Ausweg für Umweltsünder Bitcoin? Proof-of-Work-Alternative soll Mining-Prozess nachhaltiger und unabhängiger gestalten
Häufig wird der Bitcoin für seine schlechte Umweltbilanz kritisiert, die auf das rechenintensive Proof-of-Work-System zurückgeht. Abhilfe verschaffen könnte nun eine optische Alternative, die auf Lichtteilchen zurückgreift.
Werte in diesem Artikel
• Bitcoin aufgrund hohem Energieverbrauch in der Kritik
• Optisches Proof-of-Work soll Stromverbrauch herunterschrauben
• Standortunabhängigkeit für Mining-Farmen
Bitcoin-Mining erzeugt mehr Stromverbrauch als Ukraine und Norwegen
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Auch wenn Kryptowährungen längst bei zahlreichen Investoren angekommen sind und mit Tesla und MicroStrategy auch Unterstützung von großen Konzernen erhalten, steht doch besonders das Schwergewicht Bitcoin immer wieder wegen seines hohen Stromverbrauchs, der beim Schürfen der digitalen Münzen anfällt, in der Kritik. Laut dem Bitcoin Electricity Consumption Index der University of Cambridge verbraucht das Krypto-Urgestein im Jahr durchschnittlich etwa 134,9 Terawattstunden - und liegt damit über dem jährlichen Stromverbrauch der Ukraine und Norwegen. Als Reaktion auf den hohen Energiebedarf des Bitcoin und die steigende Nachfrage nach Cyberdevisen werden auch immer wieder Maßnahmen diskutiert, die das Nachhaltigkeitsproblem lösen sollen. So soll etwa das Europäische Parlament ein Bitcoin-Verbot in Erwägung gezogen haben, zuletzt wurde das Votum zu einer Abschaffung der rechenintensiven Proof-of-Work-Technologie (PoW), die auch beim Bitcoin Anwendung findet, aber verschoben. Darüber steht oftmals die Verwendung von Strom aus Erneuerbaren Energien zur Debatte, auch ein Wechsel von PoW auf das weniger energieintensive Proof-of-Stake-System (PoS), wie er gerade bei dem BTC-Rivalen Ethereum vollzogen wird, könnte der schlechten Umweltbilanz beim Bitcoin Abhilfe verschaffen.
Photonik-Prozessoren statt Proof-of-Work
Einen weiteren alternativen Lösungsvorschlag brachte nun die Entwicklergruppe Bitcoin Optech ein. Auf dem GitHub-Repository "Bitcoin Improvement Proposal (bips)", auf dem Vorschläge zur Verbesserung der Bitcoin-Blockchain eingereicht werden, veröffentlichte einer der Nutzer der Gruppe im Dezember 2021 einen Projektvorschlag, der den hohen Energiebedarf des Netzwerks deutlich verringern soll. Dazu soll Proof-of-Work durch "Optical Proof-of-Work" (oPoW) abgelöst werden, wodurch Strom- und Betriebskosten auf Hardware- und Kapitalausgaben verlagert werden. Die Berechnung der Aufgaben auf der Blockchain würden beim optischen Proof-of-Work durch Lichtteilchen erfolgen, wie es in der Vorschlag heißt - und dabei nur einen Bruchteil des Energieaufwand generieren, der derzeit beim Mining von Bitcoin entsteht. Die Technologie wurde von den PoWx-Entwicklern Michael Dubrovsky und Bogdan Penkovsky sowie unter anderem NYU-Assistenzprofessor Marshall Ball entwickelt. Die gemeinnützige Organisation PoWx hat sich der Verbesserung der Proof-of-Work-Architektur verschrieben, wie es auf der Webseite des Projekts heißt.
Bitcoin-Mining: Stromkosten sollen deutlich gesenkt werden
"[Optisches Proof-of-Work] wurde entwickelt, um das Bitcoin-Mining von der Energie zu entkoppeln und es auch außerhalb von Regionen mit niedrigen Stromkosten möglich zu machen", heißt es in dem Vorschlag der Entwickler. So handle es sich dabei um eine Modifikation des PoW-Systems Hashcash, bei der die Entwickler aber Photonik-Prozessoren zur Berechnung einsetzen. Damit verlagert oPoW die Betriebskosten des Minings auf die Kapitalkosten, also von Strom auf Hardware. "oPoW ermöglicht Milliarden neuer Miner den Markteintritt, indem sie einfach in einen Photonik-Miner mit niedrigem Energieverbrauch investieren." Darüber hinaus hätte eine Umstellung von PoW auf oPoW zur Folge, dass die Hashrate gegenüber Preisschwankungen beim Bitcoin stabil bleibe. Damit gebe es keinen Grund, den Miningprozess zu unterbrechen, selbst wenn der Wert der Belohnungen sinke. "oPoW ist hardwarekompatibel mit GPUs, FPGAs und ASICs, was bedeutet, dass eine Übergangsphase von optischem und traditionellem Hardware-Mining parallel im Netzwerk möglich ist", so die Entwickler weiter.
Die Technologie wurde laut PoWx bereits bei dem eigenen Blockchain-Projekt oBTC eingesetzt, das als Abspaltung der Bitcoin-Blockchain veröffentlicht wurde. Neben dem oPoW-System wurde im Vergleich zum Bitcoin die Halving-Rate um den Faktor zwei verringert und der "Genesis-Block", der den ersten Block der Blockchain bezeichnet, leer gelassen, wodurch es vor dem Start des Projekts keinen Besitzanspruch oder ein vorheriges Schürfen gab.
Mining-Unternehmen könnten technisch und wirtschaftlich von oPoW profitieren
Doch wie gut eignet sich oPoW tatsächlich als Alternative zur derzeitigen Architektur, der die Bitcoin-Blockchain zugrunde liegt? Dieser Frage hat sich George Kaloudis vom Krypto-Portal "CoinDesk" angenommen. Für einen Einsatz der Photonik-Prozessoren spreche dem Analysten zufolge, dass sich Laserberechnungen in Vergangenheit bereits als leistungsstark erwiesen hätten, da durch die verwendeten Elektronen eine höhere Bandbreite möglich sei. Auch beim Glasfaser-Internet kommen Lichtteilchen zum Einsatz, weswegen im Vergleich zu herkömmlichem DSL eine schnellere Internetverbindung ermöglicht werde.
Auch aus wirtschaftlicher Sicht könne sich der Umstieg Kaloudis zufolge lohnen. So werden die Kosten für das Mining auf Investitionen verlagert, die bereits vor dem eigentlichen Schürfprozess anfallen. Zwar sei die dafür benötigte Hardware deutlich teurer als die Prozessoren, die derzeit zum Abbau der Kryptowährung benötigt werden, aber genau darin sieht der Stratege einen Vorteil. So könnten die teuren Anlagen den Finanzierungsprozess erleichtern, weil Kreditgeber diese als Sicherheit anrechnen könnten. Darüber hinaus ließen sich auch die Betriebskosten aufgrund von einer geringeren Abhängigkeit von Energieverfügbarkeit und -preisen im Voraus kalkulieren. Auch seien zusätzliche Abschreibungen in den Bilanzen der Mining-Unternehmen möglich. Nicht nur würde eine geringere Abhängigkeit von Energiequellen dem Analysten zufolge dafür sorgen, dass Mining-Farmen global ausgeglichener verteilt sind, auch dürfte die Hashrate damit weniger stark schwanken.
Darüber hinaus passe oPoW laut dem Analysten auch deshalb zur Bitcoin-Community, weil sich dort seit dem vergangenen Jahr das Laseraugen-Meme etabliert habe. So teilte etwa MicroStrategy-CEO Michael Saylor im November auf seinem Twitter-Account ein GIF, auf dem er mit leuchtenden Augen zu sehen ist.
Laser eyes proclaim a technology to guarantee the human rights of life, liberty, & property. Laser eyes channel action even as they protect from dilutive distraction. Laser eyes signal intent to make #Bitcoin an instrument of economic empowerment. pic.twitter.com/KeuwJB1V5b
- Michael Saylor⚡️ (@saylor) November 14, 2021
"Laseraugen verkünden eine Technologie, die das Menschenrecht auf Leben, Freiheit und Eigentum garantiert. Laser-Augen kanalisieren Aktion, während sie vor verwässernder Ablenkung schützen. Laser-Augen signalisieren die Absicht, #Bitcoin zu einem Instrument der wirtschaftlichen Ermächtigung zu machen", schrieb der Unternehmer dazu. Zahlreiche weitere Krypto-Unterstützer folgten seinem Beispiel. Auch Tesla-Chef Elon Musk soll laut "Decrypt" zeitweise sein Profilbild auf dem Kurznachrichtendienst zu einer Abbildung einer Frau im Anime-Stil mit leuchtenden Augen und dem Bitcoin-Symbol im Hintergrund geändert haben. Damit dürfte die Community dem Schürfen mittels Laser-Technologie offen gegenüberstehen, so der Stratege.
Warnung vor gegenteiligem Extrem - und Sicherheitslücken
Dennoch gebe es auch Argumente gegen die oPoW-Implementierung, wie Kaloudis weiter erklärt. So habe allen voran China zu Beginn des Geschäfts mit Bitcoin-Mining zahlreiche Schürfer mit günstigen und unkompliziert verfügbaren Stromquellen gelockt. Zwar könnte der BTC-Abbau mit dem oPoW-System standortunabhängig erfolgen, im schlimmsten Fall kehrt sich die derzeitige Dynamik aber um, wie der Analyst warnt. So könnte sich das Mining-Geschäft vollständig von Entwicklungsländern hin zu kapitalstarken Industriestaaten verlagern. Damit würde das gegenteilige Extrem zur Realität werden. Kaloudis befürchtet, dass Mining-Prozessoren, die schon heute zum Teil jeweils mehr als 10.000 US-Dollar kosten, noch teurer werden und es Schürfern ohne viel Kapital unmöglich machen dürften, den Markt zu betreten. Von Dezentralisierung könne dann daher keine Rede mehr sein.
Auch sei bisher unklar, ob das oPoW-System in der Praxis überhaupt so funktioniere, wie es sich die Entwickler vorstellen. Genau wie Proof-of-Stake im kommerziellen Kontext noch nahezu ungetestet sei, stelle sich auch die Frage ob Photonik-Prozessoren zum Schürfen geeignet seien. Auch einige GitHub-Nutzer scheinen Zweifel an der PoW-Alternative zu haben. So äußerte etwa der Entwickler Jeremy Rubin seine Bedenken über eine mögliche Sicherheitslücke. Beim Ausnutzen dieser könnten sich einige Miner einen Vorteil gegenüber ihren Mitbewerbern verschaffen. Auch spreche für das gängige PoW-System laut Kaloudis, dass es - mag der Stromverbrach auch hoch sein - als besonders robust und sicher gilt. Entfernt man diese Komponente nun von der Bitcoin-Blockchain, könnte dies "grundlegend verändern, was Bitcoin geworden ist und was er werden könnte", so der Analyst.
Soft-Fork-Testphase denkbar
Der Vorschlag mit der Projektnummer 52 soll als Hard Fork in das Protokoll eingespielt werden, wenn es zu einer Zustimmung durch die Community kommt. Kaloudis zufolge wäre ein vorheriger Test der Technologie aber auch ohne Hard Fork möglich. So könnte oPoW auch als Soft Fork implementiert werden, wodurch Nutzer weiterhin die alte Version parallel verwenden können. Sollte sich die Soft-Fork-Testphase als praktikabel erweisen, könnte der Anteil der Mining-Aktivitäten auf Basis des oPoW-Sytems nach und nach hochgefahren werden, während das PoW-Schürfen weiter reduziert wird. Im Optimalfall wird die energieintensive Rechenmethode vollständig abgeschafft. Sollte sich oPoW aber als Reinfall erweisen, könnte man den Anteil des Photonik-Minings ebenfalls nach und nach auf null Prozent zurückfahren.
Bereits in der Vergangenheit seien Hard Forks in der Bitcoin-Community scharf kritisiert worden. Als Beispiel nennt der CoinDesk-Experte eine Diskussion über die Blockgröße und die Erhöhung der Blockkapazität, die 2017 in die Bitcoin-Alternative Bitcoin Cash mündete.
Es bleibt also abzuwarten, ob die neue Mining-Methode bald zum Einsatz kommt und welche Folgen dies für die Bitcoin-Blockchain haben wird.
Redaktion finanzen.net
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