Euro am Sonntag-Ausland

Indien-Investments: Anhaltend goldene Zeiten

15.07.17 12:00 Uhr

Indien-Investments: Anhaltend goldene Zeiten | finanzen.net

Keine andere Volkswirtschaft wächst derzeit so schnell wie die des Subkontinents. Eine ehrgeizige Steuerreform könnte dem Land einen weiteren Wachstumsschub verpassen. Ein Investment lohnt.

Werte in diesem Artikel
Fonds

78,50 USD 0,47 USD 0,01%

97,11 EUR 0,40 EUR 0,00%

Rohstoffe

2.620,03 USD 0,00 USD 0,00%

von Astrid Zehbe, Euro am Sonntag

Reformieren und digitalisieren - so lässt sich die indische Wirtschaftspolitik derzeit am besten beschreiben. Kürzlich bekam sogar die Schweiz diesen Reform­eifer zu spüren: Das Land, das dank seiner Schmelzbetriebe eine bedeuten­de Rolle im globalen Goldhandel spielt, erfreute sich plötzlich großer Beliebtheit bei indischen Edelmetallhändlern.



Exportierte die Schweiz im Januar noch 26 Tonnen Gold nach Indien, waren es drei Monate später knapp 50 Tonnen, im Mai dann fast 70 Tonnen. Gegenüber April 2016 haben sich die Goldexporte damit verdoppelt, gegenüber dem Mai des Vorjahres nahezu verdreifacht.

Der Goldrausch war keineswegs nur auf die traditionell höhere Nachfrage während der indischen Hochzeitssaison zurückzuführen: Weil sie eine drastische Erhöhung der Abgaben auf Gold fürchteten, hatten Händler das Edel­metall einfach vorauseilend in großen Mengen importiert.

Chancen und Herausforderungen

Denn seit 1. Juli gilt in Indien ein neues Mehrwertsteuersystem: Produkte und Dienstleistungen werden nun landesweit einheitlich mit der "Goods and Services Tax" (GST) besteuert und nicht mehr wie bisher mit einer Vielzahl von unterschiedlichen staatlichen und bundesstaatlichen Abgaben belastet. Die Reform ist eines der Kernstücke der Wirtschaftspolitik von Staatspräsident Narendra Modi und soll dank erhöhter Transparenz, Effizienz und Steuer­ehrlichkeit die ohnehin boomende Wirtschaft des Landes weiter stärken.

Kurzfristige Verwerfungen nimmt die Regierung dafür in Kauf. Wie schon bei der Bargeldreform vor einigen Monaten fühlen sich allerdings viele Inder von der Regierung in Delhi überrumpelt.



Modis Mehrwertsteuerpläne waren zwar bekannt, Details - etwa konkrete Steuersätze auf bestimmte Dienstleistungen und Warengruppen - wurden aber erst vor wenigen Wochen veröffentlicht. Während die Goldsteuer mit drei Prozent niedriger ausfiel als erwartet, gilt für Kinobetreiber ab sofort der Höchstsatz von 28 Prozent, was zu heftigen Protesten führte.

Modis Reform trifft die kleinen Unternehmen besonders hart. Weil die Steuer­meldung und -ermittlung künftig ausschließlich elektronisch vonstatten geht, müssen viele Unternehmer in Computertechnik investieren. Vor allem für einfache Händler und Gewerbetreibende, die bis dahin völlig ohne IT ausgekommen sind, ist das eine finanzielle Herausforderung.

Neu dürfte für einige von ihnen zudem sein, dass sie überhaupt Steuern zahlen. Viele Kleinstunternehmer sind angesichts lascher Buchhaltungsvorschriften bislang einfach durch das Steuersystem gerutscht. Mit einer konsequenten Weiterreichung der GST in der Wertschöpfungskette dürften sie - ganz ohne Steuernummer - ein Pro­blem bekommen, da nur registrierte Unternehmen die gezahlte Vorsteuer geltend machen können. Auf diese Weise sollen die Schattenwirtschaft bekämpft und gleichzeitig die Steuereinnahmen erhöht werden.

30 Millionen mehr Steuerzahler

Denn Indiens Steuerquote ist schlecht. Das Steueraufkommen gemessen an der Wirtschaftsleistung beträgt gerade einmal 16,6 Prozent. Im Durchschnitt liegt der Wert in Schwellenländern bei 21, in OECD-Staaten bei 34 Prozent. Indischen Steuerexperten zufolge könnte die Steuerquote durch die GST um vier Prozentpunkte wachsen, da mit 30 Millionen neuen Steuerzahlern zu rechnen sei. Für die öffentlichen Finanzen wären ­höhere Steuereinnahmen ein echter ­Segen: Sie ermöglichen höhere Investitionen, von denen das ganze Land profitieren dürfte.

Dazu kommen die positiven Effekte für Unternehmen. "Generell sollte sich die GST im Zeitverlauf in besseren Gewinnmargen und höherer Profitabilität der indischen Unternehmen bemerkbar machen", sagt Dhananjay Phadnis, Portfoliomanager beim Fondsanbieter Fidelity. Aus seiner Sicht sind es neben Konsumgüterherstellern mit aufwendigen Wertschöpfungsketten vor allem die ­Logistikfirmen, die von der Steuer­reform profitieren, da der Transport von Gütern im Inland beschleunigt wird.

Die Regierung schätzt, dass Firmen durch die Reform bis zu 14 Milliarden Dollar sparen können. Das setzt Mittel frei für Investitionen. Nicht umsonst wirbt Modi mit dem großen Wachstums­potenzial für seine Steuerreform.

Die Rally ist noch nicht vorbei

Dabei ist der mögliche Wachstumsschub - Ökonomen rechnen mit einem Anstieg der Wirtschaftsleistung von bis zu zwei Prozentpunkten - nur das Sahnehäubchen auf einer ohnehin boomenden Volkswirtschaft. Kein anderes Land der Erde wächst derzeit so rasant wie Indien. Seit 2013 sind es im Schnitt sieben Prozent pro Jahr. Bis 2020 soll das auch so bleiben.

Das positive Klima wirkt sich auf den Aktienmarkt aus: Der indische Leit­index Sensex hat allein seit Jahres­beginn um fast 15 Prozent zugelegt; seit Modi 2014 an der Macht ist, sind es knapp 40 Prozent. Die Rally dürfte noch nicht vorbei sein. Privatanleger aus Deutschland können am besten über Fonds an der Entwicklung des Marktes teilhaben.

Besonders gefragt waren zuletzt übrigens die Aktien von Juwelieren. Nachdem die Steuern für Gold auf drei statt auf die erwarteten fünf Prozent festgesetzt worden waren, verzeichneten die Papiere kräftige Kursgewinne.

Investor-Info

Comgest Growth India
Starke Firmenlenker

Das Fondsmanagement setzt auf hochprofitable Unternehmen, die solide Finanzen ­aufweisen. Ein weiteres Auswahlkriterium ist ein starkes Management, da dieses den Erfolg einer Firma maßgeblich beeinflusst. Werte von Versorgern sind mit knapp 18 Prozent am höchsten gewichtet, wovon allein der Strom­anbieter Power Grid fast die Hälfte ausmacht.

Fidelity India Focus
Fokus auf Konjunktur

Auch der Fidelity India Focus achtet auf ein gutes Management der Firmen, kon­zentriert sich aber gleichermaßen auf Makro­indikatoren, die bei der Einschätzung hel- fen, in welcher Phase des Konjunkturzyklus sich ein Unternehmen gerade befindet. Auf diese Weise kann gezielt ge- oder verkauft werden.

Bildquellen: Aleksandar Todorovic / Shutterstock.com, szefei / Shutterstock.com