Euro am Sonntag

Herr der Finanzflut: Draghis Dreh

02.12.15 16:00 Uhr

Herr der Finanzflut: Draghis Dreh | finanzen.net

Der Notenbank-Chef lockert die Geldpolitik am Donnerstag wohl weiter. Fraglich scheint nur noch, welche Stellschrauben er dafür benutzt.

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von Thomas Strohm, Euro am Sonntag

Alles andere als eine weitere Lockerung der Geldpolitik wäre eine herbe Enttäuschung. Schließlich stimmen die Notenbanker um EZB-Chef Mario Draghi die Marktteilnehmer seit Wochen auf zusätzliche Maßnahmen ein, mit denen sie Konjunktur und Teuerung in der Eurozone antreiben wollen. Bei der Sitzung am 3. Dezember muss der EZB-Rat nun liefern - wenn die Notenbanker ihre Glaubwürdigkeit nicht einbüßen wollen. Ob die Schritte überhaupt noch notwendig und sinnvoll sind? Darüber darf gestritten werden. ­Einige Börsianer freuen sich schlicht über noch mehr billiges Geld, das Kurse von Aktien bis Anleihen auf breiter Front antreiben könnte (s. Investor-Info unten). Andere sprechen von Torschlusspanik der Tauben.



Als Tauben werden Befürworter einer lockeren Geldpolitik bezeichnet, und momentan haben sie (noch) gute Argumente. So ist die Inflation nahe null, die Preise zogen im Oktober nur um 0,1 Prozent an - das ist weit von der Zielmarke von zwei Prozent entfernt, die bei der EZB als ­idealer Wert für die Wirtschaft angestrebt wird. Und das Schreckgespenst der Deflation mit sinkenden statt leicht steigenden Preisen gilt es mit einer noch größeren Geldschwemme zu verscheuchen. Sicher ist sicher. Zudem gibt es aus dem für die Weltwirtschaft wichtigen China nach wie vor Schwäche­signale.

In einigen Monaten könnten die Argumente nicht mehr ganz so gut sein. Die Inflationsrate wird schon wegen des Wegfalls von Basiseffekten steigen. Die Energiepreise sind zum Jahreswechsel 2014/15 stark gefallen, was in den folgenden Monaten auf der Teuerung lastete, dabei werden ja die jeweiligen Monate mit dem Vorjahresmonat verglichen. Dieser Effekt läuft aus. Und auch die Lage der Schwellenländer dürfte sich auf niedrigem Niveau stabilisieren. Den Tauben könnten daher bald wichtige Argumente wegbrechen.


Im Vorfeld der EZB-Ratssitzung steht nun aber nicht mehr die Frage im Fokus, ob die Geldpolitik gelockert wird - sondern die Frage, wie das geschieht. Draghi selbst hat zum einen die Ausweitung des Anleihekaufprogramms, zum anderen eine weitere Senkung des Einlagesatzes ins Spiel gebracht (s. unten).

Als Einheit allerdings tritt der EZB-Rat - darin sitzen die Notenbankchefs der 19 Euroländer und die sechs Mitglieder des EZB-Direkto­riums - nicht gerade auf. So hat sich das deutsche Direktoriumsmitglied Sabine Lautenschläger Anfang der Woche klar gegen eine weitere Öffnung der Geldschleusen gewandt. Damit stärkt sie Bundesbank-Präsident Jens Weidmann den Rücken; er steht der ultralockeren Geldpolitik der EZB schon lange ­äußerst skeptisch gegenüber.


Und in den USA wird die Fed Mitte Dezember wohl anfangen, den Leitzins langsam zu erhöhen. Das wird, ganz ohne Zutun der Europäer, den Dollar weiter stärken und den Euro schwächen. Letzteres ist ein wichtiges Ziel der lockeren EZB-Geldpolitik, die den heimischen Exporteuren am Weltmarkt helfen will.

Anleihekaufprogramm

Bereits beschlossen: Seit März 2015 kauft die EZB jeden Monat Anleihen im Wert von 60 Milliarden Euro. Das Programm ist bis September 2016 ­befristet und auf ein Gesamtvolumen von 1,14 Billionen Euro aus­gelegt. Auf der Kaufliste stehen vor allem Staatsanleihen von Euroländern sowie Bonds von quasistaatlichen Emittenten wie dem Eurorettungsschirm EFSF und von staatsnahen Emittenten wie der Förderbank KfW, daneben Covered Bonds, etwa Pfandbriefe, und forderungsbesicherte Papiere (ABS).

Mögliche Ausweitung: Am wahrscheinlichsten ist, dass aus dem bis September 2016 begrenzten Programm ein zeitlich unbegrenztes wird - das mögliche Gesamtvolumen würde damit deutlich steigen. Ebenfalls möglich, aber weniger wahrscheinlich ist eine Erhöhung des monatlichen Kaufvolumens. Zudem könnte die Kaufliste wachsen: Voraussichtlich werden künftig auch Anleihen etwa der deutschen Bundesländer erworben. Möglich, aber weniger wahrscheinlich ist, dass die EZB Unternehmensanleihen kauft.

Negativer Einlagezins

Bereits beschlossen: Der Leitzins, zu dem sich Banken bei der EZB Geld leihen können, steht seit September 2014 bei 0,05 Prozent. Der Einlagesatz, den Banken bekommen, wenn sie Geld kurzfristig bei der EZB parken, steht seither bei minus 0,2 Prozent - die Banken müssen also einen Strafzins zahlen. Schließlich will die EZB mit ihrer lockeren Geldpolitik und ihrer Geldflut die Wirtschaft ankurbeln, indem die Banken Kredite vergeben. Diese sollen das Geld nicht auf ihren EZB-Konten liegen lassen.

Mögliche Ausweitung: Für wahrscheinlich halten Beobachter, dass die EZB den Einlagesatz auf minus 0,4 Prozent senkt, den Bankenstrafzins also erhöht. Denn ein bedeutender Teil des von der EZB bereitgestellten Geldes kommt nicht in der Realwirtschaft an, es verbleibt im Bankensystem und landet auf den EZB-Konten. Diskutiert wird offenbar auch eine Staffelung des Strafzinses, der ab einer bestimmten Höhe geparkten Geldes steigt. Skeptiker zweifeln, dass ein höherer Strafzins viel am grundsätzlichen Problem ändert.

Investor-Info

Jupiter European Growth
Steigende Aktienkurse

Mit dem Fonds von Jupiter setzen Anleger breit auf steigende Kurse bei europäischen Aktien. Das Produkt ist relativ offensiv ­aufgestellt und hat sich seit vielen Jahren bewährt. Wer lieber bei deutschen Aktien bleiben will, greift etwa zum DWS Aktien Strategie Deutschland (ISIN: DE 000 976 986 9).

Comstage Bund Future ETF
Gestiegene Anleihekurse

Allein die Vorfreude auf eine weitere Geldflut hat die Kurse von Anleihen steigen und die Renditen im Gegenzug sinken lassen. Bei Notenbankmaßnahmen in der Vergangenheit war das Muster oft gleich: Nach Beschluss stiegen die Kurse noch etwas, sanken dann aber wieder. Also: rechtzeitig Gewinne mitnehmen!

ETFS Long USD Short EURO ETN
Schwacher Eurokurs

Die Geldpolitik diesseits und jenseits des ­Atlantiks läuft im Dezember weiter auseinander. Die EZB lockert wohl noch mal, die Fed erhöht wohl den Leitzins. Der Dollar ist schon relativ stark, könnte aber weiter aufwerten; einige meinen gar, über die Parität hinaus -ein Euro wäre dann weniger als ein Dollar wert.

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