Können Arbeitgeber Corona-Impfungen vorschreiben?
Die Sars-Cov-2-Impfungen sind angelaufen, mehr und mehr Menschen wurden bereits zweimal geimpft. Einige weigern sich jedoch oder sind noch skeptisch - für alle ist interessant: Können und dürfen Arbeitgeber eine Impfung zur Pflicht machen und ungeimpfte Mitarbeiter sanktionieren?
Egal ob Pro- oder Contra-Sars-Cov-2-Impfung: Ob Arbeitgeber eine Impfung vorschreiben und ungeimpfte Angestellte sanktionieren dürfen, geht jeden etwas an - schließlich betrifft das Thema den firmeninternen Frieden. Wir haben die aktuelle Rechtslage zusammengefasst.
Paragraph 106 Gewerbeordnung: das Direktionsrecht
Laut Paragraph 106 Gewerbeordnung haben Arbeitgeber ein Direktionsrecht, manchmal auch Weisungsrecht genannt. Das bedeutet, sie können ihren Angestellten Ordnung und Verhalten am Arbeitsplatz vorschreiben. Das Direktionsrecht hat aber im Normalfall keinen höheren Stellenwert als das Grundrecht der Arbeitnehmer auf körperliche Unversehrtheit - was bedeutet, dass ein Arbeitgeber seinen Angestellten trotz der ebenfalls bestehenden Fürsorgepflicht (Verantwortung für Wohlergehen der Angestellten am Arbeitsplatz, Paragraph 618 Bundesgesetzbuch (BGB), zunächst einmal keine Sars-Cov-2-Impfung vorschreiben kann oder darf.
Impfpflicht im Arbeitsverhältnis: unangemessene Benachteiligung nach den Paragrahen 305 ff BGB
Arbeitgeber, die möchten, dass ihre Mitarbeiter gegen das Virus geimpft werden, können dies auch nicht ohne weiteres in neuen Arbeitsverträgen festlegen: Dies würde den Experten von anwalt.de zufolge einer unangemessenen Benachteiligung nach den Paragraphen 305 ff BGB entsprechen.
Auch Sanktionen für ungeimpfte Mitarbeiter in Aussicht zu stellen, sei nicht unbedingt legal - hier müssten Arbeitgeber aufpassen, nicht in den Bereich der Nötigung zu gelangen, was strafbar wäre.
Das Warten auf eine Vorgabe des Gesetzgebers
Momentan gibt es noch keine allgemeine Sars-Cov-2-Impfpflicht in Deutschland. Es wäre aber möglich, dass sie kommt: Ähnlich wie Ende des 19. Jahrhunderts eine Pflicht zur Pockenimpfung eingeführt wurde, könnte nach Paragraph 20 Absatz 6 Infektionsschutzgesetz auch für das aktuell kursierende Virus eine Impfpflicht eingeführt werden.
Bis dies allerdings geschieht oder der Gesetzgeber über die (Ungleich-)Behandlung von geimpften und ungeimpften Personen entschieden hat, gelten die oben erklärten Regeln. Entscheidet der Gesetzgeber darüber, ob Geimpfte andere Rechte haben sollen als Ungeimpfte, könnten sich allerdings auch die Regelungen für den Arbeitsplatz ändern. Stand Ende Januar 2020 gilt, dass Arbeitnehmer, die sich hätten impfen lassen können, dies aber nicht in Anspruch genommen haben, keine andere Behandlung erfahren sollen als alle anderen Arbeitnehmer. Aber: Fallen diese Arbeitnehmer etwa wegen einer Quarantäne aus und hätte dieser Ausfall durch die empfohlene Impfung verhindert werden können, erhalten sie keine Entschädigung für die Zeit des Ausfalls. Diese Regelung gilt nicht für eine dauerhafte Arbeitsunfähigkeit.
Paragraphen 23 und 23a Infektionsschutzgesetz: Sonderfall medizinische Einrichtungen
Nach den Paragrafen 23 und 23a des Infektionsschutzgesetzes sind medizinische Einrichtungen ausdrücklich dazu verpflichtet, die Weiterverbreitung von Krankheitserregern zu vermeiden. Noch ist nicht sicher, ob eine Sars-Cov-2-Impfung die Weiterverbreitung der Viren ausschließt, daher gelten für Angestellte im medizinischen Bereich bislang dieselben Regeln wie für alle anderen Arbeitnehmer. Sollte sich aber herausstellen, dass eine Impfung die Verbreitung ausschließt, müssten diese sich nach den Paragrafen 23 und 23a des Infektionsschutzgesetzes gegen das Virus impfen lassen (hier stünde dann das Direktionsrecht des Arbeitgebers über dem Grundrecht auf Unversehrtheit des Arbeitnehmers). Tun sie dies nicht und können deswegen nicht am Patienten eingesetzt werden, könnten Zahlungsausfälle auf sie zukommen, erklärt Arbeitsrechtler Gregor Thüsing gegenüber dem Deutschlandfunk.
Olga Rogler / Redaktion finanzen.net
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