CIO View Spezial: Ölmarkt: Rückblick auf 2014 und Ausblick auf 2015
Ein unerwartet hohes Angebot und eine enttäuschende Nachfrage drückten den Ölpreis. Dazu schockierte die neue Strategieder OPEC.
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Kurzfristig kann der Ölpreis unter das Niveau der Grenzkosten fallen, langfristig auf das der Vollkosten steigen. Wo die Kosten liegen und wie sich der Schieferölsektor verhalten wird, ist jedoch schwer einschätzbar.
Zweistufiger Preissturz: Erst zog es ihn, dann sank er hin
Der Ölpreis hat sich binnen eines halben Jahres halbiert - kann so etwas mit nur einem Faktor erklärt werden? Wir bezweifeln dies. Teilen wir diesen Preissturz in zwei Phasen: Von Mitte Juni, als WTI bei 107 USD/b sein Jahreshoch erreicht hatte, bis zum OPEC- Treffen am 27. November sank der Preis um 33 US-Dollar und damit um 30 %. Seitdem ist er in der Spitze um weitere rund 40 % gefallen, was wiederum 30 US-Dollar entspricht. Warum ist das wichtig? Um sich klarzumachen, wie stark der Preis bereits vor dem vielzitierten OPEC-Treffen korrigierte, der Markt sich also bereits damals um das Nachfrage- Angebots-Gleichgewicht sorgte. Und um sich die fortbestehende Marktmacht der OPEC vor Augen zu führen. Die Enttäuschung über ihre Passivität verschärfte die Dynamik des Abschwungs: In nur 12 Tagen sank der Preis für WTI von 73 auf 55,9 USD/b, während der vorige Rutsch 115 Tage benötigte. Zudem verloren am Tag nach der OPEC-Entscheidung einige der kleineren US-Schiefer ölproduzenten fast ein Drittel ihres Marktwertes und selbst ein Schwergewicht wie Halliburton gab fast 11 % ab.
Vergangenes verstehen, um die Zukunft zu deuten
Im Folgenden beleuchten wir die einzelnen Faktoren, die unserer Meinung nach zum Preisrückgang geführt haben und die somit auch für die Preisfindung im laufenden Jahr eine Rolle spielen sollten. Der Gefahren, durch Extrapolation vergangener Daten bei der Preisprognose falschen Fährten aufzusitzen, muss man sich dabei bewusst sein. Wie kein anderer unterliegt der Ölmarkt systemischen Brüchen und unberechenbaren Einflussgrößen wie etwa der Wirtschafts-, Umwelt- und Außenpolitik, territorialen Krisen, Innovationen oder Ungleichgewichten auf den Kapitalmärkten.
Ein eigenes Bild ist wichtig, da das der Experten oft schief ist
Warum angesichts der Komplexität des Ölmarkts nicht besser die Prognosen jener Institutionen übernehmen, die sich schwerpunktmäßig damit befassen? Weil man dann ebenfalls ihren Fehleinschätzungen aufsitzen würde. Noch im Juli prognostizierte die EIA in ihrem kurzfristigen Marktausblick für 2015 einen durchschnittlichen Preis für das Fass WTI von 95 US-Dollar. In ihrem Dezember-Ausblick konstatierte sie: "Die jüngsten Einbrüche beim Ölpreis und die damit einhergehende Ölpreisvolatilität haben ein außerordentlich unsicheres Umfeld für Prognosen geschaffen".¹ Auch die OPEC hatte sich im Sommer nicht veranlasst gesehen, von ihrer positiven Sichtweise für 2014 und 2015 abzuweichen.
Wesentliche Einflussfaktoren
OPEC: vom Klassensprecher zum Enfant terrible
Mit der Entscheidung, ihre Förderquote unverändert bei 30 Mio. b/d zu belassen, hat die Organisation erdölexportierender Länder für einen Kursrutsch beim Ölpreis sowie bei Aktien und Anleihen von Ölfirmen gesorgt. Seitdem wird diskutiert, ob dies ein Eingeständnis ihrer eigenen Schwäche angesichts eines gesunkenen globalen Marktanteils ist oder ob die OPEC bewusst niedrigere Preise in Kauf nimmt, um teurere Förderkapazitäten aus dem Markt zu drängen. Um sich ein eigenes Bild der nie voll durchschaubaren Strategie des Kartells machen zu können, sollte man einige Punkte im Hinterkopf behalten:
- Das Kartell hat Probleme, die selbst gesetzten Förderquoten durchzusetzen. So
sollen statt der 2011 vereinbarten 30 Mio. b/d regelmäßig 0,5 bis 1 Mio. b/d mehr
gefördert worden sein. Dass sie ihren eigenen Mitgliedern nicht traut, zeigt sich in
den Monatsberichten der OPEC, in denen sie sich zur Erfassung der Fördermengen
neben den direkten Meldungen ihrer Mitglieder auch auf dritte Quellen stützt. Die
Daten weichen teilweise stark voneinander ab.
- Die OPEC ist in jeder Hinsicht eine heterogene Gruppe mit unterschiedlichen
politischen Systemen, Produktionskosten und Haushaltssituationen. Einzelne
Mitglieder, Saudi-Arabien und der Iran etwa, haben untereinander gespannte
Verhältnisse.
- Das nächste reguläre OPEC-Treffen findet im Juni 2015 statt - da könnte die Organisation schon wieder eine Kehrtwende machen.
- Das dominierende OPEC-Mitglied Saudi-Arabien bleibt der handlungsfähigste
Produzent. Es kann umgehend die Produktion zurückfahren oder sie mittels seiner
ungenutzten Kapazitäten um 2 Mio. b/d erhöhen.
- Ein Grunddilemma der OPEC bleibt, dass ein durch zu starke Produktionskürzungen
erhöhter Preis es für andere Produzenten attraktiver macht, in den Markt zu drängen.
- Die Aussage des Energieministers der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) Suhail Al-Mazrouei, wonach die OPEC auch bei Preisen unter 40 USD/b die Produktion
nicht kürzen würde,¹ wirkt noch harmlos gegenüber der Suada des saudischen
Öl-Ministers Ali al-Naimi vom 22.12.2014: Selbst Preise unter 20 USD/b würden zu
keiner Produktionskürzung führen, man wolle auf jeden Fall seinen Marktanteil
gegenüber russischem, nordamerikanischem oder brasilianischem Öl schützen.²
- Die EIA schätzt, dass der Marktanteil der OPEC ab etwa 2025 wieder steigen
wird, bis 2040 auf rund 50
%. Abschreiben darf man sie daher ohnehin nicht.
- Nicht auszuschließen ist, dass die OPEC das kurzfristig durch das Schieferöl verursachte Überangebot als Chance sieht, über einen Preiskampf die mittelfristig
bedeutenderen Konkurrenten - Tiefseeöl und kanadisches Sandöl - unattraktiv zu
machen und China den Aufbau einer Schieferölindustrie zu verleiden.
Das Öl, die Kapitalmärkte, die Erwartungen und die Realwirtschaft
Auch wenn der Ölmarkt letztlich auf dem Ausgleich von physischem Angebot und Nachfrage beruht, ist Öl auch ein Anlageinstrument und damit den Kräften des Kapitalmarktes ausgesetzt. So wird auf dem Terminmarkt mehr als viermal so viel umgesetzt wie auf dem physischen Ölmarkt. Darüber hinaus haben Kapitalmarktentwicklungen auch Auswirkungen auf die Erwartungshaltung der Angebots- und Nachfrageseite.
Lesen Sie hier weiter im CIO View Spezial Februar 2015
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*Quelle: BVI, Stand 31. Mai 2013, inkl. DB-Produkte
**Stand: 30. Juni 2013
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