EZB-Chef Draghi fordert wachstumsfreundlichere Politik
EZB-Präsident Mario Draghi hat sich für eine wachstumsfreundlichere Wirtschaftspolitik in der Eurozone ausgesprochen.
Beim geldpolitischen Symposium in Jackson Hole forderte er die Regierungen der Eurozone-Länder dazu auf, die bestehenden finanziellen Spielräume für eine Stärkung der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage zu nutzen. Draghi plädiert damit quasi für ein Ende der Austeritätspolitik.
Für Draghi ist klar: "Das Risiko, bei der Nachfragestärkung zu wenig zu tun, ist derzeit größer als das Risiko, zu viel zu tun." Der EZB-Präsident bekannte sich dazu, dass der Geldpolitik bei der Stärkung der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage eine "zentrale Rolle" zukommt.
Er verwies aber auch darauf, dass die Zentralbank dazu in jüngster Zeit einiges getan hat: "Ich bin überzeugt, dass die im Juni beschlossenen Maßnahmen den beabsichtigten Nachfrageeffekt haben werden, und wir sind bereit, unsere geldpolitische Ausrichtung weiter anzupassen", sagte der EZB-Präsident.
Deshalb sieht Draghi nun vor allem die Regierungen in der Pflicht, für mehr Wachstum zu sorgen. Nicht nur über Strukturreformen - das ist die von Zentralbankern ständig vorgetragene Forderung an die Politik - auch über mehr finanzielle Impulse sollen die Regierungen das Wachstums stärken. "Die vorhandene Flexibilität der (Fiskal-)Regeln könnte genutzt werden, um die Erholung zu verstärken und den Kosten der notwendigen Strukturreformen Rechnung zu tragen", sagte er.
Und finanzieller Spielraum besteht durchaus. Im ersten Quartal hatten die Länder des Euroraums zusammen genommen ein Haushaltsdefizit von 2,7 Prozent. Erlaubt sind 3 Prozent. Draghi sagte: "Eine Diskussion über die Ausrichtung der Finanzpolitik des gesamten Euroraums könnte nützlich sein. (...) Eine stärkere Koordinierung der Finanzpolitik der einzelnen Länder sollte prinzipiell eine wachstumsfreundlichere Eurozone-Finanzpolitik erlauben."
Damit dürfte er auch auf Deutschland gezielt haben, das seinen Haushalt bereits nahezu ausgeglichen hat und dessen Wirtschaft im zweiten Quartal um 0,2 Prozent geschrumpft ist.
Neuen Auftrieb könnte die Diskussion über höhere öffentliche Ausgaben in nächster Zeit erhalten, wenn die nationalen Defizitquoten wegen der Aufwärtsrevision der Wirtschaftsleistung nach unten korrigiert werden. Hintergrund: Eurostat passt die Berechnung des Bruttoinlandsprodukts (BIP) internationalen Standards an, was zu höheren BIP-Niveaus führen wird. Bei konstantem Fehlbetrag im laufenden Haushalt sind deshalb niedrigere Defizitquoten zu erwarten.
Darüber dürfte die schwache Wirtschaftsentwicklung - das BIP des Euroraums hat im zweiten Quartal nur stagniert - zusätzlichen Spielraum in der "strukturellen" Defizitbetrachtung schaffen.
Draghi verwies darauf, dass bereits eingetretene Wechselkursbewegungen - der Euro wertet seit Ende Juni ab - Nachfrage und Inflation stützen sollten. Er erwartet zudem, dass dieser Effekt durch den zukünftig unterschiedlichen geldpolitischen Kurs von US-Notenbank und EZB verstetigt wird. Viel verspricht sich der EZB-Präsident von den beschlossenen langfristigen und zweckgebundenen Refinanzierungsgeschäften für Banken (T-LTRO) und dem Ankauf von Kreditverbriefungen.
Die so genannten T-LTROs - das erste Geschäft wird im September begeben - stoßen nach seiner Aussage bei den Banken bereits jetzt auf "signifikantes Interesse". Auch machten die Vorbereitungen für den Ankauf von Kreditverbriefungen (Asset-backed securities - ABS) rasche Fortschritte. "Wir erwarten, dass sie zu einer weiteren Lockerung der Kreditbedingungen führen. Solche Ankäufe würden unsere Möglichkeiten zur Ausweitung der Liquidität deutlich vermehren", sagte Draghi.
Von Hans Bentzien DJG/hab/sha Dow Jones Newswires
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