Krankenkassen-Studie: Frauen häufiger wegen psychischer Probleme arbeitsunfähig
Jedes Jahr veröffentlicht die BARMER einen Gesundheitsreport. 2022 wurden die Daten auf Gender-Unterschiede ausgewertet. Das Ergebnis: Prävention muss gendergerechter werden.
In ihrer Pressemitteilung zum Gesundheitsreport 2022 zitiert die BARMER Krankenkasse Dr. Fabian Magerl: "Noch immer werden die Themen Gesundheit und Prävention eher bei den Frauen verortet. Ein Grund könnte sein, dass diese eher medizinische und psychische Unterstützung in Anspruch nehmen. Allerdings orientiert sich die medizinische Versorgung zumeist noch an Standardmodellen, die mit Männern mittleren Alters durchgeführt wurden. Beides sollte sich im Sinne einer guten Versorgung ändern."
BARMER fordert bessere gendergerechte Prävention
Magerl ist Landesgeschäftsführer der BARMER Sachsen und spricht damit an, dass bei Frauen Herzinfarkte in vielen Fällen nicht oder erst sehr spät erkannt werden, weil die Symptome sich oft von denen bei Männern unterscheiden. Sein Kollege Stefan Beier, Bildungsreferent für Männergesundheit in Sachsen, führt ergänzend aus: "Männer wissen meist sehr genau, was gesund ist und was nicht und handeln doch oft nicht danach. Sie erfüllen damit alte Männlichkeitsnormen und bekommen gesellschaftliche Anerkennung. Es fordert einigen Mut, stattdessen einen Weg der Selbstsorge zu gehen. Viele Herz-Kreislauferkrankungen oder Muskel-Skelett-Beschwerden könnten wir so vermeiden." Ein gendergerechteres Gesundheitssystem und bessere Aufklärung auch am Arbeitsplatz, so die Experten, sei relevant für Prävention, Diagnostik und Behandlung.
Verletzungen und Psyche größte Differenz zwischen Männern und Frauen
Die größten Differenzen zwischen Männern und Frauen - weil nur weniger als 50 Personen bei der BARMER als divers gemeldet sind, konnten zu anderen Geschlechtern keine Daten erhoben werden - wurden für den Gesundheitsreport 2022 in den Bereichen "Verletzungen" und "Psyche" verzeichnet: Während Männer rund 400 Prozent öfter wegen Handverletzungen (bis 29 Jahre) und ebenso viel öfter wegen Erkrankungen der Herzgefäße (50-64 Jahre) bei der Arbeit fehlten als Frauen derselben Altersklassen, hatten junge Frauen rund 60 Prozent mehr Fehltage wegen psychischer Probleme. Die vier häufigsten Gründe für eine Krankschreibung durch alle Altersklassen und geschlechterübergreifend waren Probleme mit dem Muskel-Skelett-System (22,3 Prozent der Fehltage), die Psyche (22,2 Prozent), Verletzungen (12,2 Prozent) und die Atmung (10,2 Prozent).
"Ein Grund [für die geschlechterspezifischen Unterschiede bei der Krankschreibung wegen der Psyche] könnte sein, dass Frauen häufiger als Männer in Berufen mit engerem Kontakt zu Menschen, beispielsweise in der Kranken- und Altenpflege sowie der Kinderbetreuung, beschäftigt sind. Sie helfen, pflegen und betreuen junge, alte oder kranke Menschen. Auch tragen Frauen in den Familien oftmals noch immer die Hauptlast bei der Kinderbetreuung. Vor allem berufstätige Frauen haben dadurch eine Doppelbelastung. Das kostet auch seelisch sehr viel Kraft", so Magerl.
Geschlechterdifferenzen nicht nur wegen Berufsfeldern
Seit 2014 ist die Zahl der Fehltage wegen der Psyche geschlechterübergreifend um 32 Prozent gestiegen - ob dies an gestiegener psychischer Belastung oder geringerer Stigmatisierung psychischer Krankheiten liegt, erläutert die BARMER nicht. Im Jahr 2021 habe der Anstieg im Vergleich zum Vorjahr 19,9 Prozent betragen, was auf die Pandemie zurückzuführen sein könnte.
"Würden Frauen ein identisches Berufsspektrum wie Männer besetzen, wäre bei ihnen etwa 50 Prozent häufiger mit längerfristigen Arbeitsunfähigkeiten aufgrund von Verletzungen zu rechnen. Frauen wären aber auch dann noch rund ein Viertel seltener als Männer von derartigen Arbeitsunfähigkeiten betroffen. Dies verdeutlicht eindrücklich den Gendereffekt." In diesem Kontext appelliert die BARMER direkt an Betriebsärztinnen und -ärzte, sich über das Thema gendergerechte Medizin zu informieren und ihre Patientinnen und Patienten individueller zu behandeln.
Redaktion finanzen.net
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