Der Blitzreformer

Gagfah-Chef: Markt von 1.400 Milliarden Euro

01.07.14 03:00 Uhr

Thomas Zinnöcker, der Chef des viertgrößten deutschen Wohnungskonzerns Gagfah, über Entwicklungen am Immobilienmarkt und zum Umgang mit einer Mietpreisbremse.

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von Klaus Schachinger, Euro am Sonntag

Mietermilieu in Mülheim an der Ruhr. Links von einem silbrig glänzenden Bürogebäude ein Edeka-Supermarkt, rechts eine Filiale der Stadtsparkasse. Im Hochhaus eine Praxis für Krankengymnastik. Wenig deutet auf die Zentrale eines MDAX-Konzerns hin. Thomas Zin­nöcker, Chef des viertgrößten deutschen Wohnungsunternehmens, Gagfah, hat hier im zweiten Stock sein Büro. Der wuchtige Mann mit Dreitagebart hat den Ruf von Gagfah, der Gemeinnützigen Aktien-Gesellschaft für Angestellten-Heimstätten, in Rekordzeit aufgemöbelt.

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€uro am Sonntag: Herr Zinnöcker, Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble sieht die Lage auf dem Immobilienmarkt angesichts von Minizinsen und hohen Preisen mit Sorge. Es gebe Anzeichen für Preisentwicklungen, "die gefährlich sind", sagte der Minister. ­Teilen Sie diese Befürchtungen?
Thomas Zinnöcker:
Nein. Deutschland ist als Immobilienmarkt durch das sichere Pfandbriefmodell gekennzeichnet, das es so in anderen Ländern nicht gibt. Banken refinanzieren sich über den Pfandbriefmarkt zu sehr günstigen Konditionen. Solange also die Bewertung der zugrunde liegenden Immobilien marktadäquat ist, bleibt das Risiko sehr gering. Zudem mussten die Institute nach der Finanzkrise ihre Geschäftsmodelle ändern und werden stärker überwacht. Die Risikobereitschaft ist heute deutlich geringer. Trotz des Pfandbriefmodells werden im Vergleich zu früher geringere Kreditvolumina angeboten. Das Risiko für die Entstehung einer Spekulationsblase im deutschen Immobilienmarkt ist deshalb gering.

Sind Wohnimmobilien zu teuer?
Für den Handel mit Immobilienportfolios mag das zutreffen. Dort laufen die Preise oft den Mieterhöhungen voraus. Wenn die Mieten zwei Prozent zulegen, steigen die Kaufpreise um fünf Prozent. Niedrige Zinsen befeuern Immobilienkäufe.

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Ist eine konservative Finanzierung der Immobilienfirmen ein Schutz gegen Spekulationsblasen?
Ich denke schon. Die Gagfah verfolgt inzwischen eine sehr konservative Verschuldungspolitik. Wir kommen von 65 Prozent Verschuldung im Bezug auf den Wert der Immobilien, einem Niveau, das vor vier Jahren normal war. Heute sind wir bei 62 Prozent, in den nächsten fünf Jahren streben wir 50 bis 55 Prozent an.

Bisher refinanzieren sich Immobilienkonzerne über Kredite, inzwischen werden auch Wandelanleihen platziert, die später in Aktien der Firmen getauscht werden können. Welche Trends zeichnen sich derzeit in der Refinanzierung ab?
Die Wandelanleihe ist bereits ein Standardinstrument. Neu sind jetzt Anleihen mit Bonitätsnoten von Agenturen wie Moody’s, Fitch oder Standard & Poor’s. Wenn Immobilien aus dem Bestand bei Darlehen wie bisher als Sicherheit gelten, macht das das Wohnungsunternehmen schwerfällig. Kreditwürdigkeit, die auf Basis eines Ratings berechnet wird, vereinfacht die Prozesse. Deshalb streben wir Ratings von großen Agenturen an. Nach den Refinanzierungen 2013 haben wir jetzt zwei bis drei Jahre Zeit, um alles zu prüfen. Dazu gehört auch ein Investment-Grade mit einem dafür angemessenem Rating, voraussichtlich "BBB".

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Anfang Juni stieg der US-Finanz­investor Fortress nach zehn Jahren als Großaktionär bei Gagfah aus. Ihr Unternehmen verdankt ausgerechnet dieser von deutschen Politikern als "Heuschrecken" ver­unglimpften Branche den guten Zugang zum Kapitalmarkt. Wie be­urteilen Sie Private-Equity-Firmen?
Nach meiner Erfahrung sind Finanz­investoren Transformationsmanager. Sie suchen Gelegenheiten, um aus Restrukturierungs- und Umgliederungssituationen Werte zu schöpfen. So haben sie das Wertpotenzial bei deutschen Wohnimmobilien früher als andere gesehen. Dafür haben sie ihre Kapitalmarktexpertise eingebracht. Das war in der deutschen Wohnungswirtschaft schwach ausgeprägt. Und Finanzinvestoren haben den sehr klaren Fokus auf freie Mittelzuflüsse, den Cashflow, ein­geführt. Und mit einem geringen Zugang zum Kapitalmarkt hätte die Immobilienbranche Herausforderungen wie etwa den aufgrund des demografischen Wandels notwendigen altersgerechten Umbau der Wohnungen gar nicht stemmen können. Das waren die guten Seiten.

Und die dunklen Seiten?
Finanzinvestoren haben häufig wichtige wohnungswirtschaftliche Einflussfaktoren außer Acht gelassen. Strukturelle Themen wie Mietspiegel­systeme, Förderprogramme, die Verbindung zur sozialen Marktwirtschaft mit der Verantwortung für untere und mittlere Einkommensschichten, das Thema Hartz IV. Das alles prägt den Markt in der Mieterrepublik Deutschland. Dazu gehört auch die Frage, wie viel Eigentums­quote kann man bei Mietern einer 60-Quadratmeter-Wohnung erwarten? Diese Zusammenhänge haben die Investoren unterschätzt. Schließlich holten sie sich in vielen Fällen deutsches Topmanagement. Wo diese Kombination früh funktionierte, verlief der Wandel vom unternehmensbezogenen Wohnungsverwalter zum börsennotierten Konzern sehr erfolgreich.

Stichwort Mietpreisbremse: In der Großen Koalition hält der Streit über eine politische Gesamtstrategie für mehr bezahlbares Wohnen an. Worauf stellen Sie sich ein?
Es gibt in einigen Kiezen in Großstädten, wie zum Beispiel am Prenzlauer Berg in Berlin, eine deutlich höhere Nachfrage nach Wohnraum, als ihn dieser Teilmarkt bieten kann. Das führt zu Preisreaktionen. Analytische Studien gehen davon aus, dass vier bis sechs Prozent des Wohnungsmarkts betroffen sind. Über 90 Prozent befinden sich also in einer entspannten Situation. Mit der beabsichtigten Kappung der Neuvermietungsmiete auf zehn Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete will man maßlose Erhöhungen vermeiden. Leider fehlen konkrete Vorstellungen, wie man dieses auf den richtigen Kiez und auf den richtigen Maßstab bezieht.

Warum nicht mit Mietspiegeln?
Es gibt 200 Mietspiegelsysteme. Viele Kommunen machen ihren eigenen. Mietspiegel sind politische Instrumente, die nicht den Markt widerspiegeln, sondern bestenfalls einen politischen Kompromiss über die Preisentwicklung in der Vergangenheit. Jetzt soll also ein politisches Instrument zum Maßstab für Eigen­tümerinteressen gemacht werden.

Also sind Mietpreisbremsen starke Knebel für den Markt?
Die Politik muss klare Rahmenbedingungen schaffen, die auch zum Ziel führen. Sonst wird auch die Mietpreisbremse ein politisches Instrument. Dann könnte zum Beispiel auch Gelsenkirchen sagen, wir haben Wohnungsnot. Und ich glaube nicht, dass Gelsenkirchen das auch belegen könnte. Wir versuchen da­rauf hinzuwirken, dass die Betroffenen gemeinsam schaffen, was man eigentlich erreichen will. Große Wohnungsunternehmen sind ideal geeignet, um mit Kommunen Lösungen für ganze Bezirke zu finden. Das heißt, dass man sich die Mühe machen muss, nachzuvollziehen, wie unsere Rahmenbedingung aussehen, und dass unsere Branche offen für gemeinsame Lösungen ist. In Hamburg läuft das sehr erfolgreich.

Wie funktioniert es dort?
Es gibt einen runden Tisch, an dem nicht nur Vermieter und Mietervertreter, sondern auch verschiedene Wohnungsanbieter, die Stadtentwick­lungsbehörde, Anrainer und Gewerbetreibende sitzen. So wird das Konzept entwickelt. Wenn etwa in der Innenstadt Flächen zum Bebauen fehlen, wird dann zum Beispiel die Infrastruktur ausgebaut, um andere Wohnlagen aufzuwerten.

Vier Wohnimmobilienkonzerne sind im MDAX notiert und Deutschlands größtes Unternehmen, ­Deutsche Annington, im SDAX. Was fehlt bis zur Premiere im DAX?
Im Verhältnis zum deutschen Immobilienmarkt ist das Segment börsennotierter Unternehmen klein. Von den über 23 Millionen Mietwohnungen gehören 700.000 den fünf größten, börsennotierten Unternehmen. Wenn man pro Wohnung einen Durchschnittspreis von 60.000 Euro ansetzt, ist der Markt 1.400 Milliarden Euro wert. Börsennotierte Unternehmen verwalten Wohnungen im Gesamtwert von 38 Milliarden Euro. In Europa sind 300 Milliarden Euro in börsennotierten Immo­bilienunternehmen investiert.

Was spricht für Wachstum?
Über die Hälfte der Mietwohnungen ist in der Hand sogenannter Amateure oder Kleinvermieter. Das ist ein hochgradig fragmentiertes, kleinteiliges Geschäft, das nur nebenbei betrieben wird. Wir werden die Erbenwelle sehen. Schon daraus ergeben sich große Chancen für uns und unsere Branche.

Wie viel Potenzial bleibt im ­kommunalen Sektor?
Zwei bis drei Millionen Wohnungen sind im Besitz der öffentlichen Hand. Dazu addiert sich Wohnungseigentum von Genossenschaften und in­stitutionellen Besitzern. Selbst wenn die großen, börsennotierten Unternehmen ihren Anteil verdoppeln, wäre es auf den ersten Blick ein überschaubarer Schritt. Heute liegt die Marktkapitalisierung des Sektors in Deutschland zwischen 15 und 16  Milliarden Euro, viermal höher als vor fünf Jahren. Die große Story sind aber die mehr als 300 Milliarden Euro, die während dieser Zeit in Europa in Aktien von Wohnimmobilienfirmen angelegt wurden.

zur Person:

Der Blitzreformer
Knapp ein Jahr brauchte Thomas Zinnöcker, um Gagfah mit erfolgreichen Refinanzierungen bei Anlegern zu rehabilitieren. In der Wohnimmobilienbranche ist der 53-Jährige gefragt. Anfang 2013 warb Gagfah den ­damaligen Chef des Berliner Konkurrenten GSW ab. Vor vier Jahren hatte Zinnöcker den GSW-Konzern, der inzwischen mit Deutsche Wohnen fusio­nierte, erfolgreich an die Börse geführt. Zuvor sammelte er Erfahrungen in der Geschäftsführung von Deutsche Telekom Immobilien und als Leiter des Controlling bei Deutsche Babcock. Gagfah ist bundesweit aufgestellt und verwaltet 140 000 Wohnungen an insgesamt 200 Stand­orten.

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DatumRatingAnalyst
22.01.2015Gagfah buyKepler Cheuvreux
21.01.2015Gagfah SellGoldman Sachs Group Inc.
13.01.2015Gagfah buyJoh. Berenberg, Gossler & Co. KG (Berenberg Bank)
08.01.2015Gagfah buyKepler Cheuvreux
17.12.2014Gagfah NeutralGoldman Sachs Group Inc.
DatumRatingAnalyst
22.01.2015Gagfah buyKepler Cheuvreux
13.01.2015Gagfah buyJoh. Berenberg, Gossler & Co. KG (Berenberg Bank)
08.01.2015Gagfah buyKepler Cheuvreux
04.12.2014Gagfah overweightHSBC
01.12.2014Gagfah buyJoh. Berenberg, Gossler & Co. KG (Berenberg Bank)
DatumRatingAnalyst
17.12.2014Gagfah NeutralGoldman Sachs Group Inc.
15.12.2014Gagfah HaltenBankhaus Lampe KG
03.12.2014Gagfah HaltenBankhaus Lampe KG
03.12.2014Gagfah NeutralGoldman Sachs Group Inc.
02.12.2014Gagfah NeutralGoldman Sachs Group Inc.
DatumRatingAnalyst
21.01.2015Gagfah SellGoldman Sachs Group Inc.
03.09.2012Gagfah underperformBanc of America Securities-Merrill Lynch
13.04.2012Gagfah verkaufenFuchsbriefe
20.01.2012Gagfah verkaufenFuchsbriefe
11.08.2011Gagfah underperformMacquarie Research

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