Europäische Investitionsgüterindustrie stabil unter schwierigen Bedingungen
Derzeit schätzen wir den Rating-Ausblick für die Investitionsgüterindustrie in Europa überwiegend stabil ein.
Allerdings deutet unsere volkswirtschaftliche Basisprognose auf ein schwaches Wachstumsumfeld für den europäischen Investitionsgütersektor hin, mit einigen Abwärtsrisiken aufgrund geopolitischer Instabilität. Während wir für Märkte mit kurzen Zyklen sogar einen moderaten Aufschwung erwarten, zeichnet sich bei Märkten mit langen Zyklen, insbesondere in den Energie- und Rohstoffmärkten, bezüglich der Nachfrage eher Pessismismus ab.
Finanzpolitische Entscheidungen stellen weitere mögliche Risiken für einen Abschwung dar und können mit geringerer Wahrscheinlichkeit für ein Aufschwungpotenzial sorgen. Die Finanzpolitik bleibt voraussichtlich ein Hauptfaktor für die Bonität der Branche.
Bonität der Anleiheemittenten relativ stabil
Der europäische Investitionsgütersektor ist sehr diversifiziert und deckt eine große Anzahl an Herstellern von Industrieausstattungen, Produkten und Dienstleistungen für eine Vielzahl von Endmärkten ab. Die Käufer von Investitionsgütern kommen aus verschiedenen Industrien wie der Bau-, Energie-, Logistik-, Kraftwerks- und Landwirtschaftsbranche sowie allgemein dem produzierenden Gewerbe.
Demzufolge variiert die Produktionsleistung der Investitionsgüterhersteller erheblich, je nachdem wie stark die Konzentration ihres Geschäftes auf Kunden in kurz- oder langlebigen Industrien ist. Unternehmen aus Industrien mit kurzen Zyklen kommen hauptsächlich aus dem produzierenden Gewerbe und aus der Transport- oder Automobilherstellung. Unternehmen aus Industrien mit langen Zyklen beliefern vorwiegend Bergbau-, Energie- und Rohstoffmärkte.
Insgesamt erwarten wir, dass die Bonität der europäischen Anleiheemittenten in diesem Sektor im nächsten Jahr relativ stabil bleibt. Dies ist auch daran abzulesen, dass die Ratings von 79 % der 48 von uns gerateten Emittenten einen stabilen Ratingausblick aufweist. Viele dieser Anleiheemittenten dürften in der Lage sein, ihre Bonität zu bewahren, selbst wenn die wirtschaftlichen Bedingungen schwieriger werden. Andere Emittenten könnten jedoch eher Schwierigkeiten bekommen, wenn das operative Geschäft schwächer wird oder wenn große Akquisitionen getätigt wurden, die nun verkraftet werden müssen. Demzufolge weisen wir durch einige negative Ausblicke auf mögliche Risiken hin.
Stabiler Rating-Ausblick für die Industrie
Unser Ausblick für Investitionsgüterunternehmen in Europa basiert auf verschiedenen zentralen Wirtschaftsindikatoren, darunter das BIP-Wachstum, die Industrieproduktion und die Entwicklung der Investitionsausgaben (Capex), die nach unserer Auffassung den größten Einfluss auf den Sektor haben.
Wir glauben, dass das Umfeld für Investitionsgüterunternehmen in Europa weiterhin von geringem Wachstum geprägt ist. Jedoch erwarten wir, dass die Emittenten von besseren Bedingungen im Ausland profitieren, die die Schwierigkeiten in Europa ausgleichen sollten. Unter den aggregierten Annahmen unseres Basisszenarios erwarten wir, dass günstige gesamtwirtschaftliche und industriespezifische Rahmenbedingungen im Laufe des nächsten Jahres verhaltenes Umsatz- und EBITDA-Wachstum für die meisten Unternehmen aus der Investitionsgüterindustrie unterstützen werden, mit einer zunehmenden Wachstumsdynamik nach 2015. Jedoch ist die Anzahl negativer Ausblicke und CreditWatch-Listings im vergangenen Jahr gewachsen, was auf steigende Risiken, verbunden mit unternehmensspezifischen operativen Bedingungen wie auch finanzpolitischen Entscheidungen, hindeutet.
Geopolitische Risiken könnten negative Auswirkungen auf das Geschäftsklima haben
Geopolitische Risiken wie der Konflikt zwischen Russland und der Ukraine, die Sanktionen gegen Russland und die Gewalt im Nahen Osten könnten zusätzlich negative Auswirkungen auf das Geschäftsklima haben. Dies könnte wiederum dämpfend auf die Nachfrage wirken und Kunden von Investitionsgütern dazu veranlassen, größere Investitionen zu annullieren oder zu verschieben. In den letzten Monaten haben branchenspezifische Indikatoren schon einen rückläufigen Trend aufgezeigt, der möglicherweise den fragilen Aufschwung für die europäische Wirtschaft gefährden könnte.
Von Anna Stegert, Director Ratings Analytical, Standard & Poor’s Ratings Services Frankfurt
Hier kommentieren jede Woche Analysten von Standard & Poor’s Credit Ratings Services (S&P) die Entwicklungen in der Wirtschaft und an den Finanzmärkten - und welche Herausforderungen sich daraus für Wachstum und Stabilität ergeben. S&P ist seit 30 Jahren mit inzwischen neun Standorten in Europa vertreten, im Frankfurter Büro arbeiten 120 Mitarbeiter aus 19 Ländern. Mehr Infos unter www.spratings.de
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