Gender Pension Gap: Darum steht Frauen im Rentenalter oft weniger Geld zur Verfügung
Es ist weitläufig bekannt, dass Frauen im Schnitt weniger verdienen als Männer - welche Auswirkungen dies und bestimmte andere Aspekte auf die Altersvorsorge haben, ist allerdings nicht so gut im kollektiven Bewusstsein verankert: Frauen erhalten im Schnitt 26 Prozent weniger Rente als Männer.
MLP, eigenen Angaben zufolge Europas größtes unabhängiges Finanzberatungshaus, hat Mitte Juni 2021 bei FOCUS Online im Rahmen des Frauenfinanzfestivals einen Workshop zum Thema Altersvorsorge für Frauen gehalten. Zentrales Thema: Der sogenannte "Gender Pension Gap". Der Begriff lehnt sich an den des Gender Pay Gap an und beschreibt die Tatsache, dass die verschiedenen Geschlechter unterschiedlich hohe Renten erhalten.
Frauen verdienen 20 Prozent weniger und erhalten 26 Prozent weniger gesetzliche Rente als Männer
So heißt es auf einer der Folien des Vortrags, der bei dem Workshop gehalten wurde: "Nach wie vor verdienen Frauen im Schnitt 20 % weniger als Männer ([unbereinigte] Gender Pay Gap). Frauen erhalten dadurch im Schnitt 26 % weniger Rente im Alter als Männer." Diese Zahl bezieht sich, wie die Mannheimer Professorin und Ökonomin Alexandra Niessen-Ruenzi gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) erklärt, allerdings lediglich auf den gesetzlichen Rentenanspruch. Niessen-Ruenzi ist eine der Autoren einer 2019 veröffentlichten Studie zur Gender Pension Gap.
Sie erklärt: "[U]nsere Ergebnisse legen nahe, dass die Familiengründung der Haupteinflussfaktor für den Unterschied bei der Rente ist, wenn auch nicht der einzige." Frauen würden zudem häufig Berufe in weniger gut bezahlten Branchen wählen, wodurch sich der Gender Pay Gap im Alter schlichtweg in die Gender Pension Gap verwandele.
Der Gender Pension Gap tut sich erst im Alter von 35 Jahren auf - Familiengründung spielt eine große Rolle
Die Wissenschaftlerin beschreibt gegenüber dem RND aber auch: "Wir haben in unserer Studie festgestellt, dass dieser Gap sich erst in einem Alter von 35 Jahren auftut. Vorher beobachten wir keine Unterschiede. Das legt nahe, dass es eher an der unterschiedlichen Erwerbstätigkeit von Männern und Frauen liegt." Dies ist ein Verweis darauf, dass viele Frauen, wenn sie Mütter werden, für einige Monate oder gar viele Jahre ihre Berufstätigkeit aussetzen und sich auf den Haushalt und die Kindererziehung konzentrieren. Viele würden auch nach der Geburt ihrer Kinder in Teilzeit arbeiten, erklärt Niessen-Ruenzi. Wenn sie deswegen ein geringeres Einkommen haben, können sie auch weniger in die Rente einzahlen. Wer zudem eine lange Pause macht, habe außerdem später oft geringere Chancen auf eine Beförderung, die eine Gehaltserhöhung mit sich gebracht hätte, wodurch sie wieder mehr in die Altersvorsorge hätten einzahlen können.
In ihrem Vortrag rechnen die beiden Expertinnen Stefanie Hirnert und Claudia Hümer von MLP vor, dass eine Frau, die nach der Geburt eines Kindes nur noch in Teilzeit arbeitet, von der Rentenversicherung monatlich 1.041 Euro zu wenig zum Leben ausgezahlt bekommt, um ihre Lebenserhaltungskosten ohne finanzielle Unterstützung durch Dritte decken zu können. Einer Frau, die nach der Geburt eines Kindes ganz aufgehört hat, zu arbeiten, fehlen MLP zufolge ganze 1.601 Euro.
Achtung: Altersarmut ist in Deutschland generell ein Problem und beschränkt sich nicht nur auf Frauen. Die von zitierten Zahlen von MLP dienen der Veranschaulichung der finanziellen Probleme, mit denen in diesem Fall betroffene Frauen konfrontiert werden.
Entgeltpunkte gleichen den Gender Pension Gap nicht aus: Alleinstehende Frauen sind Altersarmut-Risikogruppe
Entsprechend der großen Gender Pension Gap listet die Bertelsmann-Stiftung in einer Studie aus dem Jahr 2017 alleinstehende Frauen neben Langezeitarbeitslosen, Menschen mit (direktem) Migrationshintergrund, Menschen mit niedriger Bildung, Menschen in Ostdeutschland und Menschen, die aus verschiedenen Gründen nur geringe GRV-Ansprüche haben, als besondere Risikogruppe für Altersarmut auf.
Auch Entgeltpunkte, die nach dem deutschen Rentensystem für die Kindererziehung gutgeschrieben werden, seien nicht die Lösung des Problems, so Niessen-Ruezi gegenüber dem RND: "Wenn Sie ein nach 1992 geborenes Kind haben, bekommen Sie beispielsweise drei Entgeltpunkte. Aber das reicht eben noch nicht, um die 26 Prozent Gender-Pension-Gap vollständig auszugleichen." Es bestünde außerdem die Frage, inwieweit der Staat die volle Berufstätigkeit von Frauen überhaupt unterstützt - hier spielt die Wissenschaftlerin auf das steuerliche Ehegattensplitting an.
Auch in der privaten Altersvorsorge liegen Frauen zurück - können dies aber selbst beeinflussen
Die 26 Prozent Gender Pension Gap in der gesetzlichen Rentenversicherung sind etwas, woran eine einzelne Frau für sich am ehesten etwas ändern kann, indem sie dafür kämpft, gleich gut zu verdienen wie die Männer in ihrer Branche und dafür kämpft, trotz ihrer Gebärfähigkeit oder Mutterschaft befördert zu werden. Allerdings liegt der bisher genannte Prozentsatz Niessen-Ruezi zufolge deutlich niedriger als der tatsächliche Gender Pension Gap von ganzen 36 Prozent, so das RND: Frauen würden sich nicht so intensiv um eine zusätzliche private Altersvorsorge kümmern wie Männer. Auch Hirnert und Hümer drängen Frauen in ihrem Workshop dazu, sich selbst und unabhängig von ihren Lebenspartnern um eine private Altersvorsorge zu kümmern und es nicht hinzunehmen, dass ihnen im Finanzwesen häufig schlechtere Verträge angeboten werden als Männern.
Olga Rogler / Redaktion finanzen.net
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