ETFs verpassen Chancen

Nichts von der Stange: Aktiv in Rente(nfonds)

28.06.15 16:00 Uhr

Nichts von der Stange: Aktiv in Rente(nfonds) | finanzen.net

ETFs sind preiswerter und haben eine bessere Performance. Stimmt nicht, sagt Portfoliomanager Röhmeyer - zumindest, wenn man Rentenfonds betrachtet.

von Lutz Röhmeyer, Gastautor von Euro am Sonntag

Indexfonds haben ihre Berechtigung. Institutionelle Investoren greifen gerne auf sie zurück, um hoch liquide Märkte abzudecken. Privatanleger sollten jedoch auf der Hut sein. Bei passiv verwalteten Produkten laufen sie Gefahr, aufs falsche Pferd zu setzen. Das gilt für Renten-ETFs beinahe noch stärker als im Aktienbereich.

Die Zusammensetzung vieler Anleihe­indizes läuft den Interessen der Fondseigner nämlich zuwider. Unbewusst wählen sie Lösungen von der Stange, die in riskante Strategien münden. Noch dazu bieten viele Passivprodukte heute nicht einmal wesentlich geringere Gebühren als vergleichbare aktiv gemanagte Fonds.

ETFs bilden sklavisch einen Index ab. Insbesondere bei Schwellenländer-Bonds führt dieses Korsett zu einer skurrilen Wertpapierauswahl. Hier bestimmt der JP Morgan GBI EM global diversified Index die Depotstruktur. Was viele Anleger nicht wissen: "Diversified" steht für nur 16 Währungsräume mit hoher Marktkapitalisierung. Passiv­produkte bilden diese Mischung möglichst genau ab. Das restliche Anlageuniversum bleibt ihnen verschlossen.

Schwellenland-ETFs weichen von diesem Grundsatz noch einmal ab. Da sie maximal zehn Prozent in einem Land anlegen dürfen, stehen fünf Staaten wie zuletzt etwa Brasilien, Malaysia, Thailand, Südafrika und die Türkei für zusammen 50 Prozent aller Investments - ein Automatismus, der Chancen und Risiken kaum widerspiegelt. So räumen wir aktuell zum Beispiel Brasilien und der Türkei Erholungschancen ein. Thailand ist hoch bewertet; Südafrika wiederum drohen Ratingherabstufungen.

ETFs verpassen Chancen, die
aktive Fondsmanager nutzen

Indexorientierte Produkte müssen solche Risiken ignorieren, der aktive Fondsmanager kann sie aber berücksichtigen. Insbesondere eine breite Diversifikation kann das Anlageergebnis verbessern. So legt unser Haus mittlerweile in rund 60 Währungsräumen an. Dies senkt nicht nur das Länderrisiko, sondern berücksichtigt auch Renten­titel aus China und Indien. Die beiden Staaten dürften in einem globalen Lokalwährungsportfolio eigentlich nicht fehlen. Bislang klammert sie der Index jedoch aus. ETFs dürfen dort nicht investieren - und verpassen Chancen.

Viele weitere Segmente bleiben ebenfalls aktiv gemanagten Fonds vorbehalten. So investieren die großen ETFs hauptsächlich in Staatsanleihen. Rententitel von Unternehmen mit implizierter Staatsgarantie oder Zinstitel supranationaler Organisationen bieten dagegen häufig höhere Renditen bei besserer Bonität. Ihnen wäre der Vorzug zu geben, was aber oft unterbleibt.

Nischenmärkte stellen ein weiteres Betätigungsfeld für aktive Fonds dar. So zahlt etwa die Mongolei, ein aufstrebender Staat mit demokratischer Rechtsform und großen Rohstoffvorkommen, seine Gläubiger in der Heimatwährung Tögrög. Die Mongolei verfügt bislang noch über keinen Investment-Grade- Status, ihr Rating könnte jedoch steigen.

Der Aufwand, exotische Regionen vorsichtig beizumischen, lohnt sich. Anleger sind zu einem frühen Zeitpunkt an Bord und partizipieren am Aufstieg der betreffenden Volkswirtschaften. Ein Genuss sind außerdem die teils überaus hohen Zinseinkünfte, für die sich Investoren nicht einmal in längere Restlaufzeiten drängen lassen müssen.

Rentenpapiere mit längerer Laufzeit bergen nämlich ein erhebliches Risiko. Steigen die Kapitalmarktrenditen, leiden auch die Schwellenländer. Ein solcher Rückschlag ereignete sich zuletzt 2013. Damals sanken die Kurse, weil die US-Notenbank ankündigte, ihre Anleihekäufe zurückzufahren. Demnächst könnte Ähnliches passieren, sollte die Fed ihre Leitzinsen anheben. Die im globalen Vergleich analytisch teuren Index­bonds dürften dann besonders leiden. Denn die Masse ist genau dort investiert; alle wollen dann verkaufen. In US-Dollar notierende Schwellenländer­-Anleihen sind wegen ihrer überaus langen Restlaufzeiten ebenfalls gefährdet.

Breit aufgestellte Portfolios mit kurzer Duration von maximal drei Jahren dürften sich dagegen auch in künftigen Korrekturphasen besser entwickeln. Eine auf diesen Erkenntnissen aufbauende Nischenstrategie für die Schwellenländer ist ihr Geld allemal wert.

Kurzvita

Lutz Röhmeyer, Portfoliomanager der
Berliner LBB-Invest

Röhmeyer ist seit 2002 als Fondsmanager bei der LBB-Invest tätig. Unter anderem betreut er seit über zehn Jahren den auf osteuropäische Währungen und ­Anleihen spezialisierten Fonds Multizins-Invest sowie den Fonds ­Weltzins-Invest.
Die LBB-Invest ver­waltet Kapitalanlagen im Volumen von rund elf Milliarden Euro.

Bildquellen: KenDrysdale / Shutterstock.com, Christoph Schieder/LBB-INVEST