Fed im Fokus

Geldpolitik: Im Bann von Bernanke

19.06.13 15:00 Uhr

Die US-Konjunktur erholt sich, die Fed lässt die Notenpresse bald langsamer laufen. Zeit für Anleger, sich neu zu orientieren: Die sicheren Häfen werden leiden, Aktien und Firmenbonds profitieren.

von Thomas Strohm, Euro am Sonntag

Massaker, Blutbad, Ausverkauf. Nach historisch niedrigen Zinsen, Kursrally und Partystimmung am Bondmarkt hat die US-Notenbank die geldpolitischen Zügel angezogen. Explodierende Renditen, einstürzende Anleihekurse. Investoren stöhnen unter Verlusten, einige Hedgefonds fallen dem Strategiewechsel der Fed zum Opfer.

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Jetzt keine Panik: Es geht nicht um die aktuelle Lage an den Märkten, sondern um 1994. Das Jahr hat sich mit seinen Verwerfungen ins kollektive Gedächtnis des Rentenmarkts eingebrannt. Viele sehen sich dieser Tage an damals erinnert. Wieder gibt es rekordtiefe Zinsen, die An­leihenotierungen waren jahrelang stark gestiegen. Wieder gibt es Äußerungen vonseiten der Fed, die als Anfang vom Ende der Politik des Gelddruckens gedeutet werden. Von Zinswende ist die Rede.

Die seit Mai erlittenen Einbußen an den Rentenmärkten weltweit lassen sich zum Teil auch mit den vor knapp 20 Jahren gemachten Erfahrungen erklären. Die Aktienkurse sackten zuletzt ebenfalls kräftig ab. Die aktuelle Reaktion ist übertrieben, manche sagen: hysterisch.

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Viel spricht dafür, dass den Zentralbanken der Exit aus der expansiven Geldpolitik gelingt, ohne dass es zum Knall kommt — weder an den Rentenmärkten noch an den Aktienbörsen. Ganz ohne Begleitgeräusche geht der Wechsel von liquiditätsgetriebenen zu konjunkturgestützten Märkten aber auch nicht vonstatten. Schwankungen nehmen zu, was Anleger für sich nutzen können.

„Wir haben im Mai den größten Sell-off der vergangenen Jahre gesehen“, sagt Michael Krautzberger, Leiter des europäischen Rentenfondsteams beim Vermögensverwalter BlackRock. „Allein schon diese heftige Reaktion auf den rhetorischen Test der Fed könnte dazu führen, dass der tatsächliche Exit später kommt.“ Mit den anziehenden Renditen sind die Kosten der Finanzierung für die hochverschuldeten Industrienationen bereits gestiegen. Und die Fed wird darauf achten, die sich langsam erholende Konjunktur nicht zu früh zu belasten. Die Teuerungsrate wiederum ist niedrig, ebenso sind es die Inflationserwartungen. „Vor diesem Hintergrund halte ich es für wenig wahrscheinlich, dass die Zentralbanken die geldpolitischen Impulse zu schnell zurücknehmen“, sagt Krautzberger.

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Der größte Unterschied zu 1994 ist die geänderte Kommunikations­politik der Fed. Damals überraschte Alan Greenspan die Märkte völlig. Seit einigen Jahren erläutern die Währungshüter um Ben Bernanke ihre Entscheidungen ausführlich.

Kommunikation statt Coup
„Einen Überraschungscoup halten wir für ausgeschlossen“, betont DZ-Bank-Analystin Birgit Figge. Die Fed werde die Finanzmärkte gut auf den Wechsel vorbereiten. Das bedeutet nicht, dass die Kurse nicht sinken — die Reaktionen dürften aber deutlich weniger turbulent verlaufen.

Zunächst geht es darum, dass die Fed ihre Anleihekäufe drosseln und nicht mehr monatlich 45 Milliarden Dollar für US-Staatsanleihen sowie 40 Milliarden für Hypothekenanleihen ausgeben könnte. „Eine echte Straffung im Sinne von Leitzinserhöhungen ist noch Jahre entfernt“, sagt Harald Preißler, Chefvolkswirt des Anleihemanagers Bantleon. Das Tempo bei den Bondkäufen soll zudem nicht schlagartig verringert, sondern ab Herbst oder erst 2014 langsam gedrosselt werden. Sollte die konjunkturelle Erholung schwächeln, könnte die Fed auch wieder mehr Gas geben.

Für die Eurozone wird sowieso eher diskutiert, wie die Wirtschaft noch mehr stimuliert werden kann. EZB-Chef Mario Draghi hat für Enttäuschung gesorgt, weil er die geldpolitischen Zügel nur weiter lockern will, wenn sich die konjunkturelle Datenlage verschlechtert.

Je eher die Wirtschaft, zunächst in den USA, später in Europa, auf eigenen Beinen steht, desto weniger ist eine lockere Geldpolitik nötig. „Dass die Währungshüter immer lauter über einen Rückzug nachdenken, sollte als makroökonomisches Gütesiegel interpretiert werden“, sagt Preißler: „Kein Grund zur Panik!“

Für die Aktienmärkte bedeutet das: An die Stelle der Liquidität der Notenbanken könnte nach und nach die anziehende Konjunktur treten. „Das fundamentale Umfeld für die Aktienmärkte bleibt positiv“, stellt Preißler fest. Die jüngsten Korrekturen könnten da sogar hilfreiche Rücksetzer gewesen sein. Die Anleger sind auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt, zu hochtrabende Erwartungen gedämpft worden. „Das schafft Raum für anziehende Notierungen“, meint Preißler.„Im Zuge einer Konjunkturerholung steht erneuten Kursanstiegen nichts im Wege.“ Angesichts besserer wirtschaftlicher Aussichten rücken zyklische Aktien vermehrt in den Fokus.

Auch andere risikobehaftete Assets wie Unternehmensbonds, Hochzinspapiere und Schwellenländeranleihen sollten angetrieben werden. Bei den jüngsten Turbulenzen haben diese gelitten: Viele Investoren hatten die Papiere auf der Suche nach Ertrag übergewichtet. Angesichts anziehender Renditen für Top-Staatsanleihen haben sie nun infrage gestellt, ob der Aufschlag für die risikoreicheren Papiere noch ausreichend ist — und einen Teil verkauft. Derzeit fürchteten Investoren noch hohe Ausfallrisiken, besonders bei Unternehmen der Eurozone, sagt Stefan Scheurer, Kapitalmarktstratege bei Allianz Global Investors. Das wird mit zunehmendem Vertrauen in die Konjunktur anders. Die Spreads, also die Risikoaufschläge bei der geforderten Rendite im Vergleich zu Anleihen solider Staaten, sollten sinken. Gut für die Unternehmensanleihen. In einer Phase, in der die Zinsen auf breiter Front zulegen, dient diese Gegenbewegung als wichtiger Puffer für Investoren.

Zurück in den Normalmodus
Auf diesen Effekt hoffen Anleger auch bei Staatsanleihen aus der Euro-Peripherie. Deren Renditeabstand zu Staatsanleihen bester Bonität dürfte ebenfalls schrumpfen. Zinssteigerungen und Kursverluste bei Bundes- und US-Staatsanleihen bedeuten eben nicht, dass die Kurse etwa von italienischen Papieren genauso stark sinken. ­Staatsanleihen, die von Investoren als sicherer Hafen angesehen werden, sind seit geraumer Zeit schlicht überbewertet. Vom Krisenmodus schalten Investoren in den Normalmodus, die Konjunkturerwartungen prägen wieder das Verhalten. Die Kurse von Bundesanleihen und US-Schuldtiteln, aber auch von Staatsanleihen Österreichs und der Niederlande dürften deshalb deutlich sinken. Auch wenn eine schlechte Konjunkturnachricht sie zwischenzeitlich noch einmal kurz steigen lassen könnte.

Wegen der besseren wirtschaftlichen Lage werden die Vereinigten Staaten früher Schritte hin zu einer Normalisierung in der Geldpolitik machen als die Eurozone. Das müsste den Dollar stärken, der zuletzt gegen den Euro an Wert verloren hat. Für den Goldpreis wiederum ist ein starker Greenback eine Belastung — auch wenn manche Experten anderer Meinung sind. Da mit der wirtschaftlichen Normalisierung die sicheren Häfen generell leiden und auch anziehende Inflationsraten nicht in Sicht sind, bleiben unserer Ansicht nach die Perspektiven für Gold schlecht.

Investor-Info

Renditen Rauf, Kurse runter
Zinswende zeichnet sich ab

Die Renditen von US-Staatsanleihen mit zehn Jahren Laufzeit sind im Mai bei steigender Volatilität von 1,60 auf 2,18 Prozent geklettert — am Rentenmarkt ist das ein gewaltiger Sprung. Spiegelbildlich sind die Kurse der US-Papiere gefallen. Das hat die Anleihe­notierungen rund um den Globus belastet. Für die sicheren Häfen dürfte sich diese Entwicklung fortsetzen. Allianz-Chefvolkswirt Michael Heise rechnet für die Schuldtitel der Vereinigten Staaten im kommenden Jahr mit einer Rendite von 2,5 bis 3,0 Prozent. Für Bundesanleihen, die aktuell noch bei 1,6 Prozent stehen, prognostiziert er einen Anstieg der Rendite auf 2,0 bis 2,5 Prozent.

Ethna-Aktiv E
Optimistischer US-Partymix

„Die Party ist noch nicht vorbei“, meinen die Fondsmanager des Ethna-Aktiv E. Der DJ, sprich: die Fed, sei nur ans Mischpult getreten, um nachzuschauen, ob er die Musik leiser stellen kann. Im seit vielen Jahren bewährten Mischfonds ist daher jüngst die Aktienquote erhöht worden. Besonders US-Banken standen dabei im Fokus. Diese sollten von steigenden Häuserpreisen und wachsendem Konsumentenvertrauen in den Vereinigten Staaten profitieren. Auch Aktien von US-Autobauern wurden gekauft.

Kepler Vorsorge Renten
Vorsichtig mit Alpenbonds

Der Kepler Vorsorge Rentenfonds setzt auf mündelsichere österreichische Papiere. Übergewichtet sind wegen der attraktiveren Renditen Nicht-Staatsan­leihen. Zudem will der Fonds mit Papieren punkten, die an den Börsen weniger gehandelt werden. Für die geringere Liquidität gibt es einen Renditeaufschlag. Die Duration, die durchschnittliche Kapitalbindungsfrist, ist unter Marktniveau. Aus gutem Grund: Je höher die Duration, desto sensibler reagiert ein Bondportfolio auf Zinsänderungen.