Faktor-ETFs: Klüger als der Index erlaubt
Der neueste Schrei in der ETF-Branche sind Faktor-ETFs. €uro untersucht, was dahinter steckt und wie gut die jeweiligen Indexfonds sind.
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von Ralf Ferken, Euro Magazin
Den Index kann auf Dauer niemand schlagen. So lautet das Mantra der ETF-Branche. Auch immer mehr Anleger freunden sich mit diesem Gedanken an und kaufen lieber kostengünstige Indexfonds als hochpreisige Fonds, bei denen ein Fondsmanager die Entscheidungen trifft. Nun scheint es aber so, als würden die ETF-Anbieter sich mit neuartigen Indizes selbst widerlegen. Die Schlagworte der Stunde heißen hier "Smart Beta" oder "Factor Investing".
Um diesen neuen Trend zu verstehen, muss man zunächst die Bauweise eines "klassischen" Index begreifen. Diese ist vom Grundsatz her meist ganz einfach: je wertvoller eine Aktie, desto höher ihr Anteil im Index. Wer zum Beispiel alle Bayer-Aktien kaufen wollte, müsste heute rund 100 Milliarden Euro aufbringen. So hoch ist der Börsenwert beziehungsweise die Marktkapitalisierung des Unternehmens. Bei Lufthansa wären nur sechs Milliarden Euro fällig. Folge: Im DAX-Index wird Bayer mit 9,6 Prozent gewichtet, Lufthansa nur mit 0,7 Prozent.
Die neuen Smart-Beta- oder Faktor-Indizes funktionieren zwar nicht komplett anders. Auch bei ihnen spielt der Börsenwert eine große Rolle. Sie greifen jedoch jeweils einen sogenannten Faktor heraus, der höhere Renditen verspricht. Der Begriff Faktor klingt technokratisch. Man könnte auch von Eigenschaften sprechen, die man einer Gruppe von Aktien zubilligt. Etwa, dass sie unterbewertet sind wie beim Faktor Value.
Nicht neu, aber günstig. Der Indexanbieter MSCI hat sechs Faktoren ermittelt, mit denen Anleger einen klassischen Index in der Vergangenheit schlagen konnten: Dividendenrendite, Momentum, Nebenwerte, niedrige Volatilität, Qualität und Value.
Neu sind die genannten Faktoren nicht. Wissenschaftler befassen sich damit seit Jahrzehnten. Zudem konnten Anleger immer schon Nebenwerte- oder Value-Fonds kaufen. Neu ist aber, dass Anleger jetzt gezielt über preiswerte ETFs in diese Faktoren investieren können. db X-trackers und iShares haben beispielsweise gleich eine ganze Reihe von Faktor-ETFs aufgelegt, die in globale Aktien investieren. Auch Ossiam und SPDR bieten hier Produkte auf einzelne Faktoren an. Den Faktor Dividendenrendite klammern wir in diesem Artikel allerdings aus, weil er seit Jahren etabliert ist und Anleger hier schon lange entsprechende Dividenden-ETFs kaufen können. Die spannende Frage lautet nun, warum diese Faktoren funktionieren und welche ETFs Anleger darauf kaufen können. Im Folgenden gehen wir die Faktoren durch:
Nebenwerte schneiden besser ab als Bluechips. Das klingt heute selbstverständlich. Tatsächlich zählt "Low Size" zu den ersten Faktoren, deren Wirksamkeit Wissenschaftler empirisch nachgewiesen haben. Anfang der 90er-Jahre publizierten der spätere Nobelpreisträger Eugene Fama und Kenneth French die wohl bekannteste Studie dazu.
Anleger gehen bei Nebenwerten ein höheres Risiko ein als bei Bluechips. Dafür werden sie mit höheren Renditen entlohnt. So lautet grob gesagt die Erklärung für den Nebenwerte-Faktor. So sind kleine und mittelgroße Unternehmen zum Beispiel oft schlechter finanziert als große Unternehmen. Das macht sie in Wirtschaftskrisen anfälliger. Zudem besetzen kleine Unternehmen häufig Marktnischen. Fällt dieser Markt weg, droht ihnen Gefahr. Doch im Schnitt wachsen Small und Mid Caps schneller als Large Caps. Deshalb lohnt sich der Kauf solcher Aktien langfristig doch.
In Nebenwerte-Fonds können Anleger schon lange investieren. Auch das ETF-Angebot ist ordentlich. Allerdings sind globale Produkte rar. Seit rund zwei Jahren offeriert State Street Global Advisors den SPDR MSCI World Small Cap ETF, vor gut einem Jahr lancierte BlackRock den iShares World Size Factor ETF. Auffällig sind bei ihnen jeweils die vielen Einzelwerte. Der iShares-ETF bildet 900 Aktien ab, der SPDR-ETF sogar 1600. Die größten Einzelwerte machen deshalb nicht mal 0,25 Prozent des Portfolios aus.
Der wichtigste Unterschied zwischen beiden ETFs: Der SPDR-ETF bildet einen klassischen Nebenwerte-Index ab und orientiert sich am Börsenwert der Unternehmen. Der iShares-ETF bildet dagegen den MSCI World Mid Cap Equally Weighted Index ab. Das heißt, der iShares-ETF gewichtet alle Aktien gleich stark und passt das Portfolio alle sechs Monate wieder an diese Gleichgewichtung an. Deshalb spielen US-Nebenwerte im iShares-Portfolio eine geringere Rolle als beim SPDR-ETF.
Den Value-Effekt haben Eugene Fama und Kenneth French Anfang der 90er-Jahre ebenfalls wissenschaftlich bestätigt. Auch hier werden Anleger dafür entschädigt, dass sie höhere Risiken eingehen. Zwar sind Value-Aktien günstig bewertet, sodass dort hohe Kursgewinne winken. Value-Titel sind aber deshalb preiswert, weil sie in Schwierigkeiten geraten sind oder ihre künftigen Perspektiven trübe erscheinen. Heute zählen dazu beispielsweise Energie-, Rohstoff- und Versorgeraktien. Wer solche Aktien kauft, benötigt Geduld, bis die Kurserholung einsetzt. Oder er muss sich vor seinen Kunden dafür rechtfertigen, "schlechte" Aktien gekauft zu haben.
Value-Fonds gehören zum Standardangebot vieler Fondsgesellschaften. Auch Value-ETFs haben sich etabliert. Aber nur db X-trackers und iShares bieten hier globale Produkte an. Bemerkenswert bei beiden Produkten ist ihre niedrige US-Quote. Zwar sind die USA nach wie vor das größte Land in beiden Portfolios, ihr Gewicht beträgt aber keine 58 Prozent - wie im MSCI World - sondern nur 43 Prozent beim db X-trackers Equity Value Factor ETF und 38 Prozent beim iShares MSCI World Value Factor. Zudem hält der iShares-ETF 27 Prozent in Japan, kein anderer Faktor-ETF ist in diesem Land stärker engagiert.
Der Momentum-Faktor ist schnell erklärt. Anleger kaufen lieber Gewinner als Verlierer. Wenn eine Aktie zulegt, steigt sie daher meist weiter. Werden Value-Werte eher "gehasst", so werden Momentum-Werte eher "geliebt". Anleger glauben, dass andere Investoren die Aktie ebenfalls mögen. Doch für welches Risiko werden Anleger beim Momentum-Effekt entlohnt? Eine denkbare Antwort: Momentum-Werte sind meist hoch bewertet. Wenn sie aber fallen, dann heftig und überraschend. Erzielte Kursgewinne können dann schnell perdu sein.
Reine Momentum-Fonds sind selten, entsprechende ETFs ebenfalls. Lediglich db X-trackers und iShares haben hier zwei globale ETFs aufgelegt, bei denen vor allem die relativ hohe Japan-Quote ins Auge sticht. Allerdings besitzen auch klassische ETFs einen Momentum-Effekt. Da sie sich am Börsenwert orientierten, werden gut laufende Aktien automatisch höher gewichtet.
Niedrige Volatilität ist ein besonders rätselhafter Faktor. Denn laut Theorie dürfte es diesen gar nicht geben. Sie besagt nämlich: Wer an der Börse höhere Risiken eingeht, sollte dafür mit höheren Erträgen belohnt werden. Die Praxis sieht jedoch anders aus. Wer in schwankungsarme Aktien investierte, konnte den breiten Aktienmarkt in der Vergangenheit schlagen. Fachleute sprechen denn auch von einer Anomalie, wenn es um den Faktor "Low Volatility" geht.
Bernhard Langer spricht dagegen lieber von "No-High-Vola" anstelle von "Low Vola". Langer leitet als Chief Investment Officer (CIO) beim Fondsanbieter Invesco das Team für quantitative Anlagestrategien. Seiner Erfahrung nach kommt es nicht so sehr darauf an, in möglichst schwankungsarme Aktien zu investieren. Viel wichtiger sei es, besonders schwankungsfreudige Aktien zu vermeiden oder sie zumindest nicht hoch zu gewichten. "Ich beglückwünsche jeden, der die nächste Apple-Aktie findet", sagt Langer. "Wer auf hochvolatile Aktien setzt, greift aber auch zehnmal daneben. Das ist wie bei einer Lotterie, bei der man für das Risiko nicht belohnt wird. Dieses Ergebnis finden Sie für alle Länder." Anleger unterschätzen diesen Lotterie-Effekt offenbar und versuchen dennoch, die nächste Apple- oder Google-Aktie zu finden - obgleich sie dabei meist eine Niete ziehen. Klüger wäre es demnach, in "langweilige" und schwankungsarme Aktien zu investieren.
Anleger finden mittlerweile etliche Faktor-ETFs, die in Aktien mit niedriger Volatilität investieren. Die begriffliche Bandbreite der Anbieter ist dabei groß. db X-trackers spricht vom "Low Beta"-Faktor, iShares und Ossiam nutzen die Begriffe "Minimum Volatility" beziehungsweise "Minimum Variance". Dahinter stehen leicht abweichende Konzepte. Sollten die Aktienkurse stark fallen, werden Anleger aber mit allen drei Faktor-Varianten höchstwahrscheinlich geringere Kursverluste hinnehmen müssen als mit anderen Anlagestrategien.
Der Faktor Qualität leuchtet unmittelbar ein. Anleger setzen hier auf krisenfeste und profitable Firmen, die geringe Schulden aufweisen. Doch wo lauern die Risiken, für die Anleger hier entschädigt werden? Einige Forscher mutmaßen, dass der hohe Aufwand für die Firmenanalyse viele Anleger abschreckt. Insofern unterschätzten sie womöglich die künftigen Erträge von Qualitätsfirmen.
Viele Fondsmanager rühmen sich, Qualitätsaktien zu kaufen. Auf ETF-Ebene waren Qualitätsaktien bislang jedoch kaum ein Thema. Auch deshalb nicht, weil der Faktor Qualität schwerer quantitativ zu erfassen ist als andere Faktoren. Seit einiger Zeit können Anleger aber in zwei entsprechende Indexfonds von db X-trackers und iShares investieren. Auffällig ist hier der hohe US-Anteil. Zudem hat nicht Japan, sondern Großbritannien die zweitgrößte Ländergewichtung in beiden Portfolios. Das ist bei keinem anderen Faktor-ETF der Fall.
Anleger haben also die Qual der Wahl: Sollen sie einen Qualitäts- oder einen Value-ETF kaufen? Oder doch lieber einen Momentum-ETF? Das Problem dabei: Alle fünf Faktoren überzeugten bislang auf lange Sicht, aber nicht alle zur gleichen Zeit. Immer wieder fällt ein Faktor zurück. So reüssierte der Value-Stil in den Jahren 2001 bis 2007, hinkt seither aber hinterher. Nebenwerte wiederum fielen in den 90er-Jahren hinter Large Caps zurück.
Einen Ausweg für Anleger bieten sogenannte Multi-Faktor-ETFs, die verschiedene Faktoren in einem Portfolio kombinieren. iShares kombiniert beim globalen FactorSelect ETF zum Beispiel die Faktoren Momentum, Nebenwerte, niedrige Volatilität und Value. "Das glättet die Wertentwicklung, weil die vier Faktoren teils wenig miteinander korreliert sind", sagt Sara Shores, die bei der iShares-Mutter BlackRock weltweit für die Smart-Beta-Produkte verantwortlich ist. Der Amundi ETF Scientific Beta fasst die vier Faktoren Nebenwerte, niedrige Volatilität, Momentum und Value zusammen. Daher sind die Aktien darin etwas günstiger bewertet als im MSCI-World-Index. Zudem gewichtet der Amundi-ETF Nebenwerte höher. Der Source Goldman Sachs Equity Factor World ETF wiederum kombiniert alle fünf genannten Faktoren in einem Portfolio. Zwar sind sämtliche Faktor-ETFs im Vergleich zum klassischen MSCI World ETF etwas teurer. Bei den Multi-Faktor-ETFs könnte sich dies auf lange Sicht aber auszahlen.
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