Anleihen: Warum Nachranganleihen jetzt eine gute Chance bieten
Nachrangige Bonds, die Corporate Hybrids, weisen einen Renditeaufschlag gegenüber herkömmlichen Papieren auf. Mit Fonds oder ETFs lassen sich gute Einstiegschancen nutzen.
Werte in diesem Artikel
von Christian Bayer, Euro am Sonntag
Mancher Anleihe-Investor
hat am Ende des ersten
Quartals Erfahrungen gemacht, die eher für den
Aktienmarkt typisch sind: Auf dem
Kurszettel standen herbe Verluste. Die
ersten drei Monate des Jahres waren das
schlechteste Quartal seit über 30 Jahren, weiß Alex Stanley, Anlagestratege
bei Ardea Investment Management. Privatanleger stellen nach der Talfahrt nun
zwei Fragen: Ist es Zeit einzusteigen?
Und gibt es ein Anleihesegment, das
Risiken adäquat entlohnt?
Nachrang-Anleihen von Industrieunternehmen (Corporate Hybrids) segeln oft unter dem Radar der Investoren, und das zu Unrecht. "Das ganze Segment der Corporate Hybrids ist durch den Risk-off-Modus der Märkte zwar nach unten durchgereicht worden. Perspektivisch haben Corporate Hybrids jedoch ein exzellentes Chancen-Risiko-Profil", meint Sven Pfeil, Vorstand der Aramea Asset Management AG und Fondsmanager des Aramea Rendite Plus. Der Fonds investiert neben Corporate Hybrids von Industrieunternehmen auch in Nachranganleihen von Banken und Versicherern. Auch aus Sicht von Ercan Demircan, Co-Fondsmanager des Bantleon Select Corporate Hybrids, sind die Renditen nachrangiger Unternehmensanleihen aktuell aus fundamentaler Sichtweise signifikant unterbewertet und relativ zu anderen Anlageklassen äußerst attraktiv.
Anleihen von bonitätsstarken Emittenten mit attraktiven Renditen - das klingt zunächst nach "free lunch". Doch den gibt es bekanntlich an der Börse nicht. Höheren Renditen stehen größere Risiken gegenüber, so will es das eherne Gesetz des Kapitalmarktes. Der Vorteil der Papiere: Im Vergleich zu erstrangigen Anleihen, sogenannten Senior Bonds, müssen die Emittenten von Corporate Hybrids Anleger mit einem Risikoaufschlag für die Nachrangigkeit entschädigen. Der Nachteil: Geht das Unternehmen pleite, werden die Investoren der Nachranganleihen erst nach den übrigen Gläubigern bedient.
Corporate Hybrids weisen im Unterschied zu herkömmlichen Unternehmensanleihen zudem sehr lange oder unbegrenzte Laufzeiten auf. Häufig ist frühestens nach fünf Jahren ein erstes Kündigungsrecht des Emittenten vorgesehen. Falls nicht gekündigt wird, werden der Basiszins, der in der Regel am Geldmarktsatz ausgerichtet ist, und der Risikoaufschlag dann neu festgelegt. Generell müssen Anleger sehr tief in den Emissionsbedingungen graben, um Chancen und Risiken eines Papiers richtig einzuschätzen. So kann es nach bestimmten Ereignissen beim emittierenden Unternehmen Kuponausfälle, die eventuell mit zeitlichem Verzug wieder ausgeglichen werden, oder eine Verschiebung der Zahlungen geben.
Verglichen mit High-Yield-Portfolios weisen Nachranganleihen, die von renommierten Unternehmen begeben werden, geringere Maximum Drawdowns und eine niedrigere Volatilität auf. "Gegenüber High-Yield-Unternehmensanleihen sind die Risikoprämien von Corporate Hybrids historisch betrachtet deutlich attraktiver. Entsprechend sind Corporate Hybrids insbesondere gegenüber Hochzinsanleihen zu bevorzugen. Die noch relativ geringen Ausfallraten von High-Yield-Anleihen sollten im Zuge des sich abkühlenden künftigen Wirtschaftswachstums anziehen", so Demircan.
Nicht nur aufgrund der Komplexität der Bedingungen ist der Markt fest in der Hand institutioneller Investoren. Auch die meist hohen Stückelungen der Papiere führen dazu, dass Privatanleger sich das Anleihesegment über Fonds oder Exchange Traded Funds wie den Invesco Euro Corporate Hybrid Bond UCITS ETF ins Depot holen sollten. Regional dominieren in dem passiven Produkt Unternehmen aus Deutschland (22,4 Prozent) und Frankreich (20,9 Prozent). Im Corporate-Hybrids-Segment, das vielfach Ineffizienzen aufweist, ist allerdings aktives Management im Vorteil.
Wachsender Markt
Das einstige kleine Nischensegment ist erwachsen geworden. Laut Züricher Kantonalbank hat sich das Volumen nachrangiger Anleihen von Nicht-Finanzunternehmen von 2011 bis 2021 versechsfacht. "Ein sektoraler Schwerpunkt mit 91 Milliarden Euro liegt noch immer bei den Versorgern. Allerdings verbreitert sich die Basis deutlich, sie reicht mittlerweile von Automobilherstellern über Chemieunternehmen bis hin zu Personaldienstleistern" erläutert Aramea-Vorstand Pfeil.
Der defensive Sektoren-Schwerpunkt bietet in der aktuellen Marktsituation Rückenwind. "Hybride Emittenten sind primär in defensiven Sektoren angesiedelt - Sektoren, die besser in der Lage sein dürften, eine Phase hoher Inflation oder sogar eine Rezession ohne größere Schwierigkeiten zu überstehen. Telekommunikationsunternehmen, Energie und Versorger machen 62 Prozent des europäischen Corporate-Hybrids-Marktes aus. Genau diese Sektoren haben am Aktienmarkt in diesem Jahr bereits eine überdurchschnittliche Performance ausgewiesen, bieten aber im Durchschnitt immer noch eine Rendite von fast vier Prozent für Corporate Hybrids", erläutert Demircan.
Neuemissionen im Blick
Die Risikoaversion der Anleger hat die Karten bei den Emissionen neu gemischt - zugunsten der Anleger, wenn man auf die Kupons der Hybrid-Anleihen blickt: "Es ist klar, dass wir, verglichen mit der noch recht heilen Welt des vergangenen Jahres, einen Paradigmenwechsel erleben. Die Emittenten haben sich 2021 quasi bei den Kupons unterboten. Ein Beispiel: Der Personaldienstleister Adecco ist im September 2021 mit einer Nachranganleihe auf den Markt gekommen, bei der der Kupon bei einem Prozent liegt. "Bei einer diesjährigen Emission von Bayer waren es 4,5 Prozent", so Pfeil.
Investor-Info
NACHRANGIGER ANLEIHE-FONDS I
Sicheres Rating
Sven Pfeil, Manager des Aramea Rendite Plus, investiert in Nachranganleihen von Banken (49,9 Prozent), Versicherungen (24,4 Prozent) und Unternehmen (21,9 Prozent) sowie in Genussscheine. Der Anteil von Bonds mit "A"-Rating liegt bei 54 Prozent, 32,8 Prozent weisen ein "BBB"-Rating auf. Im Portfolio befinden sich neben Anleihen der Deutschen Postbank auch Genussscheine von Drägerwerk und Bertelsmann. Der Fonds erzielte in zehn Jahren 56 Prozent Rendite. Seit Jahresanfang verlor er knapp acht Prozent.
NACHRANGIGER ANLEIHE-FONDS II
Konjunktur definiert Portfolio
Im Bantleon Select Corporate Hybrids sind Porsche, Totalenergies und BP hoch gewichtet. Die Konjunkturanalyse hat wesentlichen Einfluss auf die Portfolio-Zusammenstellung. In konjunkturellen Aufschwungphasen wird in der Regel vollständig in Nachranganleihen investiert, in Abschwungphasen können auch Senior-Bonds gekauft werden. Der Schwerpunkt liegt auf Investment-Grade-Papieren. Der Fonds hat seit Jahresanfang rund zehn Prozent verloren.
NACHRANGIGER BOND-ETF
Volumenschwere Papiere
Der im September 2020 aufgelegte Invesco Euro Corporate Hybrid Bond UCITS ETF enthält in Euro begebene Hybrid-Anleihen von Unternehmen außerhalb des Finanzsektors. Die Bonds weisen ein Volumen von mindestens 500 Millionen Euro auf, für den Emittenten ist ein Rating von mindestens "Ba1/BB+" vorgesehen. Die Gewichtung einer Anleihe ist auf maximal acht Prozent begrenzt. Zu den Top-Holdings im ETF zählen aktuell Papiere von BP und Vodafone.
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