Segment verdient 2. Chance

Mittelstandsanleihen: Transparenz ist das oberste Gebot

18.01.15 16:00 Uhr

Mittelstandsanleihen: Transparenz ist das oberste Gebot | finanzen.net

Die Zinspapiere waren anfangs heiß begehrt. Mit der Börse Stuttgart zieht sich aber der erste Handelsplatz aus dem Mittelstandssegment zurück.

von Gerhard Rosenbauer, Gastautor von Euro am Sonntag

Bis Ende 2013 ist das Segment der Mittelstandsanleihen in Deutschland rasant gewachsen. Innerhalb von nur vier Jahren haben sich 120 mittelständische Firmen über den Kapitalmarkt rund acht Milliarden Euro Kapital besorgt. Im vergangenen Jahr ist es ruhiger geworden am Markt - nicht jedoch in der Diskussion. Immerhin sind seit Gründung des Segments nahezu 30 Anleihen ausgefallen, allein 2014 zehn. Und es mehren sich die Stimmen, die diese Finanzierungsform für Mittelständler schon insgesamt für tot erklären.

Wir als einer der größten Investoren sehen hingegen vor allem die Chance auf Erneuerung, die diese Krise bietet. Zusammen mit der Börse, den Emittenten und den Banken erarbeitet Inprimo Invest, Manager des ersten und volumenstärksten Fonds in diesem Markt, neue Qualitätsstandards.

Zunächst jedoch zwei wichtige Klarstellungen: Mehr als die Hälfte der Ausfälle betraf die Branche der erneuerbaren Energien, die besonders unter der Veränderung der Förderpolitik gelitten hat. Und: Mit High-Yield-Anleihen - und um nichts anderes handelt es sich - lässt sich im Vergleich zu den höher gerateten Staatsanleihen immer noch ein beachtlicher Renditeaufschlag erwirtschaften. Umso interessanter ist es aus Anlegersicht, dass die "Kinderkrankheiten" des Segments behoben werden.

Ansprüche institutioneller
Investoren berücksichtigen

In erster Linie muss der gesamte Markt transparenter und anlegerfreundlicher werden - nur auf diesem Weg wird es Emittenten aus dem Mittelstand in Zukunft möglich sein, Vertrauen bei den Anlegern aufzubauen. So ist es für Gläubiger - also die Anleger - oft schwer nachzuvollziehen, wofür das durch eine Anleihe eingesammelte Kapital vom Unternehmen tatsächlich eingesetzt wird. Um sicherzustellen, dass ein Unternehmen die Mittelverwendung wie angekündigt handhabt, kann der Einsatz eines Treuhänders sinnvoll sein. Denn es macht durchaus einen Unterschied, ob ein Unternehmen investiert, zum Beispiel in Ausrüstung oder Personal, oder ob es Kredite abbezahlt.

Mehr Disziplin ist auch im Hinblick auf das Reporting notwendig. Nicht selten kam es in der Vergangenheit vor, dass Halbjahresberichte mit vielen Wochen und Monaten Verspätung publiziert wurden. Wenn die Berichte dann erschienen, war es möglich, dass sich die Situation des Unternehmens schon längst wieder verändert hatte. Sinnvoller als Halbjahresberichte erscheinen ohnehin Quartalsberichte. Banken und Private-Equity-Unternehmen beispielsweise verlangen längst die Veröffentlichung von Quartalsberichten - Gläubiger von Mittelstandsanleihen sollten das gleiche Recht genießen. Zudem sollten die Quartalsberichte zeitnah, also vier bis sechs Wochen nach Ablauf des Berichtzeitraums, veröffentlich werden und auch die zentralen Kennzahlen für die Beurteilung des Unternehmens enthalten.

Für die anderen Marktteilnehmer sind diese Berichte ein wichtiges Puzzleteil bei der Beurteilung des Unternehmens. Auch bei der inhaltlichen Qualität der Berichte besteht Nachbesserungsbedarf - sie müssen verständlich sein und vor allem eine realistische Einschätzung der Lage des Unternehmens ­ ermöglichen. Generell gilt: Die Rechte der Käufer von Mittelstandsanleihen müssen ­gestärkt werden. Die aktuellen Standards in diesem Segment sind nicht wettbewerbsfähig und entsprechen nicht den Standards der ­internationalen Kapitalmärkte.

Bisher war zu beobachten, dass sich vor allem Privatanleger von den hohen Coupons und den bekannten Markennamen der Emissionen angezogen fühlten. Für den Reifeprozess des Marktsegments ist es jedoch wichtig, dass mehr institutionelle Anleger angesprochen werden. Immerhin hat die Ratingagentur Standard & Poor’s berechnet, dass bis zum Jahr 2018 circa 3,5 Billionen Euro Refinanzierung für mittelständische Unternehmen in Europa benötigt werden.

Auch wenn es für deutsche Unternehmen im Moment noch recht unproblematisch ist Bankkredite zu erhalten - in anderen europäischen Ländern wie Spanien und Italien beispielsweise werden kleineren und mittleren Unternehmen so gut wie keine Bank­kredite mehr genehmigt -, werden die Hürden für die Kreditvergabe in allen EU-Ländern doch insgesamt höher, denn aufgrund der neuen Regulierungsanforderungen müssen die Banken versuchen, ihre Bilanzen von Krediten zu säubern.

Auch in Deutschland wird also der Bedarf an Mittelstandsfinanzierung die Nachfrage von Privatanlegern dauerhaft übersteigen. Umso wichtiger ist es, dass der Markt für Mittelstandsanleihen auch für Versicherungen, Pensionskassen und ähnliche institutionelle Investoren wettbewerbsfähiger wird.

Institutionelle Anleger benötigen jedoch neben der bereits angesprochenen Transparenz eine größere Vielfalt in der Ausgestaltung der Produkte. Anleihen mit variabler Verzinsung wären hier beispielsweise zu nennen, Convertibles oder Produkte, die einen sogenannten Rating Trigger enthalten. Um für Investoren attraktiv zu sein, muss sich auch ein mittelständisches Unternehmen einmal im Jahr einem Rating unterziehen. ­Rating-Trigger-Produkte könnten beispielsweise so aufgesetzt werden, dass der Schuldner bei einem Downgrading im Rahmen ­eines Ratings dem Gläubiger einen höheren Coupon zahlen muss, bei einem Upgrading würde sich der Mechanismus umkehren.

Kreditanalyse ist das
entscheidende Kriterium

Anleger müssen allerdings wissen, dass Mittelstandsanleihen auch mit der Einführung höherer Qualitätsstandards größere Risiken tragen als Unternehmensanleihen höchster Bonität. Weniger als ein Drittel der zu Beginn des Jahres notierten Anleihen hatten laut ­einer Untersuchung der DZ Bank ein Rating im Investment-Grade. Die Kreditanalyse ist also das entscheidende Erfolgskriterium.

Fonds, die sich auf dieses Segment spezialisiert haben, zeigen eine höchst unterschiedliche Performance. Nur wenigen ist es gelungen, sich vom Index nachhaltig positiv abzusetzen. Unser Fonds Inprimo MittelstandsRenten AMI verdankt seinen Wertzuwachs vor allem der Tatsache, dass er bislang von den Zahlungsausfällen nicht betroffen war. Portfoliomanagement bedeutet in diesem Segment vor allem Kreditanalyse. Auch Anleger, die sich dies bewusst machen, tragen zum Reifeprozess bei.

Kurzvita

Gerhard Rosenbauer, Portfoliomanager
und Geschäftsführer bei Inprimo Invest

Der Autor ist seit Oktober 2013 Geschäftsführer bei Inprimo Invest und ­managt seit 30 Jahren Anlagen im Anleihe­bereich. Er war von 2001 bis 2009 Geschäftsführer der Meag Kapitalanlagegesellschaft. Danach verantwortete er die Vermögensverwaltung für institutionelle und private Anleger bei Capital-Forum.
Die Investmentboutique Inprimo Invest mit Sitz in Frankfurt am Main hat eine langjährig erfolg­reiche Expertise im Segment Corporate Bonds und ist mit einem verwalteten Vermögen von rund 130 Millionen Euro Marktführer für Anleihen von inhaber- und familien­geführten Unternehmen.

Bildquellen: Inprimo Invest, travellight / Shutterstock.com