„Wir bauen unsere Präsenz dort aus, wo digitales Finanzwesen das traditionelle Bankgeschäft überholen kann“, Tarmo Sild, Iute Group
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Die Iute Group baut ihre Präsenz dort aus, wo digitales Finanzwesen das traditionelle Bankgeschäft überholen kann. In diesem Jahr möchte die Gruppe Aktivitäten in mindestens einem weiteren Land starten, wie CEO Tarmo Sild erläutert. Ziel ist es, in allen Märkten eine vollständig digitale Bank zu werden. Seit 2021 hat Iute die Einnahmequellen diversifiziert und begonnen, verschiedene Zahlungsdienste, sogenanntes Wallet, und später verschiedene Versicherungen anzubieten. Die Umsätze aus Wallet-Diensten und der digitalen Versicherungsvermittlung steigen aktuell schneller als das Kreditgeschäft.
BOND MAGAZINE: Wie ist die aktuelle Geschäftsentwicklung der Iute Group?
Sild: Wir arbeiten an dem langfristigen Ziel, in allen Märkten, in denen die Iute Group tätig ist, eine vollständig digitale Bank zu werden. Das bedeutet, ein komplettes Ökosystem an Finanzdienstleistungen anzubieten – Kredite, Zahlungen und Versicherungsvermittlung auf einer Plattform und in einem nahtlosen Erlebnis für Kunden und Partner. Aktuell haben wir über 280.000 aktive Kunden und mehr als 3.000 Point-of-Sales Partnershops in vier Ländern. Wir sind in Albanien, Moldau, Nordmazedonien und Bulgarien tätig, halten aber Ausschau nach weiteren Märkten, in denen die Digitalisierung möglich ist.
Aus Kundensicht müssen die Finanzdienstleistungen von Iute die schnellsten und komfortabelsten sein. Ausgangspunkt ist unsere Super-App Myiute, mit der Kunden ihr Geld verwalten, Zahlungen tätigen, schnell Kredite aufnehmen und Versicherungen abschließen können. Jedes Produkt ist digital, sofort verfügbar und wird durch unsere technologische Infrastruktur unterstützt.
Um in unseren Märkten weiter zu wachsen, investieren wir massiv in Automatisierung, Data Science und KI-gestützte Entscheidungsfindung in unseren Backend-Systemen. So können wir mehr Kunden mit mehr Produkten bedienen und gleichzeitig die Kosten pro Nutzer unter Kontrolle halten, ohne Kompromisse beim Kundenerlebnis einzugehen.
Unser strategisches Ziel ist es, bis Ende 2027 eine Million aktive Kunden zu erreichen. Dieses Wachstum wird vor allem durch den Ausbau der Zahlungsdienste und die zunehmende Nutzung der Myiute-App vorangetrieben, aber es geht nicht nur um Volumen. Wir konzentrieren uns auf den Aufbau von Tiefe, nicht nur auf Skalierung. Ziel ist es, dass jedes Produkt, jede Schnittstelle und jeder Service so konzipiert ist, dass der Kunde im Mittelpunkt steht. Der Kunde steht bei uns an erster Stelle. Letztendlich wollen wir mit Myiute die digitale Bank mit der meistgenutzten Super-App in unseren Märkten werden.
BOND MAGAZINE: Was unterscheidet Sie von anderen Anleiheemittenten, die Konsumentenkredite vergeben?
Sild: Wir sind ein besonderes Unternehmen, da Banken typischerweise keine öffentlichen Anleihen zur Finanzierung von Konsumentenkreditportfolios emittieren. Einige große Konsumentenkreditinstitute hingegen emittieren Anleihen, deren Erträge und Zukunftsaussichten sich jedoch ausschließlich auf die Abwicklung von Krediten beschränken.
Unsere Kunden nutzen mehrere Dienste. Ein Beispiel: Der Kauf eines Smartphones. Die Zahlung kann beim Händler per Iutes QR-Code-Zahlung ohne Kreditkartenzahlung erfolgen. Die Finanzierung des Kaufs erfolgt über Iutes Sofortkredit. Das empfindlichste Teil des Mobiltelefons kann durch einen kostenlosen Displayaustausch gegen Bruch versichert werden. Alle drei Transaktionen finden gleichzeitig und direkt ohne Zwischenhändler statt und generieren Mehrwert für den Kunden, den Smartphone-Händler, die Displayversicherung und uns.
Um auf diese Weise Geld zu verdienen, bedarf es eines gewissen Grads an Komplexität im Geschäftsprozess, aber auch Flexibilität und ein zukunftsorientierter Ansatz im Finanzgeschäft.
BOND MAGAZINE: Welche Einnahmen erzielen Sie neben Zinserträgen?
Sild: Zinserträge aus Krediten bildeten bisher unser Rückgrat, doch das ändert sich. Seit 2021 haben wir unsere Einnahmequellen diversifiziert, als wir begannen, verschiedene Zahlungsdienste, unser sogenanntes Wallet, und später verschiedene Versicherungen anzubieten. 2024 und wohl auch 2025 wachsen die Umsätze aus Wallet-Diensten und der digitalen Versicherungsvermittlung weiter deutlich schneller als das Kreditgeschäft, und wir erwarten eine weitere Beschleunigung. Aktuell stammen schon mehr als 10% unseres Umsatzes nicht aus dem Kreditgeschäft.
BOND MAGAZINE: Was bietet die Myiute-App genau?
Sild: Die Myiute-App ist unsere vollständig digitale Filiale, in der alle unsere Services verfügbar sind. Wir halten das Filialnetz von Myiute für Kunden offen, die digital nicht versiert sind oder sich in der Umstellungsphase befinden. Myiute ist jedoch eine vollständig digitale, virtuelle Filiale ohne Warteschlangen mit personalisierten Funktionen.
Über Myiute können Kunden Kredite beantragen und verwalten, alltägliche Zahlungen über ihre digitale Geldbörse tätigen, QR-Codes scannen und bei Partnerhändlern bezahlen, über das kartenlose Geldautomatennetz von Myiute Bargeld abheben oder aufladen, Versicherungen abschließen und personalisierte Angebote erhalten. All das geschieht in Echtzeit und mit minimalem Aufwand.
Bis Ende 2024 wurde die Myiute-App 1,19 Millionen Mal heruntergeladen. Doch nicht nur die Downloadzahlen sind unser Ziel, sondern die Nutzung. Und genau hier kommt der Wert der Daten ins Spiel: Je besser wir das Kundenverhalten verstehen, desto besser können wir sie bedienen. Unsere Vision ist, dass Myiute die erste App ist, die Menschen öffnen, wenn sie an Geld denken.
BOND MAGAZINE: Moldau ist einer Ihrer wichtigsten Märkte. Sehen Sie politische Risiken?
Sild: Moldau birgt politische Risiken wie externe Einflussnahme, regulatorische Risiken und institutionelle Fragilität. Das ist Realität. Für uns ist das jedoch nichts Neues. Wir sind seit 2008 dort tätig, und ein erheblicher Teil unseres Gewinns stammt aus Moldau.
Dennoch sehen wir den aktuellen geopolitischen Kontext als Chance. Moldau entscheidet sich für einen wirtschaftlichen Fortschritt durch die Mitgliedschaft im Europäischen Binnenmarkt. Zwar ist das Land noch nicht Teil des Binnenmarktes, aber auf dem Weg dorthin – und wenn das geschieht, werden wir mehr Handel, mehr Kapitalverkehr und mehr freie Grenzübergänge erleben. Und letztlich auch eine steigende Nachfrage nach modernen Finanzdienstleistungen.
Für uns als europäisches Unternehmen, das in dieser dynamischen Region des Kontinents tätig ist, bedeutet das vor allem eines: Wachstum. Mehr Arbeitsplätze, mehr Geschäfte, mehr digitale Finanzdienstleistungen – ob in Moldau, Albanien, Nordmazedonien oder Bulgarien. Moldau ist das Risiko wert, es ist ein Wachstums- und Profitmarkt.
BOND MAGAZINE: Die Energbank kann günstiger refinanzieren als die Iute-Gruppe. Wäre es für Sie nicht vorteilhaft, wenn Iute-Kunden in Moldawien zu Energbank-Kunden werden?
Sild: Wir streben Synergien zwischen beiden Aktivitäten an und wollen ein einheitliches Ökosystem in Moldau aufbauen, das das digitale Know-how von Iute mit den Fähigkeiten der Energbank verbindet. Die Einführung der MyEnergbank-App ist der erste Schritt. Sie bringt die Technologie und die Prinzipien der Kundenerfahrung von Iute in die Bankenwelt und macht Dienstleistungen zugänglicher und intuitiver.
Für die Zukunft sehen wir großes Potenzial für die übergreifende Nutzung von Kundenstämmen, Produktbündelung und gemeinsam genutzter Infrastruktur. Einiges davon ist bereits jetzt Realität.
BOND MAGAZINE: Welche weiteren Märkte möchten Sie erschließen, und welche weiteren Produkte bieten Potenzial?
Sild: Unser geografischer Fokus liegt weiterhin auf Südosteuropa – Märkten mit unzureichendem Bankenzugang und regulatorischer Bereitschaft, in denen wir als digitaler Player aktiv werden können. In dieser Region sind Finanzdienstleistungen noch immer langsam, teuer und oft offline. Beispielsweise verlangen Banken und Händler immer noch sehr hohe Zinsen für Kredite. Aber genau das ist eine Chance für uns. Wir bauen unsere Präsenz dort aus, wo digitales Finanzwesen das traditionelle Bankgeschäft überholen kann. In diesem Jahr wollen wir unsere Geschäftsaktivitäten in mindestens einem weiteren Land starten.
Was die Produkte betrifft, muss jedes Produkt den Kundenwert steigern. Das bedeutet mehr als nur Kreditvergabe. Wallet- und Versicherungsgeschäfte entwickeln sich zu eigenständigen Wertschöpfungsketten. Auch bei Einlagen und Anlageprodukten sehen wir Potenzial.
BOND MAGAZINE: Wie sieht der weitere Zeitplan für die Anleiheemission aus?
Sild: Am 9. April haben wir ein bedingtes Umtausch- und Barangebot für unsere Anleihen 2021/2026 veröffentlicht, das bis zum 7. Mai läuft. Anleihegläubiger können entweder ihre bestehenden Anleihen gegen neue Anleihen 2025/2030 umtauschen und erhalten einen Umtauschbonus von 2,50 Euro pro umgetauschter Anleihe im Nennwert von 100 Euro und verlängern so ihr Investment bis 2030, oder sie können ihre bestehenden Anleihen für jeweils 99 Euro verkaufen.
Sollte der Gesamtbetrag der umgetauschten oder angedienten Anleihen 2021/2026 mindestens 75 Mio. Euro erreichen, beabsichtigen wir die Ausgabe neuer Anleihen 2025/2030 mit einem jährlichen Zinssatz von ca. 11% und einer Laufzeit von bis zu fünf Jahren. Das Gesamtemissionsvolumen der neuen Anleihen 2025/2030 beträgt mindestens 125 Mio. Euro.
Die Ergebnisse des bedingten Angebots werden am 9. Mai 2025 bekanntgegeben. Nach dessen erfolgreichem Abschluss folgt das öffentliche Angebot. Die Erlöse werden wir zur Refinanzierung laufender Anleihen und für unser Wachstum nutzen. Das Endziel bleibt dasselbe: eine Million Kunden, vollständig digital und vollständig integriert.
Das Interview führte Christian Schiffmacher, www.fixed-income.org