Populismus
„Die Ampel sieht alt aus“ kommentierte Spiegel-Online vor ein paar Tagen. Damit meinte man nicht die durchwachsene Performance der Koalition, sondern den gleich massenweisen Exodus von Politikern jüngeren Alters. „Eine 30-Jährige gibt den Parteivorsitz bei den Grünen ab, ein 35-Jähriger will nicht länger SPD-Generalsekretär sein. Es wirkt fast, als ob die mangelnde Innovationsfähigkeit des Landes sich auch im politischen Toppersonal spiegelt.“
Der ehemalige SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz weinte sich dann in seltener Offenheit in einem Interview über das unbarmherzige Politbusiness aus. „Politik ist schwer erträglich geworden“. Daran sei eben u.a. auch die Digitalisierung Schuld, die eine 24/7 Verfügbarkeit erforderlich mache.
Nun denken wir, dass es eben aber auch daran liegt, dass der größte Teil der Kaste eben auch jeder Sau hinterherläuft, die irgendjemand – seien es Medien oder der politische Gegner – durchs Dorf treibt. Und so eben auch den Fokus für das Wesentliche verliert. Wir wünschen uns eigentlich Politiker, die nicht durch den Dauerwahlkampf hecheln, sondern klare Standpunkte vertreten. Standpunkte für die sie sich auch abwählen lassen. Denn feste Standpunkte erfordern eine belastbare Argumentationskette und daher auch Sachkenntnis. Diese Sachkenntnis ist erforderlich, wenn man einen „Laden“ mit mehr als 83 Millionen Menschen erfolgreich schmeißen will.
Aber was bekommen wir? Immer weiter zunehmenden Populismus und Fehlleistungen. Egal ob die Regierung Merkel die Laufzeit uralter Atommeiler erst verlängerte u. a., um den aus den lange abgeschriebenen Öfen resultierenden Überprofit heimlich über eine Brennelementesteuer hälftig wieder abzuschöpfen. Dann kam am 11. März 2011 Fukushima mit all den populistischen Konsequenzen. Obwohl damals schon klar war, dass das Klimathema die Kernkraft wieder auf die Tagesordnung setzen würde. Energiepolitik erfordert aufgrund der hohen Investitionssummen langfristige Planbarkeit und Verlässlichkeit.
Es geht auch aktueller: Großes Wehklagen erfolgte, als Mitte September die Unicredit die komplette Platzierung von Aktien der Commerzbank erwerben konnte. Wie man hörte, war ein Konsortium aus JP Morgan und Goldman Sachs von der KfW, praktisch aber vom Bundesfinanzministerium mandatiert worden. Warum dann Goldman Sachs angeblich einen Tag vor der Platzierung das Konsortium wegen „Interessenkonflikten“ verlassen hat, darüber kann sich jeder seine eigenen Gedanken machen. Dass angeblich so kapitalmarkterfahrene Protagonisten im BMF sich so über den „Leisten balbieren“ lassen, ist schon bemerkenswert. Diese Naivität hätten vermutlich Politiker, die weiter links stehen so nicht an den Tag gelegt, da man den Kapitalmärkten gegenüber grundsätzlich mehr Misstrauen entgegenbringt. (Wir beziehen ausdrücklich keine Position, ob der diskutierte Zusammenschluss sinnvoll ist - oder nicht. Wir bewerten lediglich den Ablauf...).
Ein „Highlight“ war zuletzt ein bayerischer Spitzenpolitiker der im Wahlkampf marode Brücken und die Unpünktlichkeit der Bahn beklagte. Abstrus: Seine Partei stellte die letzten 3 Verkehrsminister vor der Ampel.
Aber wir wollen nicht in den Wahlkampf eingreifen, sondern beobachten verwundert. So schreibt der Tippdienst „Die Actien-Börse“ am 12.10.2024 „Die Ampel ist in Deutschland kein Thema mehr, lediglich eine Zeitfrage.“ Dies reflektiert sich auch in der Demoskopie und der Einzige, der das - wie so oft - nicht mitbekommen will, ist der Mann, der derzeit im Bundeskanzleramt wohnt. Zusätzlich hecheln momentan fast alle Parteien einer tendenziell antieuropäischen Richtung hinterher. Etwas, was sich seit Jahrzehnten nicht mehr vorwärts entwickelt - wie die EU –, das entwickelt sich irgendwann rückwärts.
Das manche Wähler und auch Unternehmen die Nase voll haben, zusätzlich zu dem bundesdeutschen Bürokratiemoloch auch noch das Verwaltungsmonster Brüssel täglich besiegen zu müssen ist nachvollziehbar. Allerdings ist es brandgefährlich, hier den Anbietern einfacher Lösungen (Dexit!) einfältig hinterherzulaufen. Fragen Sie mal in England nach, was dort los ist. Die Briten haben sehr schnell gemerkt, was für ein Granateneinschlag der Brexit für die Unternehmen aber auch für die Versorgungslage der Bürger war.
Dass die Globalisierung in vielerlei Hinsicht ein Monster war, ist unbestritten. Aber De-Globalisierung? Die Zunahme kriegerischer Handlungen auf der Welt ist nur eine schmerzhafte Folge davon. Selbst wenn wir nach den Wahlen stabile Verhältnisse in Deutschland, Europa und auch in den USA bekommen: Wir können froh sein, wenn die Veränderung nur durch allfällige Reformen stattfindet. Warum wir Sie hier mit all diesen Dingen schulmeistern? „Deutschland, der Ballast Europas“ lautet eine aktuelle Kolumne bei Spiegel-Online: „Während unsere Wirtschaft immer weiter schrumpft, gedeihen Teile Europas prächtig. Für die Währungsunion wird das zur Herausforderung.“
Die niedrige Bewertung der Assets an den deutschen Kapitalmärkten ist eben eine von vielen fatalen Folgen all dieser Probleme. Und betrifft eben gerade unsere heimischen Unternehmen wie deren Investoren. Die Bewertungen wirken wie ein weiteres Hemmnis. Gerade im Small-Cap Bereich braucht es den auch und ganz besonders den privaten Anleger, um die Märkte attraktiv zu machen für kleine- und mittelständische Emittenten. Hier gab es zwar erste Anzeichen von Bewegung in der Ampel aber ein strukturiertes Vorgehen ist nicht zu erkennen.
So sehr alle Finanzplatzinitiativen, DAIs, Verbände usw. auch richtiges fordern - wie beispielsweise eine attraktive Besteuerung von Aktieninvestments wie in Schweden - viel hat das alles nicht gebracht, weil es komplex ist und hier eben oft der Sachverstand fehlt.
Nach dem glorreichen Verkauf der Commerzbank Aktien aus dem Bestand des Bundes nach Italien folgt nun in Hessen der nächste Populismus-Coup. Wir zitieren hier den Newsletter „Finanzszene“ vom 11.10.2024 unter der schon alles sagenden Überschrift „Ignoriert“: „Der Finanzplatz Frankfurt soll wieder mal gestärkt werden. Vor dem Hintergrund der drohenden Commerzbank-Übernahme kündigte der hessische Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) am Donnerstag die Gründung eines neuen "Finanzplatz-Kabinetts" an. Damit ist offenbar ein Arbeitskreis gemeint, dem neben der Politik auch "Akteure des Finanzplatzes Frankfurt" angehören sollen, wie Rhein in Medienberichten zitiert wird. Ziel sei, eine Strategie zu entwickeln, "um Frankfurt zu stärken". In welcher Beziehung "Frankfurt Rhein Finance" zu bestehenden Finanzplatz-Initiativen wie "Frankfurt Main Finance" stehen wird, blieb bis Redaktionsschluss unklar.“
Global agierende Unternehmen schauen schon lang zu anderen Handelsplätzen. Jetzt haben wir noch die Chance unseren noch immer sehr starken Small- and Mid-Caps einen funktionierenden Kapitalmarktzugang in Frankfurt und Deutschland zu schaffen. Aber da nutzt kein Arbeitskreis, dessen Sinnhaftigkeit wir bisher nicht erkennen. Dementsprechend schließen wir diesen Standpunkt mit der Mahnung: „Was soll das“?
Zu mwb:
Die mwb fairtrade Wertpapierhandelsbank AG ist ein von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) zugelassener Wertpapierdienstleister mit Niederlassungen in Gräfelfing bei München, Hamburg, Hannover, Frankfurt und Berlin. Das Unternehmen wurde 1993 gegründet. 1999 erfolgte der Börsengang. Heute ist die mwb-Aktie (ISIN DE000A3EYLC7, WKN A3EYLC) an der Börse München im Segment m:access notiert wie auch im Freiverkehr an den Börsen Berlin, Düsseldorf, Frankfurt (Basic Board), Hamburg und Stuttgart. mwb ist in zwei Geschäftsbereichen aktiv: Wertpapierhandel und Corporates & Markets. Im Wertpapierhandel betreut mwb rund 46.000 Orderbücher für deutsche und internationale Wertpapiere. Dabei handelt es sich sowohl um Aktien als auch um festverzinsliche Wertpapiere und offene Investmentfonds. Damit ist mwb einer der größten Skontroführer in Deutschland.
www.fixed-income.org
Foto: Kai Jordan © mwb Wertpapierhandelsbank AG