Venezuela: Land mit langer Verfallsdauer
Der Staat nähert sich der Pleite, eine Lösung für die Schulden zeichnet sich nicht ab. Spekulanten kaufen dennoch die Anleihen. Für Anleger sind Schwellenländer-Rentenfonds besser geeignet.
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von Jörg Billina, €uro am Sonntag
Den drohenden Konkurs mag Venezuelas sozialistischer Staatschef Nicolás Maduro noch eine Weile verschleppen, verhindern wird er die Pleite auf Dauer aber kaum. Das ölreiche Land hat die 30-Tage-Frist zur Zahlung der im Oktober fälligen Zinsen in Höhe von 200 Millionen Dollar auf zwei Anleihen am Montag verstreichen lassen. S & P senkte daraufhin das Rating auf "Teilausfall".
Sollte es Maduro in den nächsten Tagen doch noch gelingen, Geld aufzutreiben, kann die Ratingagentur zwar die Herabstufung noch einmal zurücknehmen. Doch schon nächstes Jahr muss Caracas Zins- und Tilgungszahlungen über 5,3 Milliarden Dollar leisten. Insgesamt haben Venezuela und der staatliche Ölkonzern PDVSA am Kapitalmarkt rund 60 Milliarden Dollar aufgenommen. Hinzu kommen Verbindlichkeiten gegenüber China und Russland. Moskau ist dem Land nun zu Hilfe gekommen. Auf drei Milliarden Dollar Schulden muss Venezuela künftig deutlich weniger Zinsen zahlen als bislang vereinbart. Das bringt Zeit, ändert an den trüben Aussichten aber nur wenig.
Unter dem Strich ist das Land mit 140 Milliarden Dollar verschuldet. Die Währungsreserven der Zentralbank belaufen sich jedoch nur auf 9,6 Milliarden Dollar. Einen Plan, wie die Lasten gestemmt werden können, gibt es nicht. Eine für Anfang der Woche einberufene Gläubigerkonferenz in Caracas endete schon nach 30 Minuten. Statt einer Restrukturierungsstrategie offerierte Venezuela nur heimische Schokolade.
Verschärfung der Wirtschaftskrise
Wird Venezuela in den kommenden Wochen tatsächlich von den Bonitätswächtern für komplett zahlungsunfähig erklärt, verschärft sich die schwere Wirtschaftskrise noch einmal. Schon jetzt sind Nahrungsmittel, Treibstoff und Medikamente knapp beziehungsweise unerschwinglich. Geht das Land pleite, sind Gläubiger berechtigt, auf Vermögenswerte Venezuelas im Ausland zuzugreifen. Zudem droht eine Blockade des Ölexports. Auf die Einnahmen ist das Land jedoch dringend angewiesen, um lebensnotwendige Importe zu bezahlen. 95 Prozent der Staatseinnahmen hängen vom Ölverkauf ab. Zudem droht die Inflation weiter anzusteigen. Der Internationale Währungsfonds prognostiziert für 2018 eine Teuerungsrate von 2.300 Prozent.
Die Schuld an der Misere gibt Maduro den USA. Washington hat Wirtschaftssanktionen erlassen und unter anderem den US-Kapitalmarkt für Caracas gesperrt. Zudem erließ US-Präsident Donald Trump ein Dekret, das den Handel mit neuen venezolanischen Anleihen untersagt. Die Möglichkeiten für Venezuela mit neuen Bonds alte Schulden zu finanzieren, sind so massiv eingeschränkt. Die tieferen Ursachen für den Verfall Venezuelas sind allerdings die jahrelange Misswirtschaft und der gesunkene Ölpreis.
Ausfall könnte Regierung stärken
Trotz der enormen Risiken werden Venezuela-Anleihen derzeit rege gehandelt. Der bis 2031 laufende Bond beispielsweise wechselte Mitte der Woche zu Kursen von rund 25 Prozent des Nennwerts den Besitzer. Einige Investoren hoffen, nach erfolgreichen Restrukturierungsverhandlungen mehr herauszubekommen, als sie investiert haben, so ähnlich wie im Fall von Argentinien.
Es dürfte aber sehr lange dauern, bis sich die Gläubiger untereinander und dann mit Caracas auf eine Schuldenlösung verständigt haben - wenn es überhaupt dazu kommt. Dazu bedarf es wohl erst einmal eines politischen Wechsels in Venezuela. Doch ausgerechnet ein "Default" könnte Maduros Stellung für eine Zeit lang stärken. Denn wenn er keine Schulden bedienen muss, hat er Mittel für die Bevölkerung frei.
Die Krise in Venezuela ist kein Grund, Anleihen anderer lateinamerikanischer Staaten zu verkaufen. Argentinien, Mexiko oder Kolumbien betreiben keinen nennenswerten Handel mit Venezuela. "Im Moment rechnen wir nicht damit, dass die aktuell hohe Marktnervosität auf die anderen Anleiheemittenten der Region überschwappt", so die DZ Bank. Um das Risiko dennoch zu reduzieren, empfehlen sich Fonds. Auf Rendite müssen Anleger dabei nicht verzichten. Der Macquarie MS Bonds Emerging Markets (siehe unten) legte seit Jahresanfang um acht Prozent zu.
Investor-Info
Macquarie MS Bonds Em. Mkts.
Favorit Lateinamerika
Der Fonds investiert überwiegend in Staatsanleihen, die von Schwellenländern in Hartwährungen wie US-Dollar und Euro aufgelegt werden. Zinspapiere aus Lateinamerika sind derzeit mit 35 Prozent gewichtet, zu den Top-Positionen zählen Anleihen von Ecuador, Kolumbien und Argentinien. Die restlichen Mittel sind in asiatischen, osteuropäischen und afrikanischen Bonds investiert. Binnen zwölf Monaten legte der Fonds sieben Prozent zu, auf Sicht von fünf Jahren 20 Prozent.
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