Immobilienfonds

Offen – und doch geschlossen

08.11.10 15:11 Uhr

Es ist ein Drama: Immer mehr Offene Immofonds machen dicht. Welche Fonds im Gegenzug profitieren

von Jörg Billina, Euro am Sonntag

Für Parcoursläufer sind Immobilien das Höchste. In halsbrecherischem Tempo klettern sie an Regenrinnen in schwindelnde Höhen und springen waghalsig von Dach zu Dach. Ein Wahnsinnskick, sagen die Freunde der urbanen Sportart. Doch nicht alle verfügen über die geforderten akrobatischen Fähigkeiten. Manche stufen die Gefahren falsch ein und stürzen ab.

Auch Anleger schätzen Immobilien – jedoch nicht, weil sie erhöhter Adrenalinausschüttungen bedürften. Im Gegenteil: Immobilienanleger sind in der Regel konservativ. Sie hoffen auf sichere Renditen und geringe Schwankungen. Lange Zeit erfüllten Offene Immofonds diese Erwartungen. Die Anlageklasse legte in den vergangenen 20 Jahren im Schnitt jährlich um 4,8 Prozent zu. Ein Plus wurde auch dann erzielt, als die Kurse an den Aktienmärkten – etwa wegen des Platzens der Internetblase – in den Keller gingen.

Die geringe Korrelation zur Börse gefiel deutschen Anlegern. Weit über 80 Milliarden Euro investierten sie angesichts stetig von links unten nach rechts oben ansteigender Charts. Dass Fonds Verluste einfahren, schließen oder gar ganz vom Markt verschwinden können, wurde von der Branche als rein theoretische Möglichkeit angedeutet und von Investoren daher völlig ignoriert. Spätestens seit 2008 ist jedoch klar: Offene Immobilienfonds weisen sehr wohl Risiken auf, eine Garantie auf positive Erträge gibt es nicht. Das globale Finanzbeben traf die Fonds an ihrem wunden Punkt. „Die Gesellschaften versprechen ihren Kunden die tägliche Rückgabe ihrer Anteile. „Doch die Fonds investieren in Grund­stücke und Gebäude. Die können aber nicht von heute auf morgen verkauft werden“, erklärt Martin Stürner, Chef der Fondsgesellschaft PEH. Besonders kritisch wird es, wenn viele Anleger gleichzeitig ihr Geld zurückfordern.

Nach dem Zusammenbruch von Lehman Brothers passierte genau das. Auch die Absicht des Gesetz­gebers, längere Haltefristen zu beschließen, ließ vor allem institutionelle Investoren aus den Produkten fliehen, die die Portfolios gern als kurzfristige Parkplätze nutzten. Der massive Abzug brachte etliche Fonds an ihre Liquiditätsgrenze. „Sie mussten die Notbremse ziehen und die Rückgabe stoppen“, sagt Stürner. Der Experte hatte immer wieder auf den entscheidenden Konstruktionsfehler der Offenen Immobilienfonds hingewiesen und auch einen deutlichen Wertberichtigungsbedarf der Fonds prognostiziert. Dafür wurde er von der Branche kritisiert. Doch Stürner hatte recht. Mittlerweile sind acht Fonds geschlossen, rund 20 Milliarden Euro liegen auf Eis, rund 800 000 Anleger kommen nicht an ihr Geld. Und nach dem KanAm US-Grundinvest und dem Degi Europa befindet sich nun auch der Morgan Stanley P2 Value in Auflösung. Alle drei Fonds, die an der Börse wegen drastischer Immobilien­abwertungen mit Abschlägen von bis zu 40 Prozent gehandelt werden, hätten im November die Anteilrückgabe wieder aufnehmen müssen. Doch die Fonds konnten nicht garantieren, dass die Liquidität ausgereicht hätte, um alle Rückgabewünsche zu erfüllen. Nun müssen sie in den kommenden Jahren (KanAm bis 31. März 2012, Degi Europa und P2 Value bis 30. September 2013) ihren Immobilienbestand komplett veräußern. Halbjährlich wollen die Gesellschaften die bis dahin erzielten Erlöse an die Anleger ausschütten.

Für Fondsbesitzer ist das bitter. Sollten sie das Produkt nicht sofort über die Börse verkaufen, müssen sie weiterhin auf ihr Geld warten. Zudem drohen zusätzliche Verluste. Denn die Verhandlungsposition der Auflösungsmanager ist nicht die beste. „Nachfrager kennen die Notlage der Verkäufer und werden versuchen, den Preis zu drücken“, erklärt Stürner. „Nicht auszuschließen, dass der aktuelle Wert des Immobilienportfolios noch einmal nach unten korrigiert werden muss.“Was Anleger des P2 Value vor allem empört: Die Liquidation war keinesfalls zwingend. Institutionelle Investoren wie die Allianz oder der Dachfonds DJE Real Estate hatten in den vergangenen Wochen angeboten, ihre Gelder bei Öffnung nicht ­abzuziehen. Im Gegenzug verlangten sie eine Eigenkapitaleinlage von Morgan Stanley als Zeichen ihres Willens, den Fonds verantwortungsvoll weiterzuführen.

Auch die Gründung eines Anlage­ausschusses, der ein Mitspracherecht bei Transaktionen erhalten hätte, wurde vorgeschlagen. „Es wäre möglich gewesen, die Forderungen zu erfüllen“, sagt Maik Rissel, Berater des Immobiliendachfonds DJE Real Easte. „Doch das Management war nicht bereit, sich ­kon­trollieren zu lassen, obwohl es bewiesen hatte, dass es sehr wohl einer Kontrolle bedarf“, kritisiert Rissel und nennt die Schwachstellen des P2 Value: „Die Fondsauflegung erfolgte auf dem Höhepunkt der Markt­entwicklung, es wurde zu teuer eingekauft, und auch bei der Auswahl der Projekte wurden aufgrund einer gebührengesteuerten Konzernpolitik Fehler gemacht.“

Er hat deshalb die Quote im DJE Real Estate von 6,5 auf 4,2 Prozent reduziert. Sie könnte durch die erste Ausschüttung der Zielfondsliquidität noch in diesem Jahr weiter in Richtung zwei Prozent sinken, meint Rissel. Im Gegensatz zu Stürner rechnet er jedoch nicht unbedingt mit sub­s­tanziellen Verlusten beim P2 Value: „Der Zeitraum bis September 2013 ermöglicht einen gesunden Abwicklungsprozess in steigende Märkte hinein. Immerhin halten externe Experten die Immobilienwerte heute für fair gepreist.“

Sind andere Fonds gefährdet, wird etwa auch der Degi Immobilien Global vom Markt verschwinden? „Die Konsolidierung ist im Gang, die Spreu trennt sich vom Weizen“, sagt Sonja Knorr von der Ratingagentur Scope. Noch aber haben die eingefrorenen Fonds Zeit, für ausreichend Liquidität zu sorgen und sich Klarheit über die Reaktionen der Anleger im Fall einer Öffnung zu verschaffen. Erst im Mai 2012 läuft die zweijährige Sperrfrist für den SEB Immoinvest und den CS Euroreal ab. Der Degi International und der AXA Immoselect können dagegen die Anteilscheinrücknahme nur noch bis November 2011 suspendieren. An eine Auflösung denkt Ian Gordine, Manager des AXA Immoselect, jedoch nicht. „Wir arbeiten mit Hochdruck an einem Konzept für eine nachhaltige Wiederöffnung.“ Gordine­ prüft den Verkauf von Projekten und will die Kundenbindung stärken, um mögliche Rückgaben zu minimieren. Wie hoch diese ausfallen werden, könne er bislang aber nicht sagen.

Keine Sorgen vor Schließung oder Auflösung müssen sich Anleger bei den volumenstarken Fonds von Union Investment Real Estate, Deka Immobilien, Commerz Real Investment und RREEF, dem Immobilienarm der Deutschen Bank, machen. Sie verfügen über einen leistungsstarken Vertrieb und weisen ein breit ­diversifiziertes Immobilienportfolio auf. „Die Fonds haben die Turbulenzen um die Liquiditätsengpässe gut gemeistert und trotz Marktschwäche sowie der daraus resultierenden Wertkorrekturen bei Immobilien immer noch eine positive Wert­entwicklung erzielt“, sagt Knorr.

Der Deka ImmobilienEuropa zum Beispiel verzeichnet seit dem 1. Januar 2009 ein Plus von 5,1 Prozent und weist steigende Mittelzuflüsse auf. „Die Anleger wissen zu differenzieren und erkennen unsere Qualität“, erklärt Deka-Immobilienvorstand Matthias Danne. So trennt der Fonds seit 2006 zwischen privaten und institutionellen Anlegern. Zudem fährt das Management eine sehr vorsichtige Anlagestrategie. „Wir sind nicht in erster Linie rendi­te­orientiert, sondern legen großen Wert auf Stabilität.“ Die Fondsmittel werden daher nicht um jeden Preis in neue Gebäude, sondern auch in den Bestandsschutz der bereits erworbenen investiert. Dies garantiert solide und steigende Mieteinahmen.­ Von der Tatsache, dass sich die auflösenden Fonds nun von ihren Immobilienbeständen trennen müssen, könnte der Deka ImmobilienEuropa profitieren. „Wir schauen uns die Angebote an, doch nur, wenn wir von ihrer Qualität überzeugt sind und sie in unser Portfolio passen, kaufen wir“, sagt Danne. Kein Risiko – er weiß, dass sich seine Kunden von Parcoursläufern unterscheiden.

Investor-Info

Offene Immobilienfonds Zweiteilung einer Anlageklasse Offene Immobilienfonds ermöglichen Anlegern die Teilhabe an Büro- oder Gewerbeimmobilien. Aus den von Sachverständigen ermittelten Wertsteigerungen der Objekte und den Mieteinnahmen errechnet sich die Wertentwicklung der Fonds. Lange Zeit erzielte die Anlageklasse positive Renditen. Die Finanzkrise, die damit einhergehende Schwäche der Immobilienmärkte, aber auch Managementfehler sorgten bei einer Reihe von Fonds ­jedoch für kräftige Verluste und massive Mittelabflüsse. Derzeit ist die Branche zweigeteilt. Eine Reihe von Anbietern hat die Rückgabe von Anteilscheinen ausgesetzt. Sie müssen bis zum Ablauf der Sperrfrist für ausreichende Liquidität sorgen, sonst werden auch sie aufgelöst, wie es bislang bereits mit drei Fonds geschah. Volumenstarke Fonds mit großen Banken im Rücken profitieren dagegen von der Marktbereinigung. Sie können die Kaufverhandlungen über die Bestände der sich auflösenden Fonds aus einer günstigen Position führen.

Handlungsoptionen für Anleger
Schwierige Entscheidung
Die Offenen Immobilienfonds großer Häuser bleiben für sicherheitsorientierte Anleger interessant. Investoren, die einen der derzeit eingefrorenen Fonds besitzen, stehen dagegen vor schwierigen Entscheidungen. Verkaufen sie über die Börse, fahren sie Verluste ein. Bleiben sie investiert, müssen sie bis zum Ablauf der Sperrfrist auf ihr Geld warten. Sollte es den Fonds nicht gelingen, die notwendige Liquidität zu beschaffen, ist eine Auflösung zwingend. Diese verlängert die Frist für den Rückerhalt des eingesetzten Kapitals, zudem sind weitere Abwertun­­gen des Immobilienportfolios möglich. Dies müssen auch die Anleger berücksichtigen, die in den deutlichen Abschlägen der Börsenkurse zum offiziellen Ausgabepreis der Gesellschaften eine gute Einstiegsgelegenheit sehen. Zwar sollten sich im Lauf der Zeit die Notierungen der Börse und die Preise der Fondsgesellschaften wieder annähern, Höhe und Dauer der Erholung sind aber ungewiss.

Deka ImmobilienEuropa
Chancen nutzen
Der elf Milliarden Euro schwere Deka ImmobilienEuropa (ISIN: DE0009809566) investiert schwerpunktmäßig in europäische Metropolen und kann bis zu 40 Prozent seiner Mittel in Deutschland anlegen. In den vergangenen fünf Jahren erzielte der mit FondsNote 2 beurteilte Fonds ein Plus von über 22 Prozent. Das Management hat zuletzt die aktuelle Marktschwäche in Ländern wie Spanien zum Kauf genutzt. Der Fonds könnte zudem Gebäude der sich auflösenden Offenen Immobilienfonds erwerben. An den dazu notwendigen liquiden Mitteln fehlt es nicht. Aktuell liegt die Cashquote bei 25 Prozent.

DJE Real Estate
Fonds und Aktien gut gemischt
Der von Jens Ehrhardt aufgelegte und von Marcard, Stein & Co beratene Dachfonds investiert sowohl in Offene Immobilienfonds und Immobilienaktienfonds als auch in Aktien von Immobilienunternehmen. Der DJE Real Estate sollte von einem allmählichen Ende der Turbulenzen bei den Offenen Immofonds profitieren.