EZB-Anleihekaufprogramm endet: Kein Albtraum für Anleger
Deutliche Kursverluste bei Aktien in der jüngsten Vergangenheit und die steigende Unsicherheit bei Anleihen von Schwellenländern oder Italien machen die Anleger nervös. Doch noch sind steigende Zinsen kein Grund, in Panik zu verfallen.
von Toby Nangle, Gastautor für €uro am Sonntag
Seit Beginn der quantitativen Lockerung (auf Englisch Quantitative Easing, kurz QE) durch die US-Notenbank im Jahr 2009, gefolgt von ähnlichen Maßnahmen in Europa und Japan, verzeichneten fast alle Anlageklassen gute Renditen. Die Kurse an den globalen Aktienmärkten haben sich im Vergleich zu ihrem Tief inzwischen etwa verdreifacht und liegen rund 60 Prozent höher als zu dem Zeitpunkt, als sich die Bilanzen der Zentralbanken im September 2008 aufzublähen begannen. Im gleichen Zeitraum erzielte der globale Anleihemarkt eine kumulierte Rendite von rund 50 Prozent, während Anleger in Hochzinsanleihen ihr investiertes Kapital mehr als verdoppeln konnten.
Einige der eher praktisch als theoretisch ausgerichteten Marktanalysten vertreten vehement die Einschätzung, dass die Renditen der vergangenen Jahre fast ausschließlich auf die quantitative Lockerung zurückzuführen seien. Doch nun hat die US-Notenbank begonnen, ihr QE-Programm zurückzufahren und zu einer quantitativen Straffung überzugehen. Anleger fragen sich, inwieweit sie darüber beunruhigt sein sollten und ob sie sich über die zukünftigen Renditen sorgen müssen.
Festverzinsliche Wertpapiere dürften Gegenwind bekommen
Bei der Einschätzung, wie sich die Rücknahme der quantitativen Lockerung vermutlich auf die Vermögenspreise auswirken wird, ist es hilfreich zu wissen, welchen Einfluss diese Maßnahme überhaupt auf die Vermögenspreise hatte. Grundsätzlich ist festzuhalten: Ein Anstieg der Vermögenspreise war ein Gestaltungsmerkmal der quantitativen Lockerung und nicht eine unerwartete Nebenwirkung. Die Bank of England nannte bereits im Vorfeld von QE drei maßgebliche Wirkungskanäle, über welche die geldpolitischen Maßnahmen Auswirkungen auf die Vermögenspreise haben könnten - und zwar abgesehen vom Preiseffekt aufgrund des unmittelbaren Anstiegs der Nachfrage nach Vermögenswerten, die von der Notenbank direkt angekauft wurden. Diese Wirkungsmechanismen werden als Portfolio-Umschichtungseffekt (portfolio balance effect), Bankkreditkanal (bank lending channel) und Vertrauenseffekt (confidence effect) bezeichnet. Der Portfolio-Umschichtungseffekt beruht auf der folgenden Überlegung: Wenn Zentralbanken Anleihen von Pensionsfonds und Versicherungsgesellschaften kaufen, werden diese für die Anlage der Erlöse nach Alternativen für renditeschwache Geldmarktanlagen suchen, sodass die Nachfrage nach anderen Anlagen steigen und dies deren Preise in die Höhe treiben würde.
Beim Bankkreditkanal lautete die Annahme, dass das von der Zentralbank für den Kauf von Vermögenswerten neu geschaffene Geld die Liquidität der Banken erhöhen würde und diese somit bereit wären, mehr Kredite zu vergeben. Der Vertrauenseffekt beruht darauf, dass die Menschen etwas zuversichtlicher in die Zukunft blicken (sowohl hinsichtlich der zukünftigen Unterstützung durch die Zentralbanken als auch in Bezug auf den Konjunkturausblick im Allgemeinen). Obwohl alle drei Wirkungskanäle nachvollziehbar erscheinen, zeigen Studien, die in den letzten zehn Jahren zur Messung der Wirksamkeit dieser Transmissionskanäle durchgeführt wurden, dass nur der letzte dieser Mechanismen einen wirklich wesentlichen Einfluss auf die Vermögenspreise hatte.
Eines der Ziele der quantitativen Lockerung war die Senkung des Zinsniveaus am Anleihemarkt, das normalerweise nicht so niedrig gewesen wäre. Und es herrscht nahezu Einigkeit darüber, dass die Marktzinsen tatsächlich unter Druck geraten sind, was sich positiv auf die Renditen auswirkte.
Die Erwartung, dass das Zinsniveau im Zuge der quantitativen Straffung wieder allmählich steigen wird, könnte gerechtfertigt sein, auch wenn die QE nur in relativ geringem Maße für den Rückgang verantwortlich war. Anlagen in festverzinsliche Wertpapiere dürften dennoch durch die quantitative Straffung sowie steigende Zinsen Gegenwind zu spüren bekommen - angenommen dass die Weltkonjunktur in nächster Zeit nicht in eine Rezession zurückfällt.
Bei den Aktienrenditen ist eine klare Aussage etwas schwieriger. Wir können jedoch grob abschätzen, welcher Anteil der Aktienrenditen mit einem Anstieg der Unternehmensgewinne in Zusammenhang steht und welcher Anteil einfach darauf beruht, dass für ein erwartetes Gewinnniveau höhere Preise gezahlt werden. Weltweit betrachtet, gab es nach 2011 eine fünfjährige Periode, in der die Ertragskraft stagnierte, Aktien aber dennoch gute Renditen abwarfen. In diesem Zeitraum zahlten Anleger für jeden Euro des erwarteten Gewinns einen höheren Preis (das heißt, die Erträge am Aktienmarkt fielen genauso wie bei Anleihen niedriger aus), was den Kursen Auftrieb verlieh und höhere Renditen zur Folge hatte.
Auf das Quantitative Easing kann jetzt verzichtet werde
Verfolgen wir die Entwicklung weiter bis Mitte des Jahres 2018, zeigt sich: Seit Beginn der quantitativen Lockerung sind die Kursrenditen am globalen Aktienmarkt etwa zur Hälfte darauf zurückzuführen, dass die Anleger einen höheren Preis für eine Gewinneinheit zahlten, und zur Hälfte auf die höhere Ertragskraft der Unternehmen. Die Bereitschaft der Anleger, für jeden Euro des Gewinns einen höheren Preis zu zahlen, ging Hand in Hand mit dem höheren Preis für jeden Euro eines Anleihekupons. Aufgrund des Abwärtstrends der Renditen an den Anleihemärkten wurden Aktienanlagen relativ betrachtet attraktiver - obwohl die Gewinne fünf Jahre lang stagnierten. Die Aktienmarktrenditen erhielten also eher aufgrund des allgemeinen Finanzmarktumfelds Auftrieb.
Die quantitative Lockerung war ein wichtiges geldpolitisches Instrument, das zunächst dringend benötigt wurde, um den Liquiditätsengpässen am Finanzmarkt zu begegnen. Anschließend zielte es darauf ab, Vertrauen zu bilden und die Erwartungen hinsichtlich der zukünftigen Geldpolitik zu festigen. Da die Maßnahmen Vertrauen in die Zukunft schafften, erhielten die Konjunktur, die Ertragskraft der Unternehmen und die Vermögenspreise Auftrieb, was ansonsten nicht der Fall gewesen wäre.
In einem Umfeld mit angemessenem Wirtschaftswachstum, steigenden Löhnen und Inflationsdruck kann auf dieses geldpolitische Instrument verzichtet werden und der Rückzug aus der quantitativen Lockerung beginnen -ohne dass dies Anlegern den Schlaf rauben sollte.
Kurzvita
Toby Nangle
Leiter der Asset
Allocation Columbia Threadneedle
Nangle bringt strategischen und taktischen Input in den Prozess der Vermögensaufteilung bei Columbia Thread-needle Investments ein. Zudem verwaltet er als Manager bzw. Co-Manager eine Reihe von
Multi-Asset-Portfolios.
Columbia Threadneedle Investments ist eine führende globale
Vermögensverwaltungsgruppe, die
weltweit für private,
institutionelle und
Firmenkunden agiert.
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