Japanische Gewinn-Knaller: Bei welchen Aktien noch was drin ist
Dank Reformpolitik steigen Unternehmensgewinne und Profitabilität kräftig. Bei den Aktienkursen ist aber noch Luft nach oben.
von Julia Groß, Euro am Sonntag
Die enorm positive Gewinnentwicklung amerikanischer Unternehmen stand in den vergangenen Monaten oft im Fokus der Berichterstattung. Tatsächlich ist das durchschnittliche jährliche Gewinnwachstum pro Aktie im MSCI USA zwischen 2012 und 2018 um 6,2 Prozent gestiegen. Worüber kaum jemand redet: Im gleichen Zeitraum kletterte das Gewinnwachstum pro Aktie bei den Titeln im MSCI Japan um durchschnittlich 21,4 Prozent pro Jahr.
Es gibt viele solcher Zahlenbeispiele. So ist die Profitabilität japanischer Firmen (einschließlich der nicht börsennotierten) aktuell auf dem höchsten Stand seit 1954, dem Beginn der statistischen Erhebung dieser Größe (siehe Chart oben). Die Investitionen von Unternehmen waren im zweiten Quartal so hoch wie zuletzt 2006.
"Abenomics" zeigt Wirkung
Seit dem Start der Abenomics Ende 2012, jenes Programms, mit dem die Regierung unter Premier Shinzo Abe jahrzehntelange Stagnation und Deflation abschütteln will, hat sich in der Wirtschaft erstaunlich viel bewegt. Der Nikkei-Index konnte in dem Zeitraum rund 120 Prozent zulegen. Doch richtige Euphorie kam bei Investoren nie auf. Im Gegenteil: 2018 verkauften Ausländer bislang japanische Aktien im Wert von fast 35 Milliarden US-Dollar, so viel wie zuletzt in den 80er-Jahren. "Dabei bleibt das Gesamtumfeld unverändert und es sind im zweiten Halbjahr beträchtliche positive Gewinnrevisionen sowie erhöhte Rückkäufe und Dividenden zu erwarten", sagt Naoki Kamiyama, Chefstratege bei Nikko Asset Management.
Günstige Bewertungen
"Wir halten Japan aktuell für eine der interessantesten und bei Investoren völlig unterrepräsentierten Turnaround- Geschichten", bekräftigt Chantana Ward, Portfoliomanagerin des Comgest-Growth-Japan-Fonds. Denn trotz der Kursgewinne der vergangenen Jahre liegen die Bewertungen japanischer Unternehmen im Durchschnitt unter denen europäischer oder amerikanischer Firmen. Der MSCI Japan weist für 2018 ein durchschnittliches Kurs-Gewinn- Verhältnis (KGV) von etwa 13 auf, im MSCI Europe beträgt es 14,4, im MSCI USA sogar 18.
"Niedrige Bewertungen trotz steigender Margen und Eigenkapitalrenditen machen Japan zum günstigsten Developed Market, obwohl sich die Profitabilität auf westlichem Niveau bewegt", sagt Gerd Häcker, geschäftsführender Gesellschafter der Steinbeis & Häcker Vermögensverwaltung in München.
Viele japanische Konzerne verfügen über Schlüsselpositionen bei Zukunftstechnologien wie Automatisierung oder Elektromobilität, zahlreiche Firmen sind Marktführer in bestimmten Regionen oder der ganzen Welt. Zum Beispiel Nidec, ein Unternehmen, das 80 Prozent aller Spindelmotoren auf dem Weltmarkt herstellt, kleine Präzisionsantriebe, wie sie in elektrischen Zahnbürsten oder Föhns zum Haaretrocknen verbaut werden. Bei dem Antrieb für den Vibrationsalarm in Mobiltelefonen hat Nidec einen Marktanteil von 40 Prozent, der Konzern gilt als führend, was energiesparende Lösungen angeht.
Pigeon ist sowohl im Inland als auch in China einer der populärsten Hersteller von Babyflaschen, Schnullern und Milchpumpen. Start Today, der Betreiber von zwei führenden Shoppingportalen für Bekleidung, hat mit seinem hochgelobten Zozosuit, mit dem Kunden sich ausmessen und perfekt sitzende Kleidung vorschlagen lassen können, gerade in 72 Länder inklusive Deutschland expandiert. Chef des Unternehmens ist der Milliardär Yusaku Maezawa - der Mann, der 2023 mit einem Raumschiff von Tesla-Gründer Elon Musk den Mond umrunden will.
Dass Japan unter dem von US-Präsident Trump angezettelten Handelskonflikt leiden könnte, ist eine oft geäußerte Sorge von Anlegern. Der Handelsüberschuss gegenüber den USA beträgt 69 Milliarden Dollar, in der kommenden Woche trifft Ministerpräsident Abe auch deshalb erneut mit Trump zusammen. Chantana Ward von Comgest hält Befürchtungen, die exportlastige Wirtschaft könnte unter dem Zollstreit leiden, jedoch für stark übertrieben: "Meiner Meinung nach zählt Japan zu den Ländern, die am wenigsten vom Handelskonflikt betroffen sind." Der Überschuss stammt vor allem von der Automobilindustrie, die jedoch - wie alle global tätigen Autohersteller - weltweit produziere. "Würde der Zugang zum chinesischen Markt für amerikanische Unternehmen erschwert werden, könnten japanische Unternehmen sogar profitieren", glaubt Gerd Häcker.
Stabile Rahmenbedingungen
Zahlreiche Firmen exportieren zudem eher in die asiatischen Nachbarländer, nicht in die USA. Sie sind somit weitestgehend unabhängig vom Geschehen. Hier sollte der Aktienkurs deshalb vor allem von den deutlichen fundamentalen Verbesserungen getrieben werden: Die in den vergangenen Jahren eingeleiteten Rationalisierungsmaßnahmen und das Bemühen um eine transparentere Unternehmenskultur tragen jetzt Früchte, dazu kommen mehr Aktienrückkäufe und steigende Dividenden.
Diese Entwicklung übersehen Investoren häufig, da der Fortschritt auf Landesebene - insbesondere der Weg hin zu einer stärkeren Inflation - viel langsamer voranschreitet. Die Stabilität der Wirtschafts- und Finanzpolitik ist aber ein wichtiger marktunterstützender Faktor. Die Bestätigung von Shinzo Abe als Parteivorsitzender in der vergangenen Woche zeigt, dass trotz vieler Kritikpunkte an seiner Person Konsens in Sachen Abenomics herrscht und dieser Weg weiter beschritten wird.
Das bedeutet auch, dass die Aktienkurse japanischer Unternehmen weiterhin durch Aktien-ETF-Käufe der Notenbank gestützt werden - nur einer von mehreren Faktoren, die für eine günstige Angebots-Nachfrage-Situation bei japanischen Aktien sorgen. Inländische Pensionsfonds erhöhen ihre Aktienquoten, und auch japanische Privatanleger interessieren sich zusehends für die Heimatbörse, um fürs Alter vorzusorgen. Vor Stimmungsschwankungen schützt das den japanischen Aktienmarkt zwar nicht - doch angesichts der guten Ausgangslage sollten Anleger sie am besten zum Einstieg nutzen.
Investor-Info
Comgest Growth Japan
Qualität und Wachstum
Im Vergleich zu europäischen oder amerikanischen Aktien beschäftigen sich viel weniger Analysten mit japanischen Titeln. Darin sieht das Fondsmanagerteam von Comgest, das seit vielen Jahren vor Ort präsent ist, seinen großen Vorteil: Durch intensiven Kontakt mit den Unternehmen wollen die Manager exzellent geführte Wachstumsfirmen früher identifizieren als andere Investoren. Die Performance des Fonds zeigt, dass die Strategie bislang aufgeht. Comgest setzt mit einem konzentrierten, indexfernen Portfolio vor
allem auf Marktführer im Inland oder in der Region. Etwa 60 Prozent entfallen auf Titel aus den Sektoren Industrie und Konsum.
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