CFDs: Wie Sie den Hebel richtig ansetzen
Für die einen sind sie das Salz in der Suppe, für die anderen einfach nur Zocker-Instrumente. Wer weiß, wie die Differenzkontrakte funktionieren, kann sich die Hebel-Investments aber zunutze machen.
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von Gian Hessami, Euro am Sonntag
Alle sagten: Das geht nicht. Dann kam einer, der wusste das nicht, und hat’s gemacht. Clevere britische Banker machten vor mehr als zwei Jahrzehnten aus der Not eine Tugend. Als damals
in Großbritannien die Börsenumsatzsteuer, auch Stempelsteuer genannt, für alle Aktiengeschäfte eingeführt wurde, entwickelten die Finanzprofis Contracts for Difference (CFDs), zu Deutsch: Differenzkontrakte. Der CFD-Handel erfolgte nicht über die Londoner Börse, sondern außerbörslich. So konnte man mit den Finanzinstrumenten die lästige Besteuerung umgehen.
CFDs haben sich inzwischen weltweit bei Tradern als Hebelinvestments etabliert. Die Kontrakte werden heute noch immer außerbörslich gehandelt. Anleger gehen dabei rechtlich gesehen eine Vereinbarung mit dem CFD-Anbieter (Broker) ein. Dieser stellt die Kurse, legt die Bedingungen fest und bietet entsprechende Handelsmöglichkeiten und die dazugehörigen Onlineplattformen.
Mit Differenzkontrakten können Anleger überproportional von Kursbewegungen von Basiswerten wie Indizes, Aktien, Währungen und Rohstoffen profitieren. Wie der Name andeutet, geht es um die Kursdifferenz des Basiswerts zwischen Ein- und Ausstiegszeitpunkt des Anlegers. Mit Long-CFDs setzen Investoren auf steigende und mit Short-CFDs auf fallende Märkte. Institutionelle Anleger nutzen die Differenzgeschäfte schon seit den 80er-Jahren, um größere Positionen abzusichern. Privatanleger wurden CFDs Ende der 90er-Jahre in Großbritannien zugänglich. Nach Deutschland kamen sie, als der britische Broker CMC Markets 2005 in Frankfurt eine Niederlassung eröffnete.
Die Investments richten sich vorwiegend an risikobereite Anleger. Riskante Hebel von 100 oder mehr sind beim CFD-Handel keine Seltenheit. Ein Hebel von 100 bedeutet zum Beispiel, dass der Wert des Long-CFDs um 100 Prozent steigt, wenn sich der Basiswert um ein Prozent nach oben bewegt. Der Hebel wirkt allerdings in beide Richtungen: Erfüllt sich die Markterwartung des Anlegers nicht, kommt es zu entsprechend hohen Verlusten. Fällt etwa die Aktie im obigen Beispiel um ein Prozent, bedeutet das für das CFD-Investment ein Minus von 100 Prozent.
Bevor man CFDs handelt, sollte deren Funktionsweise also klar sein. Wenn es schlecht läuft, kann man sogar noch mehr als sein Einsatzkapital verlieren. In manchen Fällen müssen Anleger Geld nachschießen - und das kann zum unkalkulierbaren Risiko werden. Der Hebel kommt nämlich dadurch zustande, dass Investoren beim CFD-Broker nur einen Bruchteil des gehandelten Basiswerts als Sicherheitsleistung (Margin) hinterlegen.
Margin und Hebel beachten
Je geringer der prozentuale Anteil der Margin, desto größer der Hebel. Der Hebel errechnet sich, indem man die Positionsgröße durch die Margin teilt. Angenommen, man bewegt mit einem Euro eine Aktie, die 100 Euro wert ist, dann liegt der Hebel bei 100 (Rechnung: 100:1). Würde die Sicherheitsleistung in dem Fall fünf Euro betragen, ergibt sich ein Hebel von 20 (100:5).
Wichtig ist es, vorab zu wissen, mit welchem Hebel man unterwegs ist, um die Chancen und Risiken besser einzuschätzen. Den größten Teil des gehandelten Werts streckt quasi der CFD-Anbieter dem Anleger als Kredit vor. Finanzierungsgebühren entstehen Anlegern erst, wenn sie die Position über Nacht halten.
Apropos "über Nacht": Halten Investoren ihre CFD-Positionen über Nacht, kann der Eröffnungskurs des nächsten Tags erheblich vom Schlusskurs des Vortags abweichen. Experten sprechen hierbei vom Overnight Gap (Gap ist englisch für "Lücke").
Die Kurslücke kann eintreten, wenn nach Handelsschluss Nachrichten aus Wirtschaft und Politik sowie Naturkatastrophen oder Entwicklungen an anderen internationalen Börsen den Eröffnungskurs deutlich beeinträchtigen. Ein Overnight Gap kann zur Folge haben, dass Stop-Loss-Aufträge nicht effektiv zur Verlustbegrenzung ausreichen, da die Ausführung nicht zum gewünschten Kurs erfolgt. Dies kann wiederum dazu führen, dass das Handelskonto ins Minus rutscht und eine Zwangsglattstellung der Position eingeleitet wird. Im schlechtesten Fall müssen Anleger Kapital nachschießen.
Devisencrash als Warnung
Wie riskant große Hebel sein können, zeigte auch der Devisencrash, den die Schweizerische Nationalbank (SNB) vor gut zwei Jahren auslöste. Anfang 2015 gab sie überraschend den Mindestkurs von 1,20 Franken je Euro auf. Anschließend stürzte der Euro ins Bodenlose und verlor gegenüber der Schweizer Währung in der Spitze fast 30 Prozent.
Für CFD-Trader, die auf einen steigenden Euro gewettet hatten, kam es knüppeldick. Gigantische Hebel von 100 oder 200 oder gar 400 ließen ihr Handelskonto von einem Moment auf den anderen in die roten Zahlen rutschen. Es gab Anleger, die schuldeten ihrem Broker plötzlich 100.000 Euro oder mehr.
Normalerweise wird das Konto des Traders automatisch aufgelöst, damit es nicht zur Nachschusspflicht kommt. Bei heftigen Börsencrashs wie im Schweizer Beispiel greift der Mechanismus aber nicht mehr. Wegen der fehlenden Liquidität an den Märkten sind die Broker nicht mehr in der Lage, die Positionen ihrer Kunden rechtzeitig abzusichern.
Stop-Loss-Aufträge einsetzen
Grundsätzlich liegt es jedoch nahe, sich mit Stop-Loss-Orders gegen die Nachschusspflicht abzusichern. Mit diesen Aufträgen legen Investoren eine Kursmarke fest, bei deren Erreichen die Differenzkontrakte zum nächsten handelbaren Kurs verkauft werden. Weil in Crash-Szenarien auch diese Orderzusätze nicht mehr ausreichen, um Verluste auszuschließen, bieten manche Broker bei bestimmten Basiswerten gegen Gebühr garantierte Stop-Loss-Orders. Diese Aufträge werden bei exakt der angegebenen Kursmarke ausgeführt - egal wie stark die Märkte schwanken.
Da CFDs eine Vereinbarung zwischen Kunden und CFD-Anbieter sind, empfiehlt es sich, die Risiken genau in den AGB zu beachten. Außer der Nachschusspflicht ist zum Beispiel noch wichtig zu wissen, ob die Kundengelder über eine Einlagensicherung im Insolvenzfall des Brokers geschützt sind.
Dabei spielt auch der Firmensitz eine Rolle. So dürfte zum Beispiel ein Broker aus Zypern oder Litauen wenig vertrauenerweckend erscheinen. Wer im Pleitefall entschädigt werden will, ist mit einem Sitz in Großbritannien, Luxemburg oder Deutschland im Zweifel besser aufgehoben. Dort besteht die Chance, sein Geld zurückzuerhalten. Ein Blick ins Impressum des Anbieters hilft. Dort muss der Broker nachweisen, wo er sitzt und welche Regulierungsbehörde für ihn zuständig ist. Zu den größten Anbietern zählen in Deutschland CMC Markets, IG, Comdirect, Flatex sowie WH Selfinvest.
Mit einer simplen, aber effizienten Regel können Anleger vermeiden, in die Verlegenheit der Nachschusspflicht zu geraten: niemals mit großen Hebeln agieren. Am besten im einstelligen Prozentbereich bleiben. Ein großer Vorteil von CFD-Investments sind indes die vergleichsweise geringen Handelsgebühren. Diese liegen bei CFDs in der Regel unter den Gebühren von klassischen Hebelprodukten wie Optionsscheinen oder Knock-out-Zertifikaten.
Beliebtester Basiswert ist hierzulande der DAX. Der Grund ist naheliegend: Anleger handeln gern Basiswerte, zu denen sie den stärksten Bezug haben und über die sie sich am besten informiert fühlen. Weiterhin sind Währungen populär, etwa das Währungspaar Euro/US-Dollar, die sehr liquide sind und enge Spreads haben. Am deutschen Markt sind außerdem Währungspaare wie US-Dollar/Japanischer Yen, Britisches Pfund/US-Dollar und Australischer Dollar/US-Dollar gefragt.
Eigenverantwortlich handeln
Nach dem Devisencrash vor gut zwei Jahren wurde die Diskussion entfacht, ob CFDs aufgrund des hohen Risikos, das durch die Nachschusspflicht entsteht, womöglich keine geeigneten Investments für Privatanleger sind. Weiterhin wurde diskutiert, ob CFD-Anbieter die Anleger, die herbe Verluste hinnehmen mussten, nicht genügend informiert hatten.
Ein CFD-Experte äußerte sich damals mit dem Satz: "Sichere Spekulationen gibt es nicht." Im Klartext heißt das schlicht: Anleger, die bei CFDs mit gigantisch hohen Hebeln wie 100, 200 oder noch höher agieren, dürfen sich nicht wundern, wenn sie sich auch
mal eine blutige Nase holen. Hätten sie mit Differenzkontrakten und großen Hebeln Riesengewinne gemacht, dann hätten sich die Anleger kaum beschwert.
Im Grunde ist es also bei Differenzkontrakten wie bei anderen Investments auch: je größer die mögliche Rendite, desto größer die Fallhöhe. Schlauer ist man jedenfalls immer - die einen vorher, die anderen nachher.
Glossar:
CFD Die drei Kürzel stehen für "Contracts for Difference". Anleger nehmen überproportional an den Kursveränderungen des jeweiligen Basiswerts teil. Erfüllt sich die Markterwartung, locken hohe Gewinne. Läuft der Basiswert in die falsche Richtung, kommt es zu großen Verlusten.
Margin Anleger hinterlegen auf ihrem Handelskonto eine Sicherheitsleistung, die sogenannte Margin. Sie ist geringer als die Kosten des eigentlichen Basiswerts. So können CFD-Anleger große Summen mit vergleichsweise geringem Kapital handeln. Daraus ergibt sich die Hebelwirkung.
Nachschusspflicht CFD-Broker sorgen dafür, dass alle Positionen automatisch geschlossen werden, bevor das Handelskonto ins Minus rutscht. Bei extremen Marktbewegungen kann es trotzdem zur Nachschusspflicht kommen. Anleger sollten CFD-Aufträge mit Stop-Loss-Orders versehen.
BaFin:
Nachschusspflicht im Visier
Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) plant derzeit, die Nachschusspflicht bei CFDs zu verbieten. Was zunächst erst mal für die Anleger gut klingt, dürfte in der Praxis den CFD-Handel ad absurdum führen. So ist zu bedenken, dass die Nachschusspflicht des Kunden in direktem Zusammenhang mit dem finanziellen Risiko steht, das der Broker trägt. Es ist der Broker, der in der Verantwortung steht, wenn der Kunde seiner Nachschusspflicht nicht nachkommt.
Bestes Beispiel ist der britische CFD-Anbieter Alpari, der auch am deutschen Markt tätig war und im Zuge des durch die Schweizer Notenbank ausgelösten Devisencrashs am 15. Januar 2015 Insolvenz anmelden musste. Auf der Alpari-Homepage hieß es unmittelbar nach dem Absturz des Euro gegenüber dem Schweizer Franken, dass der Euro-Einbruch "zum Austrocknen jeglicher Liquidität geführt" habe. Der US-Broker FXCM, der ebenfalls hierzulande CFDs anbietet, verlor an dem Tag 276 Millionen Dollar. Nur
der Notkredit eines Investors von 300 Millionen Dollar konnte die Pleite von FXCM damals verhindern.
Der CFD-Verband indes empfiehlt, dass erfahrene Trader selbst entscheiden sollten, ob sie auf die Nachschusspflicht eingehen oder nicht. Weniger erfahrene Kunden könnten mittels entsprechender Risikobegrenzungsmodelle von einer Nachschusspflicht ausgenommen werden.
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Bildquellen: Gustavo Frazao / Shutterstock.com, Imilian / Shutterstock.com
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