Draghi: EZB nur an mittelfristiger Inflation interessiert
Der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), Mario Draghi, sieht eine geldpolitische Stützung der Euroraum-Wirtschaft trotz des jüngsten Inflationsanstiegs weiterhin als notwendig an.
Bei seiner vierteljährlichen Anhörung vor dem Wirtschafts- und Währungsausschuss des Europaparlaments sagte Draghi, zwar seien die akuten Risiken eines anhaltenden Preisrückgangs geschwunden, doch befinde sich die Inflation weiterhin nicht auf einem klaren Kurs in Richtung des Zielwerts. Daher sei die EZB bereit, ihr Wertpapierankaufprogramm falls erforderlich aufzustocken und/oder zu erhöhen. Aussagen zum Ausblick der Leitzinsen machte Draghi nicht.
Der EZB-Rat hatte im Dezember 2016 beschlossen, seine Wertpapierankäufe bis Ende 2017 zu verlängern, allerdings bei einem ab März auf 60 (bisher: 80) Milliarden Euro verringerten monatlichen Ankaufvolumen. Diese Foreward Guidance wurde im Januar ebenso bestätigt wie die Aussage, dass die Zinsen auf dem aktuellen oder noch niedrigeren Niveau bleiben dürften, und zwar "für längere Zeit" und deutlich über die Dauer der Anleiheankäufe hinaus.
Draghi: Noch keine klaren Anzeichen für nachhaltigen Inflationsanstieg
Diese Beschlüsse beschrieb Draghi als den Versuch, einerseits der Tatsache Rechnung zu tragen, dass die akuten Deflationsrisiken geschwunden seien, aber andererseits zu berücksichtigen, dass es keine klaren Anzeichen für einen nachhaltigen Anstieg der Inflation in Richtung des Zielbereichs gebe.
Analysten erwarten, dass die EZB ihre Ankäufe ab 2018 schrittweise verringern und bis Mitte 2018 beenden wird. Genährt wurde diese Erwartung durch den deutlichen Anstieg der Inflationsrate auf zuletzt 1,8 Prozent. Dieser Erwartung trat Draghi in der Anhörung erneut entgegen. Er sagte: "Der für unsere Politik relevante Zeithorizont ist die mittlere Frist. Über Änderungen des Harmonisierten Verbraucherpreisindex, von denen wir glauben, dass sie für die mittlere Frist keine Bedeutung haben, werden wir weiterhin hinweg sehen."
Negative Folgen für die Finanzstabilität oder die Profitabilität der Banken sieht Draghi nach eigenen Worten nicht. Im Hinblick auf die Finanzstabilität sagte Draghi, der Nutzen der Geldpolitik wiege schwerer als mögliche Nebenwirkungen. Es sei keine Preisblase an Märkten für Vermögenswerte zu erkennen.
Draghi betrachtet Geldpolitik als tendenziell gewinnneutral für Banken
Draghi äußerte außerdem die Ansicht, dass sich die EZB-Geldpolitik neutral auf die Fähigkeit der Banken auswirke, Gewinne zu erwirtschaften. "Geldpolitik kann sich auf die Profitabilität über verschiedene Kanäle auswirken. Unsere Einschätzung ist, dass diese Effekte dazu tendieren, sich gegenseitig aufheben", sagte Draghi.
Draghi verwies darauf, dass die Bankgewinne im ersten Quartal 2016 gesunken seien, sich aber im zweiten Quartal stabilisiert hätten. "Nach vorläufigen Daten stimmen die Entwicklungen im dritten Quartal mit denen im zweiten Quartal überein." Vor allem in Deutschland klagen Banken über die negativen Auswirkungen des negativen Einlagensatzes für ihre Fähigkeit, Gewinn zu erzielen. Deutsche Banken haben sehr hohe Kundeneinlagen.
EZB-Präsident sieht protektionistische Äußerungen mit Sorge
Mit Sorge sieht die EZB laut Draghi die Möglichkeit eines weltweit aufkommenden Protektionismus. Auf die Frage, wie er die Risiken beurteile, die sich aus einem möglichen Politikwechsel in bestimmten großen Ländern ergeben, sagte er: "Es ist zu früh, um das schon zu beurteilen. Aber wir sehen die Möglichkeit, dass es zur Ankündigung protektionistischer Maßnahmen kommen könnte, mit Sorge." Schließlich beruhe die Idee der EU selbst auf dem freien Handel.
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February 06, 2017 10:42 ET (15:42 GMT)
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