehörigkeit kommt es laut EU-Verordnung künftig auch bei Erbschaften nicht mehr an: Nur der Staat, in dem der Erblasser seinen "Lebensmittelpunkt" hatte, darf das entsprechende Landesrecht anwenden. "In Zweifelsfällen ist der letzte Wohnsitz ausschlaggebend", sagt Anwalt Schöllhorn.

Zweifel bleiben. Zudem ist in Nicht-EU-Staaten beim Schenken und Vererben von Fe­rien­immobilien auch in Zukunft deren internationales Privatrecht maßgeblich. Hier gilt - wie auch für die EU-Mitgliedsstaaten bis August 2015 - der Grundsatz: Jedes Land hat ­eigene Ge­setze, die festlegen, welches nationale Erbrecht bei Fällen mit Auslandsbezug anzuwenden ist.

Hatte ein Erblasser seinen letzten Aufenthaltsort in einem Nicht-EU-Staat und Vermögen in einem EU-Land, sind die Behörden des "Drittstaats" für die Regelung des Nachlasses zuständig. "Da die EU-Verordnung zugleich bestimmt, dass sich die Rechtsnachfolge nach dem Recht des Staats des letzten gewöhnlichen Aufenthalts des Erblassers richtet, muss das Nachlassgericht des EU-Staats das Recht des Drittstaats zur Anwendung bringen", erklärt Groß.

Zudem wird es beim grenzüberschreitenden Erben auch innerhalb der EU künftig nicht immer harmonisch zugehen: Dänemark, Großbritannien und Irland haben bereits angekündigt, die Vorgabe aus Brüssel nicht umzusetzen.