Sind ETFs der Weisheit letzter Schluss?
Passive Investments wie ETFs sind bei Anlegern zunehmend beliebt. Doch die Argumente pro ETF und gegen aktiv gemanagte Fonds stimmen nicht immer. Die Gründe.
von Wolfgang Spang, Gastautor von Euro am Sonntag
Immer wieder ist davon zu lesen, dass es doch sinnvoller sei, in kostengünstige ETFs zu investieren, anstatt sich von Anlageberatern Investmentfonds aufschwatzen zu lassen, deren hervorstechendstes Merkmal doch nur hohe Kosten seien. Mit ETFs würden zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen: Erstens würde kaum ein aktiv gemanagter Fonds seinen Index schlagen und zweitens würden die deutlich niedrigeren Kosten des ETF sich im Depotwert des Anlegers auswirken. Für einen ETF auf den DAX werden in der Regel Kosten von "nur" 0,2 Prozent angegeben. Aber sind ETFs wirklich der Weisheit letzter Schluss? Ich habe da so meine Zweifel.
Meine Recherche hat ergeben, dass Aussagen wie "kaum ein aktiv gemanagter Fonds schlägt seinen Index" oftmals fragwürdig sind. Ein häufig anzutreffender Fehler ist, dass jeder Fonds, der kein ETF ist, als aktiv gemanagt bezeichnet und auch so bewertet wird. So werden viele Fonds, die aufgrund von Managementvorgaben extrem indexnah geführt werden, als aktiv klassifiziert, obwohl das Fondsmanagement bei den Investments eher passiv und nur beim "Handaufhalten" sehr aktiv ist. Für diese Fonds gilt die Kritik der ETF-Anhänger zu Recht. Werden jedoch nur die Fonds als aktiv gemanagt bewertet, die tatsächlich aktiv sind und mit ihrem Portfolio vom Index merklich abweichen, dann kann es plötzlich sein, dass 80 Prozent der wirklich aktiv gemanagten Fonds ihren Index schlagen, wie eine Studie von Greiff Capital Management für "Capital" belegt.
Methodische Fehler beim
Vergleich von aktiv und passiv
Mit welchen irreführenden Ergebnissen die ETF-Lobby argumentiert, indem sie die Volumengewichtung von Fonds vernachlässigt, führt der Branchennewsletter "VV Basis", Ausgabe 16/2016 vor: In dem Beispiel wurde ein knapp 1,7 Milliarden Euro schwerer Fonds mit einer durchschnittlichen Performance von 12,07 Prozent über fünf Jahre mit einem (ebenfalls aktiv gemanagten) Fonds mit rund drei Millionen Euro Anlagevolumen in einen Topf geworfen. Weil die Durchschnittsperformance des kleinen Fonds minus 5,27 Prozent per annum über fünf Jahre betrug, hätten beide zusammen nur um 3,4 Prozent pro Jahr zugelegt und damit deutlich unter dem Ergebnis des DAX-Index performt. Volumengewichtet läge die durchschnittliche Fünfjahresperformance jedoch bei 12,05 Prozent jährlich.
Es gibt weitere methodische Fehler in der Argumentation von Teilen der ETF-Branche. Man nehme zum Beispiel 100 aktiv gemanagte Fonds und vergleiche diese über einen Zehnjahreszeitraum nach folgender Methode mit einem Index: Im Jahr 1 berechnet man, wie viele der 100 Fonds den Index geschlagen haben. Nehmen wir einmal an, es waren 50 Fonds. Dann scheiden die restlichen 50 Fonds im Jahr 1, die den Index nicht geschlagen haben, aus dem Vergleich aus. Im Jahr 2 werden die verbliebenen 50 Fonds wieder mit dem Index verglichen und es wird geschaut, wie viele der Fonds den Index geschlagen haben.
Nehmen wir einmal an, 40 Fonds haben im Jahr 2 besser als der Index performt. Im Jahr 3 sollen 25 der 40 Fonds den Index geschlagen haben und 15 schlechter als der Index performt haben. Also kommen nur noch 25 in die Runde 4 und so weiter. Jedem Leser wird schnell klar, warum am Ende der zehn Jahre kaum noch ein aktiver Fonds übrig ist, der Jahr für Jahr den Index geschlagen hat. Möglicherweise haben aber einer oder mehrere der in den ersten Runden ausgeschiedenen Fonds in den Folgejahren den Index geschlagen und am Ende der zehn Jahre eine deutlich bessere Gesamtperformance als der Index. Doch bei der genannten Methode wurden sie bereits davor aus dem Rennen genommen.
Anlegern ist große Sicherheit
oft wichtiger als hohe Renditen
Einer der bekannten ETFs auf den DAX mit etwa 8,6 Milliarden Euro Volumen hat eine Gesamtkostenquote (TER) von nur 0,16 Prozent. Vergleicht man nun die Performance des ETF mit dem DAX, dann stutzt man als Anleger, denn ganz offensichtlich läuft über einen etwas längeren Betrachtungszeitraum die Performance doch ein ganzes Stück auseinander.
Rechnet man nach, dann stellt man fest, dass der DAX im Betrachtungszeitraum eine durchschnittliche Rendite von 13,7 Prozent pro Jahr erwirtschaftete, der ETF "nur" 11,5 Prozent. Das sind schlappe zwei Prozent pro Jahr weniger, obwohl die Kosten angeblich bei nur 0,16 Prozent per annum liegen. Nach 40 Jahren Beratungspraxis im Finanzbereich frage ich mich auch, ob es wirklich notwendig ist permanent einen Index zu schlagen oder auf einen Index zu setzen, um eine gute Performance zu erzielen und sein Geld zu vermehren. Ich meine: nein.
Aus 40 Jahren Beratungsgesprächen mit realen Anlegern aus Fleisch und Blut weiß ich: Diese Anleger wollen in mehr als 90 Prozent aller Fälle zwar einen guten Ertrag, aber den nur bei überschaubarem oder, noch besser formuliert, aushaltbarem Risiko. "Aushaltbar" bedeutet in der Praxis, dass der maximale Verlust im Normalfall unter 50 Prozent liegen sollte und dass die Anlage in schlechten Zeiten möglichst nach spätestens drei Jahren wieder an der Nulllinie angekommen sein sollte. Verluste von mehr als 50 Prozent und Verlustperioden, die länger als drei Jahre andauern, erhöhen den Stress für Anleger enorm.
Betrachten wir einmal die Entwicklung des DAX im Zeitraum von Juni 2005 bis Ende August 2017. In der Zeit hatte ein DAX-Investor drei große Rücksetzer verkraften müssen: in der Finanzkrise (2008/2009), der Griechenland-Krise (2011) und der Dieselkrise (2015/16). Immerhin hätte er über den gesamten Zeitraum einen Wertzuwachs um 167,11 Prozent erzielt, was einem durchschnittlichen Wertzuwachs um rund 13,7 Prozent per annum entspricht. Das ist ein sehr ordentliches Ergebnis, das keinen Anlass zur Klage gibt.
Aktive Fondsmanager können
in Verlustphasen aussteigen
Nach herrschender Meinung von ETF-Anhängern und der ETF-Lobby dürfte dieses Ergebnis kaum zu toppen sein. Aber ist das so? Ich denke, es gibt Alternativen. Hätte zum Beispiel ein Anleger anstelle des Investments in den DAX am 2. Juni 2005 sein Geld in den frisch aufgelegten Deutsche-Aktien-Total-Return-Fonds von LRI Invest angelegt, hätte sein Ergebnis im Vergleich zum DAX deutlich besser ausgesehen. Über diesen gesamten Betrachtungszeitraum hätte der Fondsinvestor einen Wertzuwachs von 234,2 Prozent erzielt. Das entspricht einem durchschnittlichen Wertzuwachs um 19,2 Prozent im Vergleich zu den 13,7 Prozent des DAX.
Noch spannender und realitätsnäher wird die Betrachtung, wenn man fragt: Wie oft hätte ein DAX-Anleger bis zum 31. August 2017 schlechter abgeschnitten als der Investor im aktiv gemanagten LRI Fonds, wenn er an jedem beliebigen Börsentag vom 2. Juni 2005 bis zum 30. August 2017 gekauft hätte? In nur 25 Prozent aller Fälle hätte der DAX-Investor bis zum 31. August 2017 ein besseres Ergebnis erzielt als der Fondsinvestor. In drei Viertel aller Fälle aber hätte der Fondsinvestor ein besseres Ergebnis erzielt als der Indexkäufer.
Das heißt: Für einen Anleger ist es oftmals lohnender, Verluste zu vermeiden, als Gewinne zu maximieren. Die Aussage, dass passive Indexinvestments immer besser seien als aktiv gemanagte Fonds ist eine Legende. Ob sich der "immense Kostenvorteil" passiver Indexfonds in der Realität in vielen Fällen auch im Depot wiederfindet, ist im Einzelfall kritisch zu prüfen. Gute und wirklich aktive Fondsmanager sind meiner Meinung nach ihr Geld wert und können nachhaltig einen deutlichen Mehrwert für Anleger schaffen.
Kurzvita
Wolfgang Spang,
Geschäftsführender
Gesellschafter
der Economia
Spang machte sich vor 37 Jahren nach einer Bankausbildung als Finanz- und Wirtschaftsberater selbstständig.
Die Economia Vermögensberatungs- und Beteiligungs-GmbH berät vor allem leitende Angestellte, Freiberufler, Ärzte und Zahnärzte rund um ihre Finanz- und Vermögensplanung, Finanzierung sowie rund um die persönliche und
berufliche Absicherung.
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