Rassismus-Debatte

Eskalation nach Politik-Verbot: Softwarestartup Basecamp verliert ein Drittel seiner Angestellten

18.06.21 23:37 Uhr

Eskalation nach Politik-Verbot: Softwarestartup Basecamp verliert ein Drittel seiner Angestellten | finanzen.net

Wegen eines Politik-Verbots hat das US-amerikanisches Startup Basecamp vor kurzem etwa ein Drittel seiner Mitarbeiter verloren. Das Meeting, das eigentlich zur Schlichtung des Streits einberufen wurde, endete im Eklat.

Völlig überraschend verkündete ein Großteil der Mitarbeiter des US-amerikanischen Web-Software-Unternehmens Basecamp vor kurzem, das Startup aus Chicago zu verlassen. Eigentlich wollte Gründer Jason Fried nur eine Politik-Debatte verbieten - das Ergebnis war ein heftiger Streit mit den Mitarbeitern und die Kündigung von mehr als einem Drittel der Mitarbeiter.

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"Beste Namen aller Zeiten" - Liste mit rassistischen Inhalten

Ursache für den ausgearteten Streit war eine Liste, die seit 2009 auf der internen Online-Plattform der Firma von den Mitarbeitern des Unternehmens geführt und laufend ergänzt wurde. Darin wurden die "besten Namen aller Zeiten" notiert - lustige Namen von Kunden der Firma, in denen witzige Wortspiele oder Anspielungen zu finden waren. Doch je größer die Firma wurde und je weiter die Liste wuchs, desto mehr Mitarbeiter waren wohl der Meinung, dass diese Liste zunehmend rassistische Tendenzen aufwies. Dies läge vor allem an dem großen Anteil an afroamerikanischen und asiatischen Namen, die Teil der Liste waren, berichtet "The Verge".

CEO verordnet Politik-Verbot in der Firma

Hitzige Debatten und Diskussionen über die Liste entflammten im Unternehmen - eine Tatsache, der Jason Fried, CEO von Basecamp, entgegenwirken wollte. In einem Blog-Beitrag sprach der Geschäftsführer daher ein offizielles Politik-Verbot für die Firma aus: "Keine gesellschaftlichen und politischen Diskussionen mehr auf unserem Basecamp-Konto", heißt es in der neuen Regelung. Weiterhin rief er seine Mitarbeiter in dem Statement dazu auf, den eigenen Fokus wieder auf die Arbeit zu lenken: "Es ist eine große Ablenkung. Es verbraucht unsere Energie und lenkt unseren Dialog auf dunkle Orte um. Es ist nicht gesund, es hat uns nicht gut gedient", schrieb er in dem Blog.

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Zoom-Meeting soll Streit schlichten

Doch was die Konzentration eigentlich zurück auf die Arbeit lenken sollte, hat in der Firma das Gegenteil bewirkt. Eine heftige Diskussion und zahlreiche Anschuldigungen waren die Folge - viele Mitarbeiter empörten sich über die Art und Weise, wie Fried und sein Mitbegründer das Politik-Verbot verkündet hatten.

So beriefen die Gründer kurzerhand ein Zoom-Meeting ein, das den Mitarbeitern des Unternehmens die Möglichkeit geben sollte, ihre Probleme und Kritikpunkte direkt mit Co-Gründer David Heinemeier und Jason Fried zu besprechen. Doch anders als es sich die beiden Geschäftsführer wahrscheinlich erhofft hatten, führte die Konferenz nicht zu einer zufriedenstellenden Lösung: Vielmehr endete das Meeting in einer großen Eskalation, bei der mehrere Mitarbeiter ihren Austritt aus dem Startup verkündeten.

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Chief Product Officer bestreitet "weiße Vormachtstellung"

Doch begann das Meeting eigentlich ganz friedlich. So entschuldigte sich CEO Fried gleich zu Beginn des Meetings bei allen Mitarbeitern dafür, dass er das Politik-Verbot und die neuen Regelungen direkt öffentlich gemacht hatte, anstatt diese zuerst den Mitarbeitern des Unternehmens mitzuteilen. Das ausgesprochene Verbot nahm er den "The Verge"-Berichten zufolge jedoch nicht zurück.

Nach ungefähr 90 Minuten meldete sich dann Ryan Singer, Chief Product Officer von Basecamp, zu Wort - die Diskussion eskalierte. Schon in der Vergangenheit hatte Singer den Berichten zufolge mit seinen konservativen Äußerungen für Unmut unter den Mitarbeitern gesorgt, unter anderem als er die Diskussion über die Namensliste als "absurd" bezeichnete. "Ich finde absolut nicht, dass wir in einer weißen Vorherrschaftskultur leben", ergänzte der Strategie-Chef dann im Freitagsmeeting. "Man wird sehr oft als Nazi bezeichnet, wenn man eine andere Meinung hat", erklärte er "The Verge" zufolge weiter.

Fried antwortet auf die Aussage seines Kollegen mit einem "Danke, Ryan" und brachte damit das Fass endgültig zum Überlaufen. Eine Welle der Entrüstung brach über die Gründer herein, auch ein dunkelhäutiger Angestellte meldete sich zu Wort: "Sie sagten, weiße Vormachtstellung gibt es nicht. Das ist eine sachliche Lüge. Das stimmt nicht", empörte sich der Mitarbeiter im Zoom-Meeting. Die Diskussion eskalierte, die Gründer versuchten zu schlichten, doch es war zu spät - die Diskussion wurde nach vielen Stunden abgebrochen.

Ein Drittel der Mitarbeiter verlässt Basecamp

Die Folge: Wenige Stunden nach dem Meeting hatten bereits 20 der 57 Mitarbeiter von Basecamp angekündigt, das Unternehmen zu verlassen - und auch Fried verkündete zum Wochenende überraschend seinen Rücktritt: "Leider kam es zu schmerzhaften Missverständnissen. Die Spannungen waren nach dem Anruf so hoch, dass ich entschied, dass es nicht haltbar ist, im Team zu bleiben. Ich habe am Wochenende meinen Rücktritt erklärt", zitiert "The Verge" den Gründer.

Pauline Breitner / Redaktion finanzen.net

Bildquellen: Postmodern Studio / Shutterstock.com