Vorsicht bei Ausweitung der Eurozone geboten
Vielleicht wird EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker ja doch noch als Modernisierer in die Annalen der Europäischen Union eingehen.
In einer Grundsatzrede vor dem Europäischen Parlament hat der Luxemburger mit seinem Entwurf zur Weiterentwicklung der Gemeinschaft für frischen Wind gesorgt. Allerdings bedarf es dabei einer genauen Betrachtung seiner Vorschläge.
So hat sich Juncker dafür ausgesprochen, dass alle Mitgliedsländer der EU den Euro einführen sollten. Bisher gilt er nur in 19 von 28 Mitgliedsländern als offizielle Währung. Die Staaten, in denen der Euro bislang nicht gilt, sind Bulgarien, Dänemark, Großbritannien, Kroatien, Polen, Rumänien, Schweden, Tschechien und Ungarn. Vor einer tatsächlichen Einführung des Euro in diesen Ländern sollte man deren Budgetsituation genau unter die Lupe nehmen. Eine Ausweitung der Eurozone mag zwar eine Prüfung wert sein, aber in allen verbleibenden Ländern auf einmal den Euro einzuführen, muss doch mit Skepsis betrachtet werden. Nach heutigem Wissen war auch Griechenland nicht reif für den Euro. Den Fehler einer vorschnellen Einführung der Gemeinschaftswährung sollte man also nicht wiederholen. Im Übrigen stellt sich die Frage, ob Länder wie Dänemark und Schweden tatsächlich ein Interesse daran hätten.
Weiter schlägt Juncker vor, bis 2019 Freihandelsabkommen mit Australien und Neuseeland abzuschließen, was angesichts der Abschottungstendenzen der USA sinnvoll erscheint. Die Abkommen sollen laut Juncker mit größtmöglicher Transparenz ausgehandelt und nationale sowie regionale Parlamente vom ersten Tag an umfassend informiert werden. Fehler, die man bei TTIP gemacht hat, gilt es zukünftig zu vermeiden.
Zudem schlägt der EU-Kommissionspräsident vor, Investoren aus Drittstaaten künftig genauer unter die Lupe zu nehmen. Dies trifft insbesondere Übernahmen durch chinesische Firmen, die dann strenger geprüft werden können.
Weiter will Juncker in der Flüchtlingskrise legale Migrationswege schaffen und die "skandalöse Situation in Flüchtlingslagern in Libyen" beenden. Europa sei keine Festung, sagte er, sondern weiterhin ein Kontinent der Hoffnung. Juncker will aber Flüchtlinge ohne Anspruch auf Asyl konsequenter als bisher zurückschicken, damit den wirklich Hilfsbedürftigen geholfen werden könne. Dies sollte helfen, die Akzeptanz des Asylrechts zu erhöhen.
Wenn die EU noch effizienter zu arbeiten vermag, soll es nur recht sein. Dazu beitragen soll die Verschmelzung des Amtes des Ratspräsidenten mit dem des Kommissionspräsidenten - was nur mit Zustimmung des derzeitigen Ratspräsidenten Donald Tusk möglich ist. Juncker selbst käme für das neue Amt nicht mehr in Frage, da er 2019 in den Ruhestand gehen wird.
Zinswende vertagt bis ins Jahr 2018
Ein weiteres Mal hat die Europäische Zentralbank (EZB) in der vergangenen Woche die Entscheidung vertagt, wann und wie die Zinswende kommen soll. Zwar spricht die niedrige Inflation von rund 1,5% im Euroraum eher für eine Fortsetzung der Niedrigzinspolitik. Doch gleichzeitig gewinnt die Konjunktur in Euroland an Fahrt, was für ein Anziehen der Zügel über höhere Zinsen sprechen würde. Sofern die Teuerungsrate und das Wirtschaftswachstum voneinander entkoppelt bleiben, droht die ultralockere Geldpolitik aber zu einer Überhitzung der Volkswirtschaft zu führen.
Hinzu kommt die anhaltende Forderung seitens der Finanzbranche, die auf eine Zinswende drängt - wovon Draghi sich bisher allerdings nicht beeindrucken ließ. Die Zeit des billigen Geldes in Europa sollte trotz des starken Euro enden, hallt es dem EZB-Präsidenten speziell von deutschen Banken entgegen. Nach Ansicht des Chefs des Verbandes der Volks- und Raiffeisenbanken, Uwe Fröhlich, "überzieht die EZB langsam".
Aktuell bereitet der EZB der kräftige Kursanstieg des Euro Kopfschmerzen, der seit Jahresbeginn mehr als 13% zugelegt hat, wodurch sich Produkte aus dem Euroraum auf dem Weltmarkt verteuern. Weil aber gleichzeitig Importwaren billiger werden, wird die Inflation gedrückt. Für die EZB wird es dann noch schwieriger, ihr Inflationsziel von knapp 2% zu erreichen. EZB-Chef Mario Draghi sitzt also in einer klassischen Zwickmühle.
Vor diesem Hintergrund hat Draghi die Entscheidung über die Zinswende erst mal wieder verschoben - und zwar bis ins kommende Jahr. Erst 2018 dürfte mit einer vorsichtigen Änderung der EZB-Geldpolitik zu rechnen sein. Schrittweise könnte dann die EZB die monatlichen Anleihekäufe von derzeit 60 Mrd. € herunterfahren, um im Anschluss die Wirkung zu beobachten. Bis dahin dürfte es keine Erhöhung der Zinsen geben.
Eine solche Wende hat es lediglich in den USA schon gegeben. Deren Notenbank Fed trifft sich am kommenden Donnerstag wieder zu ihrer routinemäßigen Zinssitzung. Größere Entscheidungen sind zwar nicht zu erwarten. Aber dennoch gilt: Nach der EZB ist vor der Fed.
Österreichische Jahrhundertanleihe stark gefragt
Da hat man es in Wien nochmal wissen wollen. Rechtzeitig vor der für 2018 erwarteten Zinswende im Euroraum hat die Österreichische Bundesfinanzierungsagentur eine Staatsanleihe (A19PCG) am Kapitalmarkt platziert, die erst am 20.9.2117, also in 100 Jahren, zurückgezahlt werden soll. Es ist die erste Anleihe dieser Art, die mit einem hohen Volumen (3,5 Mrd. €) von einem Euroland begeben wurde. Zuvor hatten schon Belgien und Irland wesentlich kleinere Emissionen als Private Placement untergebracht.
Auch Argentinien und Mexiko, also Länder mit einem schlechteren Rating als Österreich, haben bereits "Jahrhundert-Anleihen" begeben. Frankreich, Spanien oder Italien emittierten dagegen regelmäßig 50-jährige Titel.
Was Wien mit seiner Emission recht gibt, ist der Umstand, dass der Bond, der lediglich einen Kupon von 2,1% hat, deutlich überzeichnet war. So lagen Orders in Höhe von 11 Mrd. € für die Anleihe vor. Das Interesse ist also riesengroß. Dennoch sollte den Anlegern klar sein, dass bei dem Titel mit Kursverlusten zu rechnen ist, wenn sich die Zinsen im Euroraum eines Tages ändern sollten.
Kurios an dieser Neuemission ist nicht nur, dass sich ein Staat wie Österreich für 100 Jahre verschuldet, obwohl er erst vor 99 Jahren gegründet wurde sondern auch in dieser Zeit zweimal zahlungsunfähig war.
Unterhaus in London entmachtet sich selbst
Nur kurz dürfte das Durchatmen von Premierministerin Theresa May gedauert haben, als sie ein Gesetz im britischen Unterhaus durchgebracht hat, mit dem nach dem Brexit ein Rechtsvakuum verhindert werden soll. Denn das Gesetz geht nun in arbeitsreiche Ausschussberatungen, wo 157 Änderungsanträge eingebracht wurden.
Mit dieser Maßnahme wird vorerst der EU-Rechtsbestand in britisches Recht übertragen. Im Anschluss sollen dann Schritt für Schritt alle Bestimmungen, die vom EU-Austritt der Briten betroffen sind, angepasst werden. Da es sich um Tausende von Regelungen handelt, will die Regierung in London die Gesetzgebungsgewalt dafür erhalten. Auf diese Weise entsteht die groteske Situation, dass der EU-Austritt zur Entmachtung des Parlaments führt. Wohlgemerkt, die Brexit-Befürworter hatten diesen mit dem Argument gefordert, dem Parlament seine Souveränität zurückzugeben. Nun aber entmachtet sich das Parlament quasi selbst.
Nicht von ungefähr warf der Brexit-Sprecher der oppositionellen Labour Party, Keir Starmer, der Regierung einen "Griff nach der Macht" vor. So beschleicht manchen Briten das Gefühl, die Brexiteers wollten den EU-Austritt am Parlament vorbei über die Bühne bringen. Aber wo soll der bestmögliche Brexit, der am wenigsten wirtschaftlichen Schaden anrichtet, denn gefunden werden, wenn nicht im Parlament?
Bewährungsprobe für Macron
Dass seine Popularität unter seinen Reformplänen für den Arbeitsmarkt leiden würde, dürfte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron erwartet haben. Schließlich zielt sein Vorhaben darauf ab, es den französischen Unternehmen zu ermöglichen, effizienter auf sich ändernde Marktbedingungen zu reagieren. Dadurch sollen sie wettbewerbsfähiger und dynamischer werden - und auf diese Weise der französischen Wirtschaft Auftrieb verleihen. Umgekehrt heißt es aber auch, dass Arbeitnehmerrechte beschnitten werden, weshalb es kein Wunder ist, dass Menschen auf die Straße gehen. So haben in Frankreich mehr als 200.000 Menschen gegen die geplante Arbeitsmarktreform demonstriert. Von den größten Gewerkschaften hatte aber nur die linke CGT zu Protesten aufgerufen.
Ob sich Macron mit seiner Reform, die am 22. September verabschiedet werden soll, wird durchsetzen können, ist die eine Frage. Die andere aber dreht sich darum, ob seine Reformen auch tatsächlich von Erfolg gekrönt sein werden und somit einen wirtschaftlichen Aufschwung mit sinkender Arbeitslosigkeit nach sich ziehen.
Mitentscheidend kann hier die Unterstützung der deutschen Regierung sein, von der manche erwarten, dass sie zusammen mit der Führung in Paris ein Bündel an Neuerungen für die EU entwickeln. Zuvor muss aber der Ausgang der Bundestagswahlen am 24. September und das Bilden der neuen Regierung abgewartet werden.
Vivendi bringt 850 Mio. € schwere 7-jährige Anleihe
Munter ging es in dieser Woche weiter mit der Ausgabe neuer Unternehmensanleihen. So konnten Belden, QuintilesIMS, Vivendi und die Softbank Group erfolgreich frisches Geld am Kapitalmarkt einsammeln.
Die Softbank Group legte 2 Bonds mit insgesamt 2,25 Mrd. € auf. Die erste Tranche (A19PD1), ein 8-jähriger Bond ist am 19.09.2025 fällig und hat einen Kupon in Höhe von jährlich 3,125%, der halbjährlich gezahlt wird. Das Emissionsvolumen beträgt hier 1,5 Mrd. €. Der Emissionspreis lag bei pari, was +256 bps über Mid Swap entsprach. Eine zweite 750 Mio. € schwere 12-jährige Anleihe (A19PD2) mit Fälligkeit am 19.09.2029 zahlt dem Anleger halbjährlich Zinsen in Höhe von 4% p.a. und konnte zu einem Preis von 100% ausgegeben werden. Dies entspricht einem Emissionsspread von +300 bps über Mid Swap. Beide Anleihen haben ein optionales Kündigungsrecht jeweils 3 Monate vor Endfälligkeit.
Vivendi ist der größte französische Medienkonzern und platzierte erfolgreich einen 850 Mio. € schweren Bond (A19N7U) mit Laufzeit bis zum 18.09.2024 am Kapitalmarkt. Vivendi zahlt seinen Investoren einen jährlichen Zins in Höhe von 0,875%. Das Papier wurde zu 99,367% begeben, was einem Emissionsspread von +55 bps über Mid Swap gleichkam. Vivendi legte ein optionales Kündigungsrecht am 18.06.2024 - 3 Monate vor Endfälligkeit - zu pari fest.
Als dritter im Bunde legte das mit IT-Dienstleistungen für den Pharmabereich tätige Unternehmen QuintilesIMS einen 8-jährigen Bond (A19N9R) mit einem Emissionsvolumen von 420 Mio. € auf. Die börsennotierte Gruppe mit Sitz in North Carolina in den USA zahlt für die Aufnahme des Kredits am Bondmarkt bis zur Fälligkeit am 15.09.2025 Zinsen in Höhe von 2,875%. Die Zinszahlung teilt sich auf die Monate März und September auf. Der Emissionspreis belief sich auf 100%, was +287 bps über der vergleichbaren Bundesanleihe entsprach. In die Anleihebedingungen wurden 3 optionale Kündigungsrechte am 15.09.2020 zu 101,438%, am 15.09.2021 zu 100,719% und am 15.09.2022 zu 100% aufgenommen.
Zu guter Letzt reihte sich Belden, ein Unternehmen mit Sitz in den USA welches Lösungen für die Datenübertragung entwickelt, ein und begab eine Anleihe (A19N68) mit einem Volumen von 300 Mio. €. Belden stattete den Bond mit einem Zins von 2,875% aus, welcher bis zur Fälligkeit am 22.05.2026 halbjährlich gezahlt wird. Emittiert wurde zu pari (+286 bps über Bund). Das Unternehmen räumte sich zusätzlich 3 optionale Kündigungsrechte am 15.09.2020 zu 101,438%, am 15.09.2021 zu 100,719% und am 15.09.2022 zu 100% ein.
Alle Unternehmen ließen sich zusätzlich zu den beschriebenen Kündigungsrechten eine Make Whole Option in die Anleihebedingungen aufnehmen. Des Weiteren legten sie für alle Bonds die Mindeststückelung auf 100.000 € fest.
Mario Draghi kann den Euro nicht schwächen
Die europäische Gemeinschaftswährung ist nach einer kurzen Verschnaufpause wieder zurück in der Erfolgsspur. Im Nachgang zur EZB-Ratssitzung verteuerte sich der Euro und konnte erneut Bestmarken erklimmen.
Trotz der kritischen Worte von EZB-Präsident Mario Draghi zur derzeitigen Euro-Stärke stieg die Einheitswährung in der Folge weiter an. So konnte der Euro zum Wochenausklang mit 1,2092 USD sein bisheriges Jahreshoch bei 1,2070 USD (29. August) übertreffen und notierte damit so hoch wie zuletzt im Januar 2015. Die gemeinsame Währung Europas profitiert weiterhin von der Schwäche des Greenback und den politischen Unwägbarkeiten aus Washington. Zudem wirkte sich die Sorge um die wirtschaftlichen Folgen des Hurrikans "Irma" belastend auf den US-Dollar aus. Der Start in die neue Handelswoche verlief allerdings etwas verhaltener. Der Euro rutschte wieder deutlich unter die Marke von 1,20 USD und notiert aktuell bei 1,1905 USD.
Nachdem die Europäische Zentralbank (EZB) erwartungsgemäß die Zinsen unverändert beließ, überraschte die Kanadische Zentralbank mit einer Zinserhöhung. Die Notenbank hob den Schlüsselzins um 0,25% auf nun ein Prozent an. Begründet wurde der Schritt mit einer robusten und florierenden Wirtschaft. In der Folge verlor der Euro zum kanadischen Dollar und fiel bis auf 1,44432 CAD zurück, nachdem er Ende August noch bei Kursen von 1,50748 CAD gehandelt hatte.
In der vergangenen Berichtswoche konnte eine leichte Zunahme der Handelsaktivitäten bei den Fremdwährungsanleihen registriert werden. Zu den Favoriten gehörten Bonds lautend auf US-Dollar, norwegische Kronen, türkische Lira und vereinzelt auch australische sowie kanadische Dollar.
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Herausgeber:
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www.baaderbank.de
Redaktion:
Robert Halver,
Leiter Kapitalmarktanalyse der Baader Bank AG
Marc Schlömer, Kapitalmarktanalyse, Baader Bank AG
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Der Autor dieses Artikels ist Klaus Stopp, Leiter der Skontroführung Renten bei der Baader Bank AG. www.Baadermarkets.de
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