Abwertung des Renminbi bringt EZB in Zugzwang
Von der Abwertung des Renminbi in der vergangenen Woche auf ein Vierjahrestief wurden die Finanzmärkte auf der ganzen Welt überrascht.
Abstürze an den globalen Aktienmärkten waren die Folge. Die Investoren sahen den Schritt der chinesischen Behörden als Bestätigung dafür, dass sich die weltweit zweitgrößte Wirtschaft spürbarer abschwächt als bisher angenommen. In Erwartung einer schwächeren Nachfrage aus China fielen die Rohstoffmärkte ebenfalls.
Überzogene Reaktion der Märkte?
Die Reaktion der Märkte erscheint etwas überzogen, waren doch vorher schon verschiedene Signale erkennbar, die darauf hinwiesen, dass die chinesische Wirtschaft jetzt langsamer wächst als in den letzten beiden Jahrzehnten. Der Schritt der chinesischen Behörden zeigt aber auch, dass sie die potenzielle Aufwertung des Renminbi im Vorfeld des Treffens der Fed im September, bei dem die erste Anhebung des amerikanischen Leitzinses seit 2006 beschlossen werden könnte, abschwächen wollen. Anders ausgedrückt könnte der Schritt Chinas auch als Versuch gewertet werden, den Renminbi aus der absehbaren Dollaraufwertung herauszuhalten.Allerdings bewirken Änderungen in der Geldpolitik Pekings unweigerlich Dominoeffekte in der Weltwirtschaft. So ist die Reaktion der Entwicklungsländer, die nach China exportieren und mit Chinas Exporten weltweit im Wettbewerb stehen, von großer Bedeutung. Sollte sich herausstellen, dass der Renminbi sich in einer Phase steter Abwertung befindet und es sich nicht um einen einmaligen Vorgang gehandelt hat, könnten andere Zentralbanken in Entwicklungsländern dem Beispiel folgen und ihre Währungen ebenfalls abwerten.
Fortführung des QE-Programms der EZB
Aus Sicht von Standard & Poor’s Ratings Services wären dies schlechte Nachrichten für die EZB, und zwar aus zwei Gründen: Die EZB hat eine aggressive Kampagne zur Unterstützung der zarten wirtschaftlichen Erholung in der Eurozone und zur Bekämpfung des Deflationsdrucks begonnen und ein umfangreiches Anleihenaufkaufprogramm gestartet, das so genannte Quantitative-Easing. Einer der inoffiziellen aber wünschenswerten Effekte des QE-Programms ist die Abwertung des Euro, um sowohl das Exportwachstum der Eurozone zu stimulieren als auch das Inflationsziel der EZB von "nahe aber unter 2 Prozent" in der Eurozone zu erreichen. Durch eine breite Abwertung der Währungen in den Entwicklungsländern würden die Produkte aus diesen Ländern billiger. Daraus könnte neuer Deflationsdruck in Europa, aber auch in den USA erwachsen. Außerdem würde dies zu einer Aufwertung des realen effektiven Wechselkurses des Euro führen und damit die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Exporte hemmen.
Es ist noch zu früh, um alle Konsequenzen aus dem Schritt der chinesischen Behörden abzuschätzen. Wahrscheinlich ist jedoch der verstärkte Einsatz des QE-Programms der EZB, um einer zu starken Aufwertung des Euro zuvor zu kommen. Da das Inflationsziel der EZB auch angesichts des weiterhin sehr niedrigen Ölpreises unerreichbar bleibt, steigen die Aussichten auf eine Verlängerung des QE-Programms der EZB über 2016 hinaus.
Von Jean-Michel Six, Chefökonom für EMEA bei Standard & Poor’s Ratings Services in Paris
Hier kommentieren jede Woche Analysten von Standard & Poor’s Credit Ratings Services (S&P) die Entwicklungen in der Wirtschaft und an den Finanzmärkten - und welche Herausforderungen sich daraus für Wachstum und Stabilität ergeben. S&P ist seit 30 Jahren mit inzwischen neun Standorten in Europa vertreten, im Frankfurter Büro arbeiten 120 Mitarbeiter aus 19 Ländern. Mehr Infos unter www.spratings.de
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