Interview Exklusiv

Martin Hüfner: Noch sind wir spitze

06.09.13 14:00 Uhr

Der Chefvolkswirt Martin Hüfner von Assenagon über die Eurokrise, die Zukunft Europas und die riskante deutsche Reformmüdigkeit.

von Ralf Ferken, Euro am Sonntag

Ob Aktien, Euro oder Inflation, Martin Hüfner hat zu vielen wirtschaftlichen Themen eine pointierte Meinung. Als €uro am Sonntag den Chefvolkswirt der Assenagon-Gruppe in München zum Interview trifft, analysiert er gerade, wie hoch die US-Zinsen steigen könnten.

€uro am Sonntag: Herr Hüfner, wenn Sie schon gerade dabei sind: Wie lange wird der Trend der steigenden Zinsen in den USA Ihrer Einschätzung nach anhalten?
Martin Hüfner:
Fünf Jahre nach der Pleite von Lehman Brothers ist die Wirtschafts- und Finanzkrise in den USA vorbei. Die Konjunktur läuft wieder. Fundamental sieht es klar nach höheren Zinsen aus. Die Notenbank verabschiedet sich daher von der ultralockeren Geldpolitik. Sie wird im nächsten oder übernächsten Jahr auch die Leitzinsen erhöhen.

Was bedeutet das für zehnjährige US-Staatsanleihen?
Berücksichtigt man das reale Wachstum und die Inflation, gehören zu einer solchen Wirtschaft Renditen von 4,0 bis 4,5 Prozent. Das wird aber nicht sofort erreicht werden, sondern in zwei bis drei Jahren.

Wie hoch könnten die Renditen für zehnjährige Bundesanleihen steigen?
Unterstellt man 1,5 Prozent reales Wachstum und zwei Prozent Inflation, wären 3,5 Prozent angemessen. Wir müssen in der Eurozone aber verhindern, dass die Zinsen so schnell und stark steigen wie in den USA. Europa ist noch nicht so weit. Falls die Reformen greifen, wird Europa aber im nächsten und übernächsten Jahr ein höheres Wachstum aufweisen.

Was heißt das für den Euro?
Zunächst müsste der Dollar steigen, weil es in den USA so gut läuft und weil der Dollar nach wie vor ein sicherer Hafen ist. In den nächsten 18 Monaten erwarte ich dann aber einen stärkeren Euro, da wir in der Eurozone fundamentale Fortschritte sehen werden. Der Euro ist eben eine Währung wie jede andere, die mal stärker und mal schwächer ist. Auch die D-Mark hatte Aufs und Abs.

Ist die Eurokrise beendet?
Natürlich nicht. Aber selbst wenn die Krise zu Ende ist, wird nicht alles Friede, Freude, Eierkuchen sein. Es wird auch in Zukunft Ärger zwischen den Ländern geben. Auch zwischen Bayern und Nordrhein-Westfalen gibt es Meinungsverschiedenheiten. Im Euro wird vielleicht auch mal ein Land austreten. Aber wir werden den Euro nicht abschaffen.

Wie sehen Sie Deutschland? Stehen wir so gut da, wie wir glauben?
Schauen wir zehn Jahre zurück. Deutschland hat damals politische Reformen wie die Agenda 2010 angepackt. Auch Unternehmen wie BASF, Bayer oder VW haben sich modernisiert. Das hat zum Comeback Deutschlands geführt. Aktuell ist das in der Bundesrepublik nicht zu sehen. Aber es könnte in Europa passieren. Spanien könnte das neue Deutschland werden. Derartige Reformen wirken irgendwann.

Ruht sich Deutschland also auf alten Erfolgen aus?
Unsere Regierung tut nichts, sagt den anderen Ländern aber, was sie machen sollen. Auch bei uns gibt es Handlungsbedarf, nicht nur in der Politik. Auch bei vielen Unternehmen läuft es nicht rund. Das sieht man bei Siemens und ThyssenKrupp. Der Autoboom wird ebenfalls irgendwann enden. Noch sind wir spitze. Das wird aber nicht so bleiben, wenn wir untätig sind. Das liegt mir sehr am Herzen.

Wird Kanzlerin Angela Merkel eine Agenda 2020 ausrufen?
Sie könnte das. Aber ich sehe keine Anzeichen, dass sie es tut.

Stehen die USA in dieser Hinsicht besser da als Deutschland?
Absolut. Die Schwäche der USA ist das politische System, das sich häufig blockiert. Die Stärke sind die Menschen und die Unternehmen. Sie haben die Fähigkeit, etwas zustande zu bringen.

Was meinen Sie damit?
Die privaten Haushalte haben die Schulden gesenkt, die Banken ihr Eigenkapital erhöht, und die US-Autoindustrie ist wieder voll da. Zudem prägen die Unternehmen aus dem Silicon Valley weiterhin die digitale Wirtschaft. Das haben wir in Europa nicht zustande gebracht.

Wie können Anleger vom Comeback der USA profitieren?
Aufgrund der positiven Demografie könnten sich Anleger etwa börsennotierte Immobilien-AGs, sogenannte REITs, anschauen. Der US-amerikanische Häusermarkt lebt langfristig von den Einwanderern, die das Land auch integrieren kann.

Wie beurteilen Sie Aktien, Anleihen und Rohstoffe generell?
Anleihen bringen derzeit zu wenig Rendite. Der Rohstoffzyklus ist vorbei, da die BRIC-Länder schwächer wachsen. Bleiben Aktien als die am wenigsten schlechte Anlageklasse.

Wie investieren Sie selbst?
„Put your money where your mouth is“, sagt ein englisches Sprichwort: Lass deinen Worten Taten folgen. Ich investiere vorwiegend über Fonds in Themen, die volkswirtschaftlich begründet sind. Daneben besitze ich Anteile an unserem Mischfonds Assenagon Vermögensbildung Accretion, da meine Kollegen mehr von Einzelwerten verstehen.

Investor-Info

Assenagon VermögensB. Acc.
Bloß nichts verlieren

Beim Assenagon Vermögensbildung Accretion sticht sofort ins Auge, wie wenig der Fondskurs schwankt. Thomas Koschitzki und Kurz Szesny halten Aktien, Anleihen und Währungen — überwiegend langfristig, bisweilen auch kurzfristig. Bei Bedarf sichern sie das Portfolio mit Derivaten gegen Verluste ab.
Ihre Aufteilung der Anlageklassen in jüngster Zeit: 38 Prozent Aktien, 33 Prozent Anleihen und 29 Prozent Währungen.
Fazit: Mischfonds, der einen ruhig schlafen lässt.

iShares US Property Yield ETF
Mehr Menschen, höhere Preise

Liegt Martin Hüfner richtig, sind US-Immobilien für die kommenden Jahre eine attraktive Anlageklasse. Anleger können davon mit dem iShares US Property Yield ETF profitieren. Dieser Indexfonds enthält börsennotierte Immobilienfirmen und Real Estate Investment Trusts (REITs) aus den USA, die zwei Prozent oder mehr Dividendenrendite aufweisen. Derzeit würde der Indexfonds rund drei Prozent Dividende ausschütten.
Fazit: Die US-Häuserpreise könnten dank guter Demografiedaten steigen. Als Beimischung.