Politische Risiken: Bei Schwellenländer-Anleihen müssen Anleger umdenken
Die Rendite von Schwellenländer-Anleihen wird zunehmend von Geopolitik und Entscheidungen regionaler Politik beeinflusst. Anleger sollten sich darauf einstellen.
von Damien Buchet, Gastautor für €uro am Sonntag
Länder wie Mexiko, Chile oder die Sonderverwaltungszone Hongkong galten in der Vergangenheit als Bastionen institutioneller Glaubwürdigkeit und Stabilität. Das ermöglichte auch eher risikoscheuen Anlegern auf mehr als zehn Jahre hinaus ordentliche Zinseinkommen aus beispielsweise einer mexikanischen Unternehmensanleihe.
Heute wird die Anlagewelt der Schwellenländer stärker bestimmt von Ereignissen und Politik - und genau das ist für viele Investoren ein kognitiver Schock. Sie werden sich aber sowohl an ein höheres Maß an Renditestreuung zwischen einzelnen Regionen als auch an erratischere Marktbewegungen gewöhnen müssen. Weniger denn je passt das Investieren entlang einer Benchmark zu diesem Umfeld. Es braucht heute bei Schwellenländer-Investments vielmehr die Einbeziehung politisch motivierter wirtschaftlicher Entscheidungen in die Fundamentalanalyse sowie den Mut, nicht an Indexgewichtungen festzuhalten.
Von den Philippinen, Russland, der Türkei über Polen und Ungarn bis hin zu Brasilien hat sich auf der Grundlage einer nationalistischen Agenda eine neue Generation von Führungspersönlichkeiten herausgebildet. Sie setzt auf Identitätspolitik, Einwanderungsbegrenzung, Korruptionsbekämpfung sowie Recht und Ordnung. Doch es gibt auch populistische Strömungen von "links". Egal, ob von rechts oder von links oder gar in einer Synthese beider - vielleicht ohnehin überholter - politischer Kategorien: Populismus bedeutet in jedem Fall, dass auch die makroökonomische Politik nicht mehr so vorhersehbar ist wie früher.
Ob nun Erdogan die türkische Zentralbank daran hindert, den Leitzins angesichts von Währungsabwertung und steigender Inflation zu erhöhen, um das Wachstum zu priorisieren, oder ob Andrés Manuel López Obrador in Mexiko das Kohlenwasserstoffgesetz aufhebt, um ausländische Investitionen von den Pemex-Ölfeldern in Raffinerien zu lenken - keine dieser Entscheidungen ist wirtschaftlich sinnvoll; sie können nur im Lichte politischer oder geostrategischer Prioritäten verstanden werden. Dabei ist aus makroökonomischer Sicht davon auszugehen, dass die allgemeine Ausrichtung der Geldpolitik in den Schwellenländern weitgehend stimulierend bleibt.
Die Zentralbanken werden bereit sein, ein gewisses Inflationsrisiko einzugehen. Die Regierungen jedoch werden versuchen (oder gar gezwungen sein), steuerlichen Druck abzubauen, um geldpolitischen Anreizen einen gewissen Schub zu verleihen. Alles in allem dürfte dies für die meisten Schwellenländer positiv sein. Doch es bleibt ein schmaler Grat zwischen hilfreichen Anreizen und unkontrollierten Ausgaben, welche am Ende die Glaubwürdigkeit der Politik und die Stabilität eines Landes beeinträchtigen.
Schwellenländer dürften 2020 wohl insgesamt Stärke zeigen
Dies gilt vor allem in den sogenannten Frontier Markets, wo die Schwelle zwischen Stabilität und Krise leicht und ohne Vorwarnung überschritten werden kann - wie 2019 in Libanon, Ecuador, Argentinien, Bolivien und teilweise in Chile geschehen. Dennoch erwarten wir, dass die Schwellenländer durch eine flexible Politik 2020 insgesamt Stärke zeigen werden - verglichen mit den eher lauen Wachstumsaussichten entwickelter Länder. Die Kombination aus unterstützenden Zentralbanken und einem erhöhten Angebot an Staatsanleihen dürfte zu steileren lokalen Zinskurven führen.
Andererseits könnten sich die Risikoprämien der Fremdwährungsanleihen vergrößern, sollte die Glaubwürdigkeit der Politik als gefährdet wahrgenommen werden. Auch wenn die durch die verzweifelte Suche nach Rendite ausgelöste Verengung aller Spreads die große Lücke zwischen High-Yield- und Investment-Grade-Adressen immer weiter schließen sollte, glauben wir, dass 2020 das Jahr der Alpha-Sucher, Relative-Value-Händler und Market Timer sein wird. So können Anleger auch in einem Umfeld, in dem das meiste in einer engen Bandbreite handeln wird, Ausnahmen davon aber zu einer großen Spreizung führen, attraktive Renditen erzielen.
Kurzvita
Damien Buchet
CIO bei
Finisterre Capital
Buchet absolvierte die EDHEC Business School und ist ein CFA Charterholder. Seit September 2015 ist er Chief Investment Officer für die Total-Return-Strategie bei Schwellenländern. Zuvor war er unter anderem Global Head
of EM Fixed Income
bei AXA Investment Managers.
Finisterre Capital LLP, 2002 gegründet, ist
der Spezialist für Schwellenländer-Anleihen beim US-Investmenthaus Principal Global Investors.
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