Euro am Sonntag-Interview

Edouard Carmignac: Das ist unsere Kultur

19.05.14 03:00 Uhr

Der milliardenschwere Fondsmanager Edouard Carmignac äußert sich zu den Reformen in seinem Heimatland, zum US-Wirtschaftsaufschwung und zu den Erwartungen seiner Anleger.

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von Lucas Vogel, Euro am Sonntag

Der Grundstein des Erfolgs von Edouard Carmignac wurde in Krisenzeiten gelegt. Dank der Absicherung gegen große Kursverluste erzielten seine beiden Fondsflaggschiffe Patrimoine und Investissement seit Auflegung 1989 eine sehr gute langfristige Wertentwicklung. Carmignac residiert am vornehmen Place Vendôme in Paris.

€uro am Sonntag: Herr Carmi­g­nac, eine Frage zur ­Situation in Ihrem Heimatland. Frankreichs Präsident François Hollande hat seine Regierung neu aufgestellt - war das schon der Schröder-Moment Frankreichs? Schließlich hat auch in Deutschland die politische Linke mit der Agenda 2010 entscheidende Strukturreformen geschafft.
Edouard Carmignac:
Ich würde gern so optimistisch sein und diese Parallele zu Deutschland ziehen. Ich würde mir mehr Entscheidungsfreude in Frankreich wünschen. Aber ich sehe eher, dass Reformen nur kommen, weil es keine anderen Optionen mehr gibt. Aber sie werden kommen. Denn es gibt tatsächlich keine andere Möglichkeit für die Politik.

Der Markt glaubt anscheinend an Reformen in europäischen Krisenländern. Die Aktien und Anleihen von Spanien, Italien und Co sind seit Monaten im Rallymodus. Wie haben Sie sich mit den Flaggschifffonds Patrimoine und Investissement in Europa positioniert?
Wir haben vor rund zweieinhalb ­Jahren eine größere Position in europäischen Banken eingenommen. Aktuell halten wir in unseren Aktienportfolios größere Positionen an italienischen, nieder­ländischen und französischen Banken. Wir haben auch einige zyklische Werte aufgenommen, sind dort aber vorsichtig. Denn einerseits erwarten wir keinen echten Konjunkturboom in Europa, andererseits bekommen europäische Unternehmen im Bereich Maschinen- und Anlagenbau - die Hauptprofiteure einer besseren Konjunktur - immer mehr Konkurrenz aus Asien. Und man darf nicht vergessen: Wir haben immer noch große Überkapazitäten in vielen Industrien.

Europäische Banken? Keine Angst vor dem Stresstest der EZB?
Angst? Nein. Wir haben die Titel, die wir gekauft haben, sehr genau analysiert.

Es scheint, als befinde sich Japan in der entscheidenden Phase, nachdem die Gelddruckmaschine angeworfen wurde: höhere Steuern und Löhne, um die Inflation an­zuheizen. Denken Sie, dass dieses Konzept funktionieren kann?
Das Inflationsziel von zwei Prozent, das Herr Abe vorgegeben hat, ist nun in Sicht. Dies ist eine große Leistung. Aber es müssen weitere Entscheidungen getroffen werden, insbesondere in Bezug auf die Implemen­tierung von Strukturreformen, den sogenannten dritten Pfeil der "Abenomics". Ein höheres nominales Wirtschaftswachstum über eine positive Inflation ist entscheidend für die ordnungsgemäße Rückzahlung der Staatsschulden Japans.

Haben Sie von der Rally in Japan profitiert?
Wir haben schon im Dezember 2012 das Thema der Reflation Japans in unserem Aktienportfolio eingeführt und es insbesondere mithilfe von ­Investments in japanische Export- und Finanzunternehmen umgesetzt. Diese sind die direkten Profiteure des schwächeren Yen und ­höherer Inflation, die durch Abes Wirtschaftsplan ausgelöst wurden. Derzeit halten wir zehn Prozent ­unseres Portfolios in japanischen Aktien.

Für die USA rechnen Sie mit einem echten, breiten konjunkturellen Aufschwung. Warum?
Mein Optimismus stützt sich vor allem auf den Arbeitsmarkt. Die Zahl der neu geschaffenen Stellen steigt weiter. Natürlich sinkt die Arbeits­losenquote auch, weil sich viele Arbeitslose aus der Statistik verabschiedet haben. Und ich glaube, dass diese Leute wahrscheinlich auch nie wieder zurückkommen werden, leider. Qualifizierte Arbeitskräfte könnten in den USA schneller knapp werden, als das viele jetzt glauben. Dann muss die Zentralbank aufpassen, nicht hinter der Kurve zu sein, wie die Fachleute sagen, also die ­Zinsen zu spät anzuheben.

Sie erwarten steigende Löhne?
Ja, denn das Angebot an qualifizierten Arbeitskräften wird bald erschöpft sein. Damit erwarte ich auch Inflationsdruck. Und damit wiederum höhere Zinsen.

Höhere Zinsen, Einsparungen bei den Staatsausgaben und steigende Löhne - da können die Margen der US-Firmen doch von ihrem aktuell historischen Hoch fallen, oder? Also raus aus US-Aktien?
Nicht notwendigerweise. Sicher drückt das alles auf die Margen. Aber stärkeres Wachstum wird das ausgleichen. Mit Blick auf US-Aktien bin ich weiter optimistisch. Nicht zuletzt weil die USA momentan eine der wenigen Volkswirtschaften auf der Welt sind, die eine nachhaltige Erholung nach der Finanzkrise geschafft haben, die ohne fiskalische Unterstützung wachsen können. Ein weiteres Beispiel ist Deutschland.

Mit welchen Branchen setzt man am besten auf einen US-Aufschwung auf der Aktienseite?
Wir investieren im Energiesektor, wo wir wegen des billigen Frackinggases große Preisvorteile gegenüber der weltweiten Konkurrenz sehen. Daran hängen auch unsere Investments in den Chemiesektor. Außerdem haben wir auch Aktien aus dem Bereich Anlagenbau, Banken und aus dem TV-Kabelgeschäft. Es verteilt sich also auf viele Industrien.


In Ihren Fonds sind Sie derzeit ­maximal in Aktien investiert. ­Bieten sie nach fünf Jahren Hausse wirklich ein gutes Chance-Risiko-Verhältnis oder sind Anleihen angesichts der niedrigen Renditen ­einfach keine Alternative?
Sicher sind die Renditen niedrig, und die Gefahr fallender Kurse bei steigenden Zinsen in den USA ist real. Aber erstens glaube ich nicht, dass das Wachstum - selbst in den USA - so stark sein wird, dass es ein Blutbad an den Bondmärkten gibt. Und zweitens ist der Anleihemarkt nicht einheitlich. So sind mittlerweile ­einige Schwellenländeranleihen in ­Lokalwährung durchaus attraktiv. Ich glaube, dass man in diesem Marktumfeld mit einem gut strukturierten Portfolio, einer guten Auswahl an Kreditrisiken trotz steigender Zinsen einen absolut positiven Ertrag mit Anleihen erreichen kann. Das ist unser Ziel.

Ihre beiden Fonds Patrimoine und Investissements liegen auf Sicht von mittlerweile fünf Jahren hinter den jeweiligen Vergleichsindizes. Was ist schiefgelaufen?
Die vergangenen fünf Jahre waren überwiegend von einer steigenden Risikobereitschaft der Fondsmanager geprägt, die an ihren Vergleichs­indizes klebten. Riskantere Anleihen stiegen und stiegen, viele entwickelte Aktienmärkte haben sich von den Niederungen der Finanzkrise erholt, einige bewegen sich auf ihrem Allzeithoch. Wir hatten in den vergangenen Jahren entschieden, vorsichtig zu sein: Wir haben unsere Aktienpositionen einige Male gehedgt und haben daher nicht vollständig an den Marktaufschwung partizipiert. Und Ben Bernankes Ankündigung im vergangenen Frühjahr, die Fed wolle die ultralockere Geldpolitik zurückfahren, erlaubte es uns nicht, unsere Schwellenlandpositionen rechtzeitig abzubauen.

Was sagen Ihre Anleger?
Natürlich sind einige unzufrieden. Wichtig ist, das unsere Anleger verstehen, was wir als Risikomanager machen. Es gibt drei Arten von Fondsmanagern. Die erste Gruppe will nur Geld einsammeln und verkauft einen Themenfonds nach dem anderen. Die zweite Gruppe, die meisten klassischen Fondsmanager, versuchen den Index zu schlagen, ohne sich aber zu weit von ihm wegzubewegen. Und dann gibt es die dritte Gruppe der aktiven Risiko­manager, zu denen ich zum Beispiel uns und Hedgefonds zählen würde.

Was haben Sie mit Hedgefonds ­gemeinsam?
Wir wollen für den Anleger möglichst einen positiven absoluten ­Ertrag erwirtschaften. Hedgefonds machen das auch, sind aber im ­Gegensatz zu uns illiquide, intrans­parent und für viele nicht zu kaufen.

Also werden Sie den nächsten Crash wieder antizipieren und Ihre Anleger schützen?
Das ist zumindest unser Ziel. Das ist unser Ansatz, unsere Kultur, dafür steht unsere Marke. Wenn es so weit ist, können Sie ja gern wiederkommen, und wir werden sehen, wie wir dann im Verhältnis zu den Vergleichsindizes stehen.

zur Person:

Fondsmanager
und Kunstsammler

Edouard Carmignac wurde am 5. September 1947 in Paris geboren. Der Diplomatensohn wuchs in Peru auf, studierte Wirtschaftswissenschaften in Paris und an der Columbia-­Universität in den Vereinigten Staaten. Seine Karriere begann er 1972 bei der US-Investmentbank Blyth, Eastman Dillon & Co. 1989 gründete er seine ­eigene Vermögensverwaltung: Carmignac Gestion. Heute verwaltet er 53 Milliarden Euro. Carmignac hat vier Kinder, seine Tochter Maxime arbeitet im Unternehmen mit. Der Fondsmanager spielt Polo und sammelt Kunst. Im Oktober 2012 lud er die Rolling Stones zu einem Privatkonzert für sich und seine Kunden, Mit­arbeiter und Freunde ein.