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Das große Bild: Die kurzfristigen Sorgen sind über-, die langfristigen Sorgen untertrieben.

09.06.16 11:05 Uhr

Das große Bild: Die kurzfristigen Sorgen sind über-, die langfristigen Sorgen untertrieben. | finanzen.net

"Der Gestaltungsspielraum der Fed ist deutlich höher als der von EZB und BOJ."

Herr Kreuzkamp, Unternehmensberater, internationale Organisationen und selbst notorisch optimistische Broker warnen angesichts geringerer Wachstumsaussichten vor ausgereizten Kapitalmärkten. Kann man das schon wieder positiv, als Kontraindikator werten, oder ist die Luft wirklich raus?

Ich teile die Ansicht, dass wir uns mittelfristig mit geringeren Wachstumsraten zufrieden geben müssen, insbesondere in den Industrienationen. Dafür sorgen unter anderem die alternden Gesellschaften sowie das rückläufige Produktivitätswachstum. Was die Kapitalmärkte angeht: Ja, die Luft wird dünner, aber zumindest die Börsen der meisten Industrieländer halte ich noch nicht für überteuert, die Bewertung Europas liegt in etwa im langfristigen Mittel. Aber natürlich hilft es nicht, dass derzeit die Gewinnschätzungen kontinuierlich nach unten revidiert werden.

Sie rechnen für 2016 mit einem globalen BIP-Wachstum von 3,2 Prozent. Das ist nur knapp über dem Wert, den man früher mit Rezession gleichsetzte. Droht uns eine solche?

Das denke ich nicht. Das Wachstum ist zwar gering, gleichzeitig dauert der Aufschwung länger. Wir befinden uns im Konjunkturherbst. Den Winter, mithin die Rezession, fürchte ich weder dieses noch nächstes Jahr. Allerdings halte ich es für möglich, dass die fehlende Wachstumsdynamik nicht nur die Anlegerstimmung, sondern auch die Investitionspläne der Unternehmen weiter trübt.

Mitte Februar war die Stimmung am Boden, der MSCI World Index verlor in wenigen Tagen 13 Prozent, die er anschließend wieder zügig aufholte. Ändern sich fundamentale Daten so schnell, dass derlei Kursschwankungen gerechtfertigt sind?

Nein, die Wahrnehmung ändert sich so schnell. Die Anhäufung negativer Entwicklungen zu Jahresbeginn - China-Schwäche, Stress am Öl- und Hochzinsmarkt, Deflationssorgen und politische Warnsignale - führte zusammen mit dem schwachen Jahresstart der Börsen zu einer Abwärtsspirale, in der die Negativszenarien die Stimmung dominierten. Gleichzeitig waren die Risikobudgets vieler Fonds früh aufgebraucht, es fehlten folglich die Käufer. Wir blieben damals im Markt, da wir die Reaktion für übertrieben hielten. Der US-Arbeitsmarkt blieb erfreulich, der europäische zumindest solide, Chinas Führung stemmte sich gegen die Abschwächung und es war kaum denkbar, dass sich der Fall der Rohstoffe in dem Tempo fortsetzt.

Die China-Sorgen sind also mit der Bekanntgabe der wieder mal erstaunlich schnell errechneten Zahlen zum ersten Quartal - 6,7 Prozent Wachstum - passé?

Nein, keinesfalls. Natürlich trugen diese Zahlen zur Beruhigung bei, ebenso wie die Tatsache, dass sich der chinesische Yuan gegenüber dem US-Dollar nicht weiter verbilligte und sich der Kapitalabfluss verlangsamte. Doch das reicht nur für eine kurz-, nicht für eine langfristige Entwarnung. Mit unserer 2016er Wachstumsprognose von 6,0 Prozent gehören wir zwar ohnehin zu den vorsichtigeren Marktteilnehmern. Aber das Wachstum ist nicht das wahre Problem, sondern wie es erzielt wird. Und zwar mithilfe einer Verschuldung, die mehr als doppelt so schnell wächst als die Wirtschaft. Ob und wann dieses Problem der chinesischen Führung entgleitet, kann keiner vorhersagen. Die Implikationen für die globalen Finanzmärkte wären gravierend und sind einer der Gründe, warum wir den Finanzsektor nicht nur in China derzeit kritisch sehen.

Als weitere Gründe für die Frühjahrsrally werden die vorsichtigere US Federal Reserve (Fed), der schwächere US-Dollar, stabilisierende Rohstoffpreise und Schwellenländer genannt. In dieser Reihenfolge fand die Erholung auch statt. Die Fed also als Ursprung aller Marktveränderungen. Engt das ihre Entscheidungsfreiheit ein?

Die Fed verfügt meiner Meinung nach über einigen Gestaltungsspielraum, in beide Richtungen. Wir erwarten nach wie vor zwei Zinsschritte bis Ende März 2017. Schaut man sich ihr (Doppel)Mandat an - nachhaltige Preisstabilität sowie hohe Beschäftigung -, wird die Fed sich dieses Jahr noch bewegen müssen. Die USA nähern sich der Vollbeschäftigung und Öl dürfte 2016 nicht mehr de- sondern eher inflationär wirken, allein schon bei fortan stabilen Preisen. Somit ist die Fed, und die Taylor-Regel bestätigt dies, sogar schon etwas spät dran. Allerdings schaut sie auch noch auf andere Faktoren, die sich direkt oder indirekt auf die Binnenwirtschaft auswirken könnten, wie man ihren Ausführungen der letzten Monate entnehmen kann. Hier nimmt sie regelmäßig Bezug auf die internationalen Finanzmärkte. Man ist sich also der disruptiven Wirkung von Zinserhöhungen und eines festeren US-Dollars vor allem auf Schwellenländer bewusst. Zudem ist davon auszugehen, dass ihr auch der jeweilige Stand und das Reaktionsmuster des US-Aktienmarktes nicht gleichgültig sind.

Welchen Spielraum haben die Europäische Zentralbank (EZB) und die Bank of Japan (BOJ)?

Einen deutlich kleineren. Beide sind ja noch nicht einmal den ersten Schritt Richtung Normalisierung gegangen, sondern setzen den Weg unkonventioneller Maßnahmen fort. Allerdings vermutlich mit noch größerem Unbehagen als noch vor einigen Monaten, da sich etwa das tiefere Eindringen in das negative Zinsterritorium als wenig zielführend erweist: Die Schwächung der Währung bleibt aus, während die Banken um ihr Geschäftsmodell bangen. Und was kann die EZB jetzt noch tun, sollte das Wachstum erneut einbrechen? Was könnte sie erst tun, sollten die Inflationserwartungen wieder abrupt steigen? Aus dieser Perspektive können wir froh sein, dass es in Europa gerade so läuft, wie es läuft: immer nur ein klein wenig besser.

Srefan Kreuzkamo, Chief Investment Officer

Börsen nervöser als Wirtschaft

Zunächst die gute Nachricht: Wir sehen nach wie vor mehr positive als negative Signale für die Weltwirtschaft. Getragen wird der Aufschwung, wie auch der starke US-Arbeitsmarkt zeigt, vom Dienstleistungssektor. Die schlechte Nachricht: Die Kapitalmärkte haben auch nicht viel anderes eingepreist. Die versöhnliche Nachricht: Für aktive Anleger bietet der Markt weiterhin auskömmliche Renditeaussichten.

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*Quelle: BVI, Stand 31. Mai 2013, inkl. DB-Produkte

**Stand: 30. Juni 2013

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